Nicole aka Ninotsch hat wie ich eine Menge Reisejahre auf dem Buckel und kennt noch das analoge Backpacking der 90er Jahre mit Traveller-Cheques und R-Gesprächen zu Mutti nach Hause.
Vom Dauerfernweh ist das Nordlicht dennoch nicht geheilt, obwohl es sie direkt in die Ferne verschlagen hat. Nicole hat Hamburgs Waterkant gegen das Mittelmeer getauscht und lebt bereits seit 15 Jahren in der Provinz Barcelona.
Wenn hier also einer aus dem Nähkästchen plaudern und uns die wahren Barcelona-Insides verraten kann, dann Nicole.
Im Übrigen verbindet uns auch das Bloggen. Nicole schreibt auf ihrem, unbedingt lesenswerten, Blog Freibeuter Reisen (ich mag den Namen übrigens) über ihre ungezähmte Reiseleidenschaft. Schaut mal rein!
Warum hat es Dich nach Barcelona verschlagen?
Ich war gerade mit der Uni fertig und mein Schatz, dessen Familie ja hier lebt, meinte dass wir nun endlich probieren sollten, mit den Kindern wenigstens eine Zeit lang herzukommen, damit sie auch was von ihren spanischen Wurzeln und der Familie mitkriegen. Das ist nun über 15 Jahre her.
Was genau machst du dort?
Seit ein paar Jahren reiseblogge, texte und übersetze ich mich so durch. Vorher habe ich die verschiedensten Jobs gemacht, in diversen Büros, Marketing, Übersetzungen etc. Besonders als die Kinder noch klein waren, habe ich versucht, möglichst viel Zeit für sie zu haben und Arbeit und Familie unter einen Hut zu kriegen.
War es schwer für Dich in Spanien Fuß zu fassen?
Dadurch, dass ich ja gleich Familienanschluss hatte, überhaupt nicht. Ziemlich schnell habe ich auch viele, nette Leute kennengelernt und Freunde gefunden. Natürlich ist hier einiges anders, als in Deutschland. Viele Sachen, die einem bei einem kurzen Besuch in Barcelona natürlich gar nicht auffallen, aber alles in allem ging es schnell mit der Umstellung. Sicher hilft es auch, die Sprache zu lernen.
Wie sieht Dein Alltag/ein typischer Tag dort aus?
Mittlerweile ist mein Alltag sehr entspannt. Dadurch dass ich nicht mehr jeden morgen früh ins Büro hetzen muss, und auch die Kinder nicht mehr zur Schule bringen oder abholen muss, kann ich meinen Tag frei einteilen. Normalerweise stehe ich relativ früh auf, so gegen sieben, trinke einen Kaffee und dann geht es an den Schreibtisch. Nachdem ich Mails gelesen habe, mache ich meistens eine To-Do-Liste für den Tag. Dann geh ich raus, frisches Obst, Fleisch, Fisch, Gemüse oder was man eben braucht, im Dorf einkaufen. Dabei treffe ich fast immer jemanden, mit dem ich dann kurz noch einen Kaffee trinke oder frühstücken gehe. Dann geht es wieder an den Schreibtisch bis zur Mittagspause. Zwischen zwei und drei mache ich mich ans Mittagessen und um fünf geht es noch mal an den Computer bis halb acht. Dann mache ich Feierabend, gehe raus ein Bierchen trinken kuschle mich aufs Sofa zum Lesen oder was auch immer.
Was ist der größte Unterschied zu Deinem Leben in Deutschland?
Der größte Unterschied ist, dass das soziale Leben hier draußen stattfindet. Sich bei jemandem zu Hause zu verabreden passiert eher selten. Das gibt es zwar auch, aber wesentlich weniger, als ich das aus Hamburg kannte.
Welche Deiner deutschen Eigenarten hast du Dir beibehalten und was „typisch deutsches“ möchtest du auch in Spanien nicht missen?
