Insektensterben – was sagt die Statistik

Es ist Europawahl und in Bayern ist die ÖDP mittlerweile eine ernst zunehmende Partei und Konkurrent der Grünen. Sie hatte bereits den strengeren Raucherschutz per Volksentscheid durchgesetzt und war jetzt wesentlich am Volksbegehren Artenvielfalt zum Schutz der Insekten beteiligt. Deshalb prangt auf vielen Wahlplakaten das Bild einer Biene.

Die Biene ist überhaupt zum Symbol der Diskussion geworden, auch wenn oft eine Honigbiene abgebildet ist, deren Bestand vor allem von der Zahl der Imker abhängig ist. „Nicht nur Bienen sind bedroht", titel Statista. Besser wäre gewesen zu schreiben: „Bienen sind weniger bedroht als andere Arten". Insektensterben – was sagt die Statistik Mehr Infografiken finden Sie bei Statista

Wir wollen also über Bienen reden und über sonstige Insekten. Dass es den Bienen nicht so schlecht geht wie behauptet, muss natürlich nicht für andere Insektenarten gelten. Außerdem müssen wir zwei Themen unterscheiden, nämlich die Zahl der Arten und die Zahl der Insekten, wobei oft statt der Zahl die Insektenmasse erhoben wird.

Bei den Arten macht es außerdem einen Unterschied, ob sie bereits ausgestorben ist oder bedroht ist. Schließlich ist es wenig sinnvoll zu warten, bis sie wirklich verschwunden ist. Handeln sollte man bereits vorher.

Die Bienenlüge

Tatsächlich ist auch bei den Wildbienen die Situation nicht so dramatisch wie es in den Medien manchmal den Anschein hat. Dort ist oft von 39 seit 1980 ausgestorbenen Bienenarten die Rede. Allerdings ist es in Wahrheit nur eine in diesem Zeitraum ausgestorben, nämlich Dasypoda suripes im Jahr 2001.

Dass hier eine offensichtlich falsche Information in den Medien landete ist allerdings nicht in erster Linie die Schuld der Medien, sondern vor allem des Bundesamtes für Naturschutz, das den Bundestag mit einem rhethorischen Kniff hinters Licht führte, den auch kleine Kinder gerne anwenden. Die Fraktion von Bündnis90/Die Grünen hatte die Regierung gefragt:

Wie viele heimische Wildbienen- und Schmetterlingsarten sind seit den 1980er Jahren ausgestorben?

Die Antwort lautete:

Es gibt rund 560 Wildbienen-Arten in Deutschland, die in den Roten Listen (2012) bewertet wurden, davon sind 39 Arten ausgestorben oder verschollen.

Das ist in etwa so wie wenn ein Vater sein Kind fragt, wie viele Stückchen Kuchen es schon gegessen hat und es antwortet, dass es sich nur ein Stück auf den Teller genommen hat (weil es zwei weitere direkt von der Kuchenplatte gegessen hat). Denn tatsächlich ist seit 1980 eben nur eine Art ausgestorben. Auf der Roten Liste stehen zwar 39 ausgestorbene Arten, aber davon sind 38 schon vor 1975 verschwunden, die meisten zwischen in den 1950er Jahren. Wobei es natürlich auch möglich ist, dass man da erst ihr verschwinden entdeckt hat. Wer zählt schon mitten im Krieg oder in der entbehrungsreichen Nachkriegszeit Wildbienen?

Überhaupt ist die Zahl der seit dem Jahr 2000 ausgestorbenen Insekten relativ gering, die rote Liste kommt auf fünf seitdem ausgestorbene Arten, davon eine fleischfressende Wasserpflanze und vier Insekten, darunter auch unsere Biene. Die letzte war der Laufkäfer Dyschirius neresheimeri Wagner im Jahr 2006. Natürlich ist es auch denkbar, dass die geringere Zahl von ausgestorbenen Insekten seit 2000 schlicht damit zu tun hat, dass viele empfindlichen Tiere da bereits verschwunden waren.

Was sagt der Trend?

Aber natürlich ist es wenig sinnvoll zu warten, bis eine Art verschwindet. Zum Glück führt die Rote Liste auch gefährdete Arten - und das sind deutlich mehr. Allerdings ist das Zählen der gefährdeten Arten nicht sinnvoll, so wie man die Zahlen für das Aussterben aus dem 19. Jahrhundert mit Vorsicht genießen muss. Der 2006 ausgestorbene Laufkäfer war beispielsweise erst 1915 entdeckt worden, sein Aussterben hätte also vorher gar niemand bemerkt. Und erst Recht wäre er nicht auf der Rorten Liste gelandet.

Aber bei den gefährdeten Arten ist es noch schwieriger. Der Wolf Canis lupus Linné steht beispielsweise als gefährdete Art auf die Rote Liste, weil er wieder nach Deutschland zurückkehrte. Vorher war er ausgestorben.

Allerdings schätzt die Rote Liste auch, wie sich die Arten weiter entwickeln werden. Bei etwa einem Sechstel wagt die Rote Liste auch kurzfristig keine Prognose. Rund die Hälfte der bedrohten Arten wird zumindest kurzfristig etwa gleich stark bleiben. Etwas weniger als fünf Prozent werden stark oder sehr stark weniger werden, genauso viele werden sich etwas erholen. Allerdings wird bei etwa einem Fünftel ein zumindest leichter Rückgang des Bestands erwartet, die Gefährdung wird sich nach Einschätzung des Bundesamtes für Naturschutz also verschärfen.

Die Insektenzahl

Es gibt also eine ganze Reihe von gefährdeten Insekten in Deutschland. Nun streiten die Experten, wie dramatisch ein Ausstrben wäre. Oft handelt es sich bei den Arten um Unterarten von Unterarten. Mit Tettigometra leucophaea ist 1972 nicht die Punktierte Ameisenziade ausgestorben und erst recht nicht die Familie der Ameisenzikaden, sondern nur eine Unterart. In diese Diskussion will ich mich aber gar nicht einmischen, das sollen die Biologen unter sich klären.

Beunruhigender finde ich die Nachricht, dass die Zahl der Insekten insgesamt angeblich stark sinkt. Mehr dazu in der nächsten Woche.


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