Originale Recherchen wie ein Journalist kann ein Blogger kaum leisten. Welchen Mehrwert können wir dann für unsere Leserinnen und Leser (bzw. im Idealfall für die Gesellschaft als Ganzes) erbringen?
Wir können
- a) Informationen wiederkäuen. Das klingt negativ; aber auch bloßes Wiederkäuen hat einen (kleinen) Wert: es macht einen Sachverhalt im Rauschen der Informationen hörbarer, hebt ihn also heraus aus den anderen. Etwas schwieriger (und deshalb im Ergebnis auch wertvoller) ist es,
- b) Informationen zu verknüpfen. Irgendwo habe ich mal eine Story über deutsche Geheimdienstler des 3. Reiches in US-Kriegsgefangenschaft gehört oder gelesen. Die hätten aus der Kombination von Zeitungsartikeln, die für sich genommen 'harmlos' waren, zutreffende Schlussfolgerungen auf ganz andere, 'brisante' Informationen gezogen, zu denen sie keinen direkten Zugang hatten.(Diese Fähigkeit soll dann die Amerikaner so beeindruckt haben, dass sie diese Geheimdienstler für sich - im Kalten Krieg gegen Russland - engagierten.)
- c) Weiterhin bewerten wir Blogger Informationen; insofern wirken wir - wie auch die Journalisten in ihrer Funktion als Kommentatoren - im Idealfall an der gesellschaftlichen Meinungsbildung mit.
Ich betätige mich hier als Wiederkäuer und ein klein wenig auch als Verknüpfer, indem ich aus zwei längeren FAZ-Artikeln jeweils eine Information herauspicke, die aus meiner Sicht nicht im Grundrauschen der Meldungen untergehen sollte:
1) In seinem FAZ-Langkommentar "ZB-Nachfolger. Um jeden Preis" vom 10.09.2011 teilt Holger Steltzner den Lesern u. a. mit: "Wie selbstverständlich verfügt die Politik über die angeblich unabhängige Notenbank. EZB-Präsident Trichet wurde aus einer Ratssitzung heraus von Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Staatspräsident Sarkozy nach Berlin beordert, damit die EZB italienische und spanische Staatsanleihen kauft, um die Zinslast zu drücken." Diese (mir bislang unbekannte) Nachricht ist interessant im Zusammenhang mit der 'Lindauer Rede' von Bundespräsident Christian Wulff. Der hatte ja bekanntlich (ebenso wie der frühere Bundesbankpräsident Axel Weber, der gegenwärtige Bundesbankpräsident Jens Weidemann oder der jetzt zurückgetretene Noch-Chefökonom der Europäischen Zentralbank, Jürgen Stark) die Anleihekäufe der EZB von hochverschuldeten Staaten der Eurozone am Sekundärmarkt scharf kritisiert. Wenn aber Angela Merkel diese Anleihekäufe von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet sogar gefordert hatte, dann substantiiert das in erheblichem Maße die in verschiedenen journalistischen Kommentaren geäußerte Auffassung, dass Wulff damit auch die Bundeskanzlerin kritisiert habe.
2) Dem Artikel "Griechenland senkt Wachstumsprognose. 'Jetzt übertreffen wir die minus fünf Prozent' ", ebenfalls vom 10.09.2011, entnehme ich eine Information, die auf mich zunächst geradezu sensationell wirkte (meine Hervorhebung):
"Das [nämlich dass - angeblich - keine neuen Hilfskredite fließen, bevor die griechischen Zahlen nicht stimmen] sei zwar eine schwierige Lage für Griechenland, sagte Schäuble, betonte aber zugleich. „Es ist nicht so, dass eine unmittelbare Zuspitzung bevorsteht.“ Athen habe sich erst vergangene Woche an den Märkten Mittel mit begrenzter Laufzeit besorgt."
Da fragt man sich doch: wer gibt den Griechen jetzt noch Geld? Eine Geschäftsbank, oder sonst ein privates Finanzinstitut, kann das doch nicht gewesen sein, zumindest nicht als eigentlicher Verleiher? Ich vermute, dass das Geld von griechischen Geschäftsbanken kam, die ihrerseits die "Kreditsicherheit" des griechischen Staates zur Refinanzierung an ihre Nationalbank, also letztlich an die EZB, weitergegeben haben.
Spannende Frage wäre da wegen der Letzthaftung nur noch, ob die EZB diese "Sicherheiten" als Pfand genommen, oder gar den Banken die Kredite abgekauft hat? Andere Möglichkeit wäre, dass das Geld nicht von der EZB kam, sondern von staatlichen - u. a. - deutschen Banken wie etwa der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Das wäre freilich ein Sachverhalt, der m. E. gegen die Haushaltshoheit des deutschen Parlaments verstoßen würde, weil es sich eben nicht um einen regulären Kredit handelt, sondern um eine äußerst gefährliche Gefälligkeitszahlung für einen Pleitestaat.
Jedenfalls: Wenn das Geld von der EZB gekommen sein sollte, war vielleicht das der letzte Tropfen, der das Fass für Jürgen Stark zum Überlaufen gebracht hat?
Nachtrag:
Weitere aktuelle Infos zu Griechenland, Griechenland-Rettung bzw. Griechenland-Pleite:
"Die fatale Reformunwilligkeit des Staatsapparats": ein langer Artikel von Florian Hassel in der WELT von heute und ganz besonders: die Meldung der Nachrichtenagentur Reuters von heute:
"Griechenland-Pleite kein Tabu mehr". Hat etwa der Herr nun doch sogar für die deutsche Bundesregierung Hirn vom Himmel regnen lassen?