Eigentlich weiß ich mein Wahlrecht zu nutzen. Ich bin mir auch dessen bewusst, dass es für mich als Frau nicht in allen Zeiten selbstverständlich war. Jetzt sehe ich mich aber mit einer neuen Art der Wahlmöglichkeit konfrontiert, der Integrationsratswahl. Ich dachte das wäre was Neues. Aber nein, ich habe recherchiert. Die Anfänge waren wohl schon im Jahre 1971. Da stellen sich mir gleich mehrere Fragen übereinander. Wieso wusste ich bis 1900, entschuldigung 2014 nichts davon? Und die andere Sache ist, wieso bekomme ich es? Und zu allerletzt muss es sein? Weniger dass ich es bekomme, als die Sache an sich.
Zu Frage 1: Das ist einfach. Ich weiß es nicht und ich weiß noch nicht einmal, wen ich fragen sollte. Auch hier ist man zu Randerscheinungen durchaus nur gut gemeint. Und dann? Kann man doch niemandem vor den Kopf stoßen, oder? Wenn Integration, Inklusion nicht mehr weiterhelfen, muss „gut gemeint“ herhalten. Langsam kommt es mir vor, wie das Gegenteil davon. Oder auch einem Zugehörigkeitsgefühl im Wege stehend.
Zu Frage 2: Das weiß ich leider auch nicht. Nur mal so eine Idee prinzipiell für alle Wahlen, vielleicht sollte man die Wahlbenachrichtigungen nicht nackig verschicken, sondern auch geraffte Informationen beifügen. Teuer, ich weiß, aber die Flyer, Kullis, Buttons usw. sind im Einkauf nicht so kostenlos wie im Verteilen. Und kommt das Geld aus den vielen einzelnen Geldtöpfen nicht aus einem großen?
Nur mal rein hypothetisch, sagen wir mal ich wäre in einem anderen Land geboren worden, wäre mittlerweile 25 Jahre hier, hätte eine gefühlte Ewigkeit die deutsche Staatsangehörigkeit, würde Deutsch auf Muttersprachler-Niveau sprechen, würde mich hier zu Hause fühlen, müsste ich dann nicht das Gefühl haben, dass ich unheimlich gut gemeint erwünscht bin, aber trotzdem nicht dazu gehöre? Wenn ich also, und wir bleiben hypothetisch, 25 Jahre von 33 Jahren in einem Land lebe, mich nur in seiner Sprache uneingeschränkt artikulieren könnte, dann gehöre ich nicht dazu? Aber wo gehöre ich hin, wenn nicht hierhin? Wir sprechen hier von 25 Jahren gegen 8 Jahre und es wären noch mehr, wenn man mich vorher gefragt hätte. Wo immer ich herkommen möge, so gehöre ich nach so einer langen Zeit mit einem verkommenen Sprachgebrauch sicher nicht mehr dahin. Da bin ich eine Deutsche, gut wie schlecht gemeint. Und hier bin ich was? Wohl keine Deutsche. Was bin ich also dann? Davon mal abgesehen, dass man immer seine Gründe hat, einem Land den Rücken zu kehren, seien es nur physische Missstände und die dazugehörigen gesellschaftlichen Defizite.
Zu Frage 3: Muss es sein? Für wen? Ich habe keine Zahlen spontan finden können, wie hoch die Wahlbeteiligung hier genau ausfällt. Was dem Verfasser bei Wikipedia allerdings als nennenswert erschien, war, dass das Ganze wegen radikaler Nuancen in der Kritik steht. Das sollte vielleicht einem zu denken geben, aber nicht das ultimative Gegenargument sein, radikales gibt es überall. Bei Betrachtung der Liste, wer alles wahlberechtigt ist, stellt sich mir die Frage, ob es nicht einfacher wäre eine Wahl für den Rest zu organisieren. Denn wir sind alle ein bisschen Migrationshintergrund. Ich und die Bezeichnung des „Migrationshintergrunds“. Fast schon einen eigenen Blog wert. Schubladen-Denken findet keiner gut, aber solange man auf die Schubladen Sticker klebt „wir finden euch alle super“ ist alles in Ordnung. Meiner Meinung nach ist da aber auch wirklich gar nichts in Ordnung. Schubladen bedeuten Abgrenzung und das ist alles andere als super. Positive Diskriminierung bleibt nach wie vor immer noch Diskriminierung. Vielleicht ist die Idee einer Wahl sinnvoll für, ich weiß gerade nicht, was politisch korrekt dafür angesagt ist, aber was ich meine sind Menschen, die sich durch sonstige Wahl nicht an der Gesellschaftsentwicklung beteiligen können. Aber für alle anderen mit einer deutschen Staatsangehörigkeit sollten dieselben Rechte und Pflichten gelten, wie für die, die keinen Migrationsstempel ihr eigen nennen können. Als wären wir alle gleich.
(Foto: Stephanie Bröge / pixelio.de)