Integrationsunwilliges Deutschland?

“Studie belegt: Jeder fünfte Muslim in Deutschland will sich nicht integrieren” titelte die BILD bereits vorgestern, denn das Bundesinnenministerium hatte der Zeitung die gestern erschienene Studie exklusiv vorgelegt. Ihre kleine Schwester WELT treibt es noch weiter “Der Islamismus gehört jetzt auch noch zu Deutschland” – aha.

Mal abgesehen von der fragwürdigen Bevorzugung der BILD, von der nicht das geringste Bemühen um eine möglichst neutrale Darstellung nicht zu erwarten war, und dem darauf folgenden Abschreiben vieler großer Zeitungen, von denen ich mehr Seriosität erwartet hätte, gibt es in erster Linie 3 große Problempunkte:

1. Die Studie selbst

Die Berliner Forschergruppe HEYMAT hat sich die Studie genauer angeschaut und festgestellt, dass viele Fragen der Studie suggestiv sind und die Zahl der Befragten nicht repräsentativ ist. Dieses Problem benennt im Übrigen auch die Studie selbst:

Wichtig ist an dieser Stelle, noch einmal darauf hinzuweisen, dass diese und die folgenden Prozentangaben keinesfalls weder auf alle in Deutschland lebenden Muslime im Allgemeinen noch auf alle in Deutschland lebenden jungen Muslime im Alter von 14 bis 32 Jahren hochgerechnet werden können und dürfen.

(Lebenswelten junger Muslime in Deutschland)

So beruht die Integrationsunwilligen-Quote von 15 % der deutschen Muslime auf gerade einmal 25 befragten Personen, die der nicht-deutschen auf 112 Personen.

Zudem erwarte die Studie jedoch vorbildhaftere Muslime als Deutsche, denn:

In Bezug auf Vorurteile gegenüber Juden etwa stellt die Berliner Forschergruppe fest, dass der Trend zu populistischen Einstellungen in der deutschen und anderen europäischen Gesellschaften seit Jahren bei ca. 15-20% liege. „Warum sollte das bei Muslimen anders sein?“, fragen sie ohne „relativieren“ zu wollen.

(Migazin)

Auch was die Gewaltbereitschaft angeht, sind die Deutschen kaum besser: Die Studie “Deutsche Zustände” vom Soziologen Wilhelm Heitmeyer fand heraus, dass ganze 19 % der deutschen Bevölkerung Gewalt gegen Ausländer nicht abgeneigt wären, wenn es noch mehr Ausländer werden. Es stellt sich die Frage: Wer möchte sich denn integrieren, wenn permanent gezeigt wird: “Du bist hier unerwünscht!” ?

2. Die Debatte um die Studie und wie sie begann

Bundesinnenminister Friedrich hat mit seiner Vorgehensweise viele enttäuscht: Andere Politiker, Muslime und auch die Autoren der Studie selbst, vorallem weil er die Studie zuerst der BILD zur Verfügung stellte und sich dann wohl auf deren Artikel berief statt selbst einen Blick hinein zu werfen.

Serkan Tören, der integrationspolitische Sprecher der FDP, schimpfte über die Geldverschwendung für eine Studie, die mehr Schlagzeilen als Erkenntnisse produziere. Dies klingt allerdings ebenfalls sehr danach als hätte er sie ebenfalls nicht gelesen und antworte eher auf die von der BILD ausgelöste Debatte.

Josef Winkler von den Grünen kritisierte nachvollziehbarer:

Ich finde auch, man sollte das nicht an der Religion festmachen, wenn man mal die Integrationsprozesse von Christen, die aus Osteuropa nach Deutschland zugewandert sind, sich betrachtet, dann haben wir ähnliche Zahlen.

(zitiert von der Tagesschau)

Die Linkspartei wies darauf hin, dass man nicht mit der Sympathie von Muslimen rechnen könne, wenn man sie zum Feindbild erklärt. Und die stellvertretende SPD- Vorsitzende klagt über den unseriösen Umgang mit der Studie:

Dort steht auch, dass man nicht Populismus Raum geben soll, dass man die jungen Menschen mehr in die Mitte der Gesellschaft führen soll, dass Einbürgerung ein wichtiges Kriterium ist und es wird sogar die doppelte Staatsbürgerschaft dort gefordert. All diese Dinge werden überhaupt nicht vom Bundesinnenminister im ersten Anlauf berücksichtigt, sondern man gibt eben den Schlagzeilen den Raum.

(zitiert von der Tagesschau)

Das verletzte auch die Autoren der Studie, deren Projektleiter Wolfgang Frindte zusammenfasste, dass ein so komplexes Thema eben nicht in eine knackige Schlagzeile passe.

Das Migazin schließlich prangert an, dass der Bundesinnenminister erneut gezeigt habe, dass er nicht in der Lage sei, einen konstruktiven Beitrag zur Integration zu leisten.

3. Unser Verständnis von Integration

Problematisch ist jedoch vorallem, dass gerade von Seiten der Medien und der sie lesenden Bevölkerung noch immer nicht verstanden wurde, dass Integration nicht einseitig funktioniert und im Übrigen auch keine Assimilation ist.

Assimilation ist das völlige Ablegen der alten und das vollständige Annehmen der neuen Kultur und damit das Verschwinden aus dem Gedächtnis der Deutschen, die sich bei assimilierten Ausländern oder Deutschen mit Migrationshintergrund nicht mehr mit dem womöglich Fremden auseinandersetzen müssen.

Integration hingegen erlaubt durchaus die Wertschätzung der alten Kultur. Angenommen ich ginge als Deutsche in die Türkei könnte ich dort also durchaus mit meinen Kindern Deutsch sprechen und ihnen meine Kultur vermitteln und zudem an der türkischen Kultur teilnehmen, indem ich mich gesellschaftspolitisch engagiere, Vereinsmitglied bin usw.

Aber würde ich das wollen, wenn mir alle populären inländischen Medien erklären, dass ich unerwünscht bin und wenn ich schon unbedingt da sein müsse, dann doch bitte unsichtbar werden soll? Nein, danke. Dann wandere ich lieber aus. Genau das ist auch in Deutschland das Problem, wo sich gerade jüngere Generationen nicht angenommen fühlen und im Schlimmstfall sogar auswandern, gerade die Gutausgebildeten, die wir so dringend bräuchten.

Medien- und politische Debatten wie diese tragen eben dazu bei, die Integrationsunwilligkeit und die Auswanderungsquote zu steigern.

Jeder von uns, ob mit oder ohne Migrationshintergrund muss seinen Beitrag zur Integration leisten, sonst landen wir in einer Spirale, aus der wir nicht wieder herauskommen werden.



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