Das Bangen war ein langes, nervenzehrendes. Bis zur letzten Sekunde zitterten die Aktivisten des ersten mitteldeutschen Street-View-Projektes dem Ende der von Bundesagrarministerin Ilse Aigner mit allen Anbieter von Lokalisierungsdiensten vereinbarten Einspruchsfirst entgegen. "Wir waren durch die Street View-Diskussion im Sommer völlig auf dem falschen Fuß erwischt worden", beschreibt Laura Jedebusch, die mit einem Team aus jungen Freiwilligen bereits seit Anfang Januar daran arbeitete, mit Halle-Street-View.com eine Lücke in der Online-Erfassung Deutschlands zu schließen, die der Internetriese Google durch seine rein kommerziell begründete Missachtung zu reißen angekündigt hatte.
"Nur weil hier kaum noch Menschen leben und diese Menschen dann auch nicht über soviele Smartphones und Computer verfügen, klinkt sich Google einfach aus der Einbeziehung alter Kulturstädte wie Halle in sein Street-View-Projekt aus", ärgerte sich Jedebusch, eine schmucke Brünette, der man die beinharte Geschäftsfrau im ersten Moment kaum ansieht. Doch als ehemalige Mitarbeiterin des Klingentondienstes Jamba, der Immobilienbörse Haus24.de und mehrerer kleinerer Projekt weiß die 27-Jährige sehr genau, was im Netz geht und was nicht geht.
"Mir war klar, dass immer der Erste gewinnt", sagt sie. Deshalb habe sie auch nicht lange gezögert und direkt nach der Absage von Google an eine baldige Erfassung der alten Salzstadt Halle für seinen Kartendienst selbst Fotowagen ausgeschickt. Dutzende Straßen, Gassen und Plätze wurden so in den letzten Monaten von HSV-Mitarbeitern minutiös erfasst. "Dann kam plötzlich diese Diskussion um Widerspruchsrechte", sagt Jedebusch, "da mussten wir natürlich noch einmal zittern, ob wir wirklich online gehen dürfen."
Doch siehe da, der Hallenser als solcher scheint wenig dagegen zu haben, dass seine Straße, sein Haus und seine Liebslangsstraßenbahnhaltestelle 1:1 im Internet abgebildet werden. Obwohl Halles Stadtverwaltung lange Zeit versucht hatte, die Menschen dazu zu bringen, Widerspruch gegen die Erfassung ihrer Häuser einzulegen, ging bei Halle-Street-View.com nicht ein einziger Beschwerdebrief ein.
Geärgert hat sich Laura Jedebusch dennoch. "Ich fand es völlig überzogen von der Stadtverwaltung, Häuser abzureißen, nur um unsere Street-View-Aufnahmen zu entwerten", sagt sie. Mehrere Touren hätten wiederholt werden müssen, weil stadtprägende Immobilien von Baggern niedergewalzt worden seien. "Noch haben wir längst nicht alles neuaufnehmen können, was uns dabei verloren gegangen ist", bittet die agile Geschäftsführerin um Verständnis bei Nutzer des neuen Service, der auswärtigen Besuchern künftig dazu dienen soll, sich über die Gegend zu informieren, Straßenbeläge zu vergleichen oder Routen vor der Anreise einmal "trocken" durchzufahren, wie es erfolgreiche Bobpiloten traditionell vor jedem Start tun.
Vor dem großen Konkurrenten Google jedenfalls hat die junge Multimediafirma aus der Saalestadt, die bislang sieben Mitarbeiter beschäftigt - darunter einen jungen Komponisten, der die einzigartigen Soundtracks für die Bilderfahrten erstellt - keine Angst. "Google muss erst einmal kommen", lächelt Laura Jedebusch, "und wir sind ja schon da".
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