Riley ist ein lebenslustiges Mädchen. Zusammen mit ihren Eltern lebt sie im ländlichen Minnesota, wo sie Wanderungen durch die malerische Umgebung, das Eislaufen auf zugefrorenen Seen und die Spiele ihrer Eishockeymannschaft genießt.
Es könnte nicht besser sein! All das ändert sich jedoch schlagartig, als die Familie nach San Francisco zieht. Riley muss mit Veränderungen zurechtkommen und gerät in einen Strudel aus Gefühlen, die wieder in geregelte Bahnen gelenkt werden müssen. Für die emotionalen Abläufe sind fünf Wesen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, verantwortlich. Freude, Kummer, Wut, Angst und Ekel sorgen seit der Geburt im Kopf des Mädchens für den seelischen Einklang ihres Menschen. Als Freude und Kummer unfreiwillig aus der Kommandozentrale des Gehirns befördert werden, beginnt für die Emotionen ein Wettlauf gegen die Zeit. Schließlich muss Rileys Persönlichkeit wieder in ihren Einklang gebracht werden. Auf ihrem Abenteuer durch das psychische Innenleben muss das ungleiche Paar zahlreiche Hürden meistern…
Beim neusten Werk aus dem hochgeschätzten Hause Pixar bekommt der Begriff “innere Handlung” wahrhaft eine komplett neue Bedeutung. Die Stars des Animationsfilms sind nämlich keine Spielzeuge, Autos oder Tiere. Die Macher haben sich einer komplett neuen Herausforderung gewidmet. Emotionen wurde ein Gesicht verliehen. Mit klassischen Situationen aus der frühesten Kindheit bekommt jeder der lenkenden Kräfte ihren eigenen Moment, der die charakteristischen Merkmale etabliert. Eindimensionale Figuren spielen sich so im Minutentakt in Hochgeschwindigkeit den Ball zu und bilden so ein Gesamtkonstrukt, das in letzter Konsequenz die Individualität Rileys kreiert. Diese erzählerische Form sorgt dafür, dass die abstrahierte Reise durch das gefühlvolle Innenleben nicht zu einem stagnierenden Nervenimpuls verkommt. Die weitere große Stärke der Geschichte über die Belastung, die im Leben eines Kindes bei einer kompletten Umstellung des alltäglichen Umfeldes entsteht, sind die Bilder, die für bekannte Prozesse des menschlichen Nervensystems geschaffen werden. Die Erinnerungen, die sich im Laufe unseres Daseins angesammelt haben, werden in den Köpfen der Protagonisten als bunte Murmeln, die je nach Ihrer Wichtigkeit von den fleißigen Arbeitskräften sortiert werden, dargestellt. Der gefurchten Oberflächenstruktur des Denkapparates wird die Metapher eines Labyrinthes, das aus gigantischen Regalen, die allesamt mit Erinnerungen, die bei Bedarf von einem skurrilen Sondereinsatzkommando in einen bedrohlichen Abgrund, der metaphorisch für die Tiefen des Unterbewusstseins, in dem Informationen nach längerer Zeit verblassen und in tiefere Höhlen des Denkens übergehen, befördert werden, verliehen. Sogar für das Kino hat das Drehbuch eine liebevolle Hommage in der Hinterhand. Ein eigenes Filmstudio, das mit waschechten Stars, unermüdlichen Arbeitern hinter den Kulissen und technischen Gadgets ausgestattet ist, realisiert das Unterhaltungsprogramm während der kuschligen Nachtruhe. Die Traumfabrik Hollywood fühlt sich mit Sicherheit geschmeichelt. Während des Tanzes der Moleküle, erhascht man vereinzelt auch einen Blick in das neuronale Oberhaus der Eltern, wo auf charmante Art und Weise mit den alteingesessenen Eigenheiten der Geschlechter kokettiert wird. Auch das Zusammenbrechen von Welten, mit denen wir uns in schwierigen Lebenssituationen konfrontiert sehen, bekommt eine ausdrucksstarke Manifestation. Die tragenden Säulen, mit denen Aspekte der Persönlichkeit symbolisiert werden, sind freischwebende Inseln, die wegbrechen können. Zum Glück kommt es zu Wiederauferstehungen der Seelen-Landschaften, deren antreibende Vulkane Erfahrungen, die im Leben eines Menschen aus Ton ein nicht reproduzierbares Gebilde formen, sind. Im Vorfilm, der bei Pixar ja bekanntermaßen zum guten Ton gehört, spielen übrigens singenden Vulkane, die erste Geige, die exzellent auf die folgende Symphonie einstimmt. Erfrischend ist auch, dass man ohne Erfolg nach einem bösen Gegenspieler, der versucht der Hauptfigur das Leben zu erschweren, Ausschau hält. Wir selbst haben es in der Hand, das Beste aus schwierigen Umständen zu machen. Welche der fünf Stimmen der Star ist, bleibt jedem selbst überlassen. Das Zusammenspiel von Freude und Kummer bildet zwar den Mittelpunkt, allerdings bekommt jeder Akteur genug Freiraum zur Verfügung gestellt, so ist die Erfahrung, die man selbst beim Ausflug in das Kino mitnehmen kann, vielleicht auch der aktuellen Stimmung zum Zeitpunkt der Sichtung unterworfen. Raffiniert zum mehrmaligen Ansehen verführt, kann man da nur sagen. Ob ein angedeutetes Sequel, das dem Abwurf einer Atombombe gleichenden Pubertät als Rahmenhandlung wählen wird, realisiert wird, lässt sich noch nicht sagen, jedoch bieten sich genügend Anreize aus dem unglaublichen Pool an Ideen, die ein solches Unterfangen legitimieren würden.
Fazit. Mit “Inside Out- Alles steht Kopf” gelingt den Pionieren des animierten Films ein großer Spaß für die ganze Familie, der zudem mit einer Vielzahl von philosophischen Nuancen überrascht. Die Vorstellungen, die von Denkprozessen entworfen werden, erscheinen plausibel und könnten tatsächlich als plastisches Gedankenexperiment für die Psyche dienen. Eine Fahrt auf diesem perfekt durchdachten “train of thought” bietet immenses Identifikationspotential und beweist, dass der Disney-Ableger es immer noch schafft, mit neuen Stoffen bezauberndes Kino abzuliefern.
- Bewertung: 9/10
- Genre: Animationsfilm, Komödie
- FSK noch unbekannt
- Laufzeit: 94 Minuten
Marco Busselmaier