Interessenbindungen im Bundeshaus – Lobbywatch.ch lanciert

Was ist der Einfluss der Lobbygruppen im Schweizer Parlament? Welche Verflechtungen gibt es? Welche Interessen vertreten Parlamentarier und Parlamentarierinnen? Welche Organisationen und Verbände haben welchen Zugang im Bundeshaus?

Fragen, die schwierig zu beantworten sind, die aber für unser tägliches Leben von erheblichem Einfluss sind. Denn die 200 National- und 48 Ständeräte machen unsere Gesetze oder sie verteilen Subventionen.

Eine Gruppe von Bürgern versucht Antworten auf diese Fragen zu ermöglichen:

Die Plattform Lobbywatch.ch wurde an der Opendata.ch/2014-Konferenz am 18. September gestartet.

Das Schweizer Parlament ist nach dem Milizsystem aufgebaut. Die National- und Ständeräte üben ihr Mandat im Nebenamt aus. Es gibt im Jahr vier Sessionen, wo im Bundeshaus über die Gesetze beraten und entschieden wird. Als Milizparlamentarier gehen sie weiteren Tätigkeiten nach. Sie arbeiten beispielsweise als Anwälte, Bauern oder Verwaltungsräte. Als engagierte Menschen sind sie daneben in diversen Vereinen, Verbänden und Gesellschaften aktiv. Diese Tätigkeiten sind erwünscht und befruchten den politischen Prozess.

48 Ständeräte vertreten eine Bevölkerung von acht Millionen. Durch ihre Machtfülle sind die Parlamentarier und Parlamentarierinnen gesuchte Menschen. Alle kämpfen um ihre Gunst und ihr Wohlwollen. Die National- und Ständeräte werden umgarnt. Interessengruppen wie z.B. Pharmafirmen, Krankenkassen oder Spitäler haben oder bezahlen Lobbyisten, die sich für ihre Anliegen im Bundeshaus einsetzen. Teilweise sind die Parlamentarier selbst Vertreter solcher Interessengruppen, z.B. im Vorstand der Ärztevereinigung FMH. Die Parlamentarier können zudem zwei Gästen einen Zugang ins Bundeshaus ermöglichen. Das reicht von persönlichen Mitarbeitern über PR-Berater bis zu Verbandslobbyisten. Diese zutrittsberechtigten Gäste dürfen sich in der Wandelhalle frei bewegen und können versuchen anwesende Parlamentarier mit ihren Argumenten für ihre Anliegen zu gewinnen.

Grössere Organisationen und reiche Verbände können sich Lobbyisten und einen guten Zugang ins Parlament leisten. Einer Gruppe von kaum organisierten Menschen oder finanziell knappen Verbänden, wie z.B. den Steuerzahlern oder den Konsumenten, fällt es schwerer sich für ihre Anliegen Gehör zu verschaffen.

Die Parlamentarier sind vom Volk gewählt und vertreten dieses im Gesetzgebungsprozess. Für die Wähler oder Journalisten ist es nützlich zu wissen, welche Interessen ein Parlamentarier vertritt und zu welchen Organisationen eine Verbindung besteht.

Aus diesem Grund ist es im Parlamentsgesetz vorgeschrieben, dass die zutrittsberechtigten Gäste registriert und die Interessenbindungen der Parlamentarier erfasst und öffentlich zugänglich sind. Doch wird die Interessenbindungsliste nur einmal jährlich aktualisiert und wurde bisher von niemandem kontrolliert.

Lobbywatch.ch

Lobbywatch.ch füllt genau diese Lücke.

  • Auf der Internetplattform kann nach Parlamentariern oder Organisationen gesucht werden. Es werden die Verbindungen angezeigt.
  • Die Daten werden von Journalisten und Journalistinnen recherchiert und gepflegt. Der Einfluss ins Parlament wird gewichtet.

Die Parlamentarier werden in Lobbywatch.ch kommissionsweise erfasst. Aktuell sind die Parlamentarier der „Kommissionen für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK)“ in der Lobbywatch.ch-Datenbank enthalten. Die Recherche, die Pflege und die Qualitätssicherung der Interessenbindungen der Parlamentarier ist ein aufwändiger Prozess. Beispielsweise werden die recherchierten Daten vor der Veröffentlichung den Parlamentariern zur Gegenkontrolle vorgelegt.

Die Interessenbindungen der 38 National- und Ständeräte und deren Gäste führten zu Verbindungen zu über 700 Organisationen.

Crowd-Funding

Der bisherige Aufbau der Plattform wurde ehrenamtlich in einem Jahr Arbeit und auf eigene Kosten durchgeführt.

Die Erfassung aller Parlamentarier und Parlamentarierinnen ist im öffentlichen Interesse.

Zur Erfassung weiterer Kommissionen und zur Datenpflege wurde deshalb eine Crowd-Funding-Kampagne gestartet. In 45 Tagen sollen 10‘000 Franken gesammelt werden. Damit kann beispielsweise ein Praktikant zur Dateneingabe und -pflege bezahlt werden. Jetzt auf wemakeit unterstützen! Die Kampagne läuft bist Ende Oktober. Je mehr kleine Unterstützungen es gibt, desto breiter ist das Projekt abgestützt.

Zusammenfassung

Transparenz beim Gesetzgebungsprozess und bei der Subventionsverteilung im Bundeshaus ist wichtig. Ein Abruf der Interessenbindungen der National- und Ständeräte und eine Einordnung des Einflusses von Organisationen auf den Gesetzgebungsprozess ist für eine funktionierende Demokratie wünschenswert. Die neue Plattform lobbywatch.ch engagierter Journalisten und Bürger versucht diese Lücke zu schliessen. Bis Ende Oktober läuft die Crowd-Funding-Kampage zur weiteren Datenerfassung.

Offenlegung

Ich habe beim Aufbau der lobbywatch.ch Plattform mitgearbeitet und bin am Projekt beteiligt.

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