Meine Pünktlichkeit. Die kriege ich irgendwie nicht raus, obwohl ich es schon echt oft versucht habe. Mittlerweile gehe ich bei Verabredungen erst los, wenn ich eigentlich schon am verabredeten Ort sein sollte. Aber selbst wenn ich 15 Minuten zu spät komme, bin ich immer noch die erste. Und ich hasse es zu warten! Was ich nicht missen möchte, sind die Freundschaften, die ich immer noch in Deutschland habe. Seit so vielen Jahren noch so engen Kontakt zu meinen Freundinnen zu haben finde ich großartig. Tiefgründige, ehrliche Gespräche über Gott und die Welt. Hier sind die Gespräche doch oft ein wenig schnelllebiger und oberflächlicher. Man hat viel Spaß und feiert miteinander, aber Probleme zu erzählen oder einfach zuhören zu können, wenn jemand anderes Probleme hat, das vermisse ich manchmal schon.
Was verwundert oder fasziniert Dich an den Spaniern/ Katalanen am meisten?
An den Katalanen und auch an den Spaniern faszinieren mich ihre Stehaufmännchen Qualitäten. Es ist unglaublich, mit welcher Leichtigkeit sie aus scheinbar unlösbaren Situationen doch immer wieder das Beste machen können. Sie sind echte Meister im Improvisieren.
Gibt es Eigenarten der Spanier oder etwas an dem Land was du nicht magst bzw. dich stört?
Die Lautstärke nervt manchmal. Hier ist nichts und niemand leise!
Warum sollte jeder einmal nach Barcelona reisen?
Weil die Stadt schon sehr beeindruckend ist, so zwischen Meer und Bergen, mit ihrer ganz eigenen Architektur, dem bunten Trubel und dem guten Essen.
Aber wer Barcelona richtig erleben will, sollte sich schon die Mühe machen, die Kultur und die Menschen zu verstehen, und nicht mit einem mexikanischen Sombrero und einem Bier in der Hand halbnackt durch die Straßen laufen. Insofern bin ich mir nicht sicher, ob jeder einmal nach Barcelona reisen sollte. Manche Besucher wären wahrscheinlich in einer Disco am Strand besser aufgehoben. Meiner Ansicht nach ist Barcelona kein Ort für Partytourismus. Trotz Sonne und Strand ist das Schönste an Barcelona eigentlich die Kultur und die Geschichte der Stadt.
Welche touristischen Highlights sind es wirklich wert, sie sich anzuschauen?
Die modernistischen Gebäude lohnen sich schon. Es reicht aber oft sie von draußen zu sehen. Die Eintrittspreise sind oft horrend. Der Parc de la Ciutadella ist auch wunderschön und kostet nicht mal Eintritt.
Verrate uns doch bitte Deine absoluten „Hidden Gems“ und Geheimtipps in Barcelona?
Nee, dann sind sie ja nicht mehr geheim! Es ist gar nicht so leicht in Barcelona noch etwas Geheimes zu finden. Irgendwer hat immer schon geplaudert und längst sind auch die einst versteckten Ecken von Touristen belagert. Aber es gibt ein paar Stellen, die die Massen entweder noch nicht auf dem Zettel haben, oder die einfach zu weit ab von ihrer Route liegen. Zum Beispiel die Torre Bellesguard, ein hammerschönes Gebäude, von Gaudi entworfen, auf einem historischen Hügel, auf dem einst das Schloss des letzten katalanischen Königs Martin der Humane stand. Ein katalanischer Robin Hood hat sich hier der Legende nach auch noch versteckt. Also wirklich ein spannendes Stück Stadtgeschichte. Aber die Torre liegt zum Glück nicht im Zentrum. Man muss schon mit der Metro fahren und noch ein Stück zu Fuß laufen, um dorthin zu gelangen. Sie ist auch nicht immer geöffnet, denn das Haus ist bewohnt und auch erst seit zwei Jahren überhaupt für Besucher geöffnet. Aber wenn man den Weg bis dahin nicht scheut, lohnt sich die Mühe! Ich bin jedenfalls von diesem Plätzchen begeistert.
Welchen Ratschlag möchtest Du Reisenden nach Barcelona mit auf den Weg geben?
Lernt ein paar Worte Katalanisch! So was wie Bitte, Danke, Guten Tag oder so. Wenn man die Menschen hier kennenlernen will, geht das am besten, wenn man selbst offen auf sie zugeht. Dazu sind ein paar Brocken in ihrer Sprache wie der Schlüssel zu ihren Herzen! Wer stur darauf beharrt oder erwartet, dass alle Welt Englisch oder gar Deutsch spricht, stößt hier auf taube Ohren.
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Bilder:©Nicole Biarnes