Wer meint, dass sich Witz und Intelligenz im Theater ausschließen, der möge sich schleunigst ins TAG begeben. Das Theater an der Gumpendorfer Straße zeigt derzeit „13 oder liebt eure Volksvertreter!“ Eine Polit-Satire mit einem Blick in menschliche Abgründe.
Der Text stammt von Ed. Hauswirth und dem Ensemble des TAG und fußt zum Teil auf Interviews mit in der Politik Tätigen. Fünf Menschen kommen zusammen, um den Tod von Franziska (Petra Strasser via Filmzuspielungen) zu verarbeiten. Eine Hommage soll es sein, macht Ingrid (Michaela Kaspar) deutlich. Sie war Freundin und politische Rivalin zugleich, die immer im Schatten der Powerfrau stehen musste. Karl (Georg Schubert), Franziskas Mann und die Tochter Eva (Elisabeth Veit) haben eingewilligt, einen Film nachzudrehen, der einst Franziskas Lieblingsfilm war. Diesen Dreh, aber auch Originalzitate der Verstorbenen und eigene Ideen werden dem Abend Würze verleihen, erfährt man zu Beginn, ohne die geringste Ahnung zu haben, was denn damit gemeint sei.
Walter (Jens Claßen), schwuler Familienfreund und Bob (Raphael Nicholas), ein junger Parteigefährte, ergänzen die Trauerrunde. Bald wird klar, dass jeder und jede mit Franzsiska „liebevoll Zisi“ genannt, noch einige Abrechnungen offen hat. Die werden auch prompt coram publico ausgesprochen und durchexerziert. Obwohl in Momenten des Abschiednehmens Ehrlichkeit eher ein hinderlicher Faktor ist, glauben die Beteiligten, nur damit ihre Trauer überwinden zu können. Dass der Kitt des sozialen Zusammenhanges dadurch nicht fester wird, leuchtet normalerweise ein. Aber was ist im Trauerfall denn schon „normal“? Heraus kommt jedenfalls, wie man sich unschwer vorstellen kann, ein mittelgroßes Desaster. Bald wird klar, dass die Verstorbene es mit der Treue nicht so genau nahm.
Hauswirth, zugleich Regisseur des Stückes, zeichnet in den Dialogen das Bild einer rastlosen Politikerin nach, die sich nie sicher war, ob ihre Botschaft auch wirklich an Mann und Frau kam. Er deckt auf, dass Politik- Machen ein ganz schön einsames Geschäft sein kann und macht klar, dass dahinter Menschen mit emotionalen Bedürfnissen stecken. Dass ausgerechnet Jon (Julian Loidl) Franziskas emotionalen Notstand befriedigte, ist nicht nur für die Familie, sondern auch für die Partei von Franziska indiskutabel. Gehört er doch der rechten Fraktion an und macht kein Hehl daraus, dass er die Politik der Linken für völlig verfehlt und veraltet hält. „Zu Paris hab ich nix zu sagen, das arbeitet eh für uns“ sagt er ungeniert an einer Stelle, wofür er prompt körperliche Gewalt angedroht bekommt.
Anklicken umDer Text ist ein vielschichter Balanceakt, in dem sich das politische Geschäft mit persönlichen Befindlichkeiten vermischt und nie wirklich trennen lässt. Zugleich verschränkt er sich mit Rainer Werner Fassbinders Vorlage „Ein Jahr mit 13 Monden“, die er nach dem Selbstmord seines Lebensgefährten drehte. Vieles, was darin gesagt wird, trifft auch auf Franziskas Freunde und Familie zu. Das führt zu einem fast rhythmischen Ablauf, in dem Wahrheit und Fiktion, aber auch die Bezüge zur filmischen Vorlage ineinander verschwimmen. Die wunderbarste Regieleistung, aufgebaut auf einem Text, den man normalerweise zum Einschlafen zitiert, zeigt Hauswirth am Ende. Schubert und Loidl mimen die beiden Rivalen in einer unbeschreiblich witzigen Szene, die hier nicht illustriert, sondern nur kurz angerissen werden soll. Denn sie ist es, die einen Besuch des Stückes schon alleine rechtfertigt. Dass sich Verordnungen und Gesetzte, deren Erstellung und Druchführung als Wachhalteparolen eignen, dazu gehört eine allerfeinste, subtile Feder und eine brachiale, bildgewaltige Umsetzung. Beides ist in diesem Falle aufs Beste gelungen.
Der multimediale Einsatz, in vielen Produktionen oft nur bemüht, um zu zeigen, dass man dieses Genre vermeintlich auch beherrscht, macht in dieser Inszenierung absolut Sinn. Wie die Kamera von Hand zu Hand wandert, wie sich Video-Einspielungen mit Bühnengeschehen vermischt, ist richtig elegant. Julian Loidl und Georg Schubert haben äußerst dankbare Rollen, die sie mit allergrößter Bravour auch meistern. Ein Abend, der in dieser Wiener Theatersaison zum „must see“ gehört.