Innovationen aus Niedersachen

Innovationen aus Niedersachen
Jürgen Großmann ist nicht nur (noch) RWE Chef, sondern besitzt auch seit langem ein eigenes Stahlwerk im Versorgungsbereich von RWE: Die Georgsmarienhütte. Großmann übernahm in den 90er Jahren die seit langem defizitäre Hütte und stellte sie von Koksfeuerung auf Elektrobetrieb um. Fortan verhüttete er keine Erze mehr sondern schmolz Stahlschrott, um daraus neuen Stahl zu machen. Er investierte dafür in den damals modernsten Gleichstromlichtbogenofen. Die Umstellung von Koks auf Strom brachte die erfolgreiche Wende für das Stahlwerk. Aus Schulden wurden Gewinne. Eine reife Unternehmerleistung.
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Ich bekam als Werkstudent damals die Aufgabe, die Netzrückwirkungen an Hochspannungsanschlüssen im RWE-Netz zu messen. Auch mit einer modernen Ausrüstung: Einem digitalen Messrekorder. Ich durfte damals in die 110kV-Umspannanlage, die das Stahlwerk versorgt, und das Messsystem einrichten und betreiben. Seitdem interessiert mich so nebenbei, wie sich die Hütte entwickelt. Eine Woche nahm ich damals Überspannungen, Spannungsabsenkungen und Oberschwingungen auf, um zu sehen, was dieser Lichtbogenofen im Versorgungsnetz so anrichtet, was andere Kunden, z.B. Elektronikunternehmen, stören könnte. Spannungsqualität als Wertschöpfungsfaktor im Zeitalter der Digitalisierung.
Nach einer Woche war die Messung beendet. Man war froh, dass ich die Sache ohne unangenehme Effekte wie Kurzschlüsse oder Irritationen der Leittechnik durchgezogen hatte ;-)
Starke Netzrückwirkungen auf Hochspannungsebene waren damals noch selten. Mit zunehmender Verbreitung von Elektronik muss man aber seitdem darauf achten, dass Computer und Roboterstraßen nicht reihenweise ausfallen und stillstehen, wenn das Stahlwerk in 100km Entfernung seinen Ofen zündet. Ein solch "zappeliger" Kunde löst Maßnahmen zur elektromagnetischen Verträglichkeit aus, und damit Kosten für alle anderen Stromkunden.
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Damals, im Zeitalter der Großkraftwerke, war die Spannung im Netz robuster als heute. Heute sind sicherlich eher mehr Maßnahmen zu treffen. Andererseits verzichtet ein direkt ans Hochspannungsnetz angeschlossener Kunde bei seinem Versorger auf teure Mittel- und Niederspannungstechnik. Das muss man ihm zugute rechnen.
Großmann verdankte seinen unternehmerischen Erfolg nicht nur seinem Mut zu Innovationen sondern auch seinem politischen Geschick. Als Inhaber eines Osnabrücker Stahlwerkes sprach er den damaligen Ministerpräsidenten Schröder, kraft seines Amtes auch Aufsichtsrat bei VW, an, ob man die Wertschöpfungskette Stahl-Automobilbau nicht heimisch gestalten sollte. Und der war davon sogleich begeistert. Wichtigster Kunde der GM-Werke ist heute VW. Und die Hütte ist einer der wichtigsten Kunden von RWE.
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Ca. zehn Jahre später kamen die Aufsichtsräte von RWE auf folgende Idee: Auf der ewigen Suche nach dem richtigen Chef, der aus dem "Wattikan" einen noch kundenorientierteren "Player" macht, fragte man sich plötzlich, warum man nicht den erfolgreichsten eigenen Kunden mal darauf ansprechen sollte. Einer der Innovationen und politisches Geschick für die Senkung politischer Stromgestehungskosten so erfolgreich verkörpere wie Großmann, sei genau der richtige für RWE. Strom muss der ja quasi in den Adern haben - wenn auch Gleichstrom - dazu bedarf es keiner Messung.
Großmann sagte ja und saß fortan an zwei aufeinander folgenden Stufen seiner Wertschöpfungskette: Strom und Lichtbogenofen.
Sogleich machte sich Großmann daran, Potenziale für Strompreissenkungen -zumindest für Großkunden wie ihn- umzusetzen. Dazu gehörte zuvorderst die Stornierung des Ausstiegs aus der Kernenergie. Er war fast am Ziel, da kam Fukushima dazwischen. Sein Pro-AKW-Kurs war den kommunalen und politischen Mehrheitsaktionären ab da suspekt. Sie ließen ihn fallen wie die Kanzlerin ihn fallen ließ.
Großmann wird bald in sein Stahlwerk zurückkehren und dort mit den Folgen der Energiewende kämpfen. Sollte sein Strompreis steigen, müsste er den Preis für seinen Stahl anheben. Mit Folgen wiederum für VW, das gerade seine Produktionsstandorte internationalisiert.
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Eine Sache hat er aber vor seinem Abschied noch geschickt bei Hildegard Müller, der früheren Staatsministerin im Kanzleramt Merkel und heutigen Energielobbyistin im Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, eingefädelt - oder sagen wir: zumindest wird er sich nicht dagegen gewehrt haben:
Die seit August geltende neue Stromnetzentgeltverordnung befreit Unternehmen mit einem hohen Verbrauch fast komplett von den Netzgebühren - und das rückwirkend für das laufende Jahr. So müssen zum Beispiel Unternehmen, die mindestens 7000 Stunden pro Jahr am Netz hängen und mehr als zehn Millionen Kilowattstunden Strom verbrauchen, gar keine Netzentgelte mehr zahlen.
Quelle: SZ vom 12.12.2011 (Link)
Hier zeigt sich zweierlei:
1. Die Regierung hat einen Weg gefunden, die Kosten für die Energiewende komplett bei den kleinen und mittleren Stromkunden abzuladen. Denn die werden die Gebührenbefreiungen der Großverbraucher übernehmen. (Unterm Strich wird die Energiewende damit zu einer Defacto Entlastung für Großkunden, denn die prophezeiten Strompreiserhöhungen wegen Strommangel in Deutschland gibt es bis heute nicht, weil Deutschland nach wie vor Strom exportiert.)
2. In Niedersachsen wird effektive Industriepolitik betrieben. Und zwar mit ganz klassischen Branchen: Stahl und Autos.
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Äh und 3.: Während smarte Managementboys und -berater jahrelang Arbeitsteilung und Konzentration aufs Kerngeschäft predigen, zeigen die alten Hasen und echten Unternehmen, das genau das Gegenteil den Erfolg bringt: Die Beherrschung der Wertschöpfungskette: Politik - Strom - Stahl
PS: Die Anzeigenmotive stammen von der gleichnamigen Agentur. Sie hängen auch am Zaun der Landesvertretung Niedersachsens in den Ministergärten im Berliner Regierungsviertel.

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