Zuletzt hatten wir ein so zur Schau gestelltes Wohlverhalten gegen die Machthaber im Landesinneren bei gleichzeitiger Begeisterung für etwaige Rebellionen außerhalb des Landes in der Epoche des Biedermeier. Wie ja so viel heute an jene Epoche biederer Hausmusik und reichlich bestickter Zierkissen erinnert.
Es ist schon erstaunlich, wie sich die Zeiten gleichen. Im Vormärz fand sich der Spießbürger mit der Unterdrückung durch die Karlsbader Beschlüsse und den Wiener Kongress ab. Ihm gefiel es vielleicht nicht, dass die Aristokraten bessergestellt waren und sich jede Kritik verbaten, aber er hatte gelernt, wo sein Platz in dieser restaurativen Ordnung zu sein hatte. Mit den Irren, die die soziale Frage thematisierten und gegen die Stützen der Macht polemisierten oder gar rebellierten, wollte er nichts zu tun haben. Sie waren ihm suspekt und rochen nach Terroristen, die man damals »Anarchisten« zu nennen begann. Es brachte manche Unannehmlichkeit mit sich, wenn man sich politisch äußerte. Also tat man es nicht und verkroch sich auf sein Sofa, goss sich Tee ein, aß zwei Kekse und bändigte all die Triebe, die in dieses Zeitalter nicht so recht passen wollten.
Aber dann kamen die Jahre zwischen 1821 und 1829 und man begeisterte sich für den Aufstand der Griechen gegen die Osmanen. Nein, damals gab es noch keine Kanzlerin, die davon sprach, dass die Griechen dieselben Werte vertreten würden, wie es dieser Flickenteppich genannt Deutsches Reich tat - und dass man deswegen Solidarität üben müsse. Aber Christen waren sie ja doch irgendwie, die Griechen. Daher irgendwie doch werteverbunden. Die Osmanen waren ja nur Moslems. So war es mit der Solidarität natürlich gut bestellt. Man schalt den Sultan einen schrecklichen Despoten und vergaß darüber die eigenen Duodez-Zuchtmeister.
Als sich dann in den Jahren 1830 bis 1832 auch noch die Polen aus dem Zugriff des Zaren winden wollten, gab es abermals Begeisterung und eine Zurschaustellung von Solidarität. Der Tyrann aus Sankt Petersburg war in aller Munde. Die eigenen Tyrannen jedoch mal wieder aus dem Sinn. Jan-Christoph Hauschild schreibt in seiner kleinen Büchner-Monographie über jene Jahre, dass sie »kleine und nicht sehr verwegene Ausnahmen im sonst demonstrierten Wohlverhalten« bildeten. Nicht sehr verwegen, weil außer einigen markigen Sprüchen nichts geschah. Damit lief man jedenfalls nie Gefahr, mit den eigenen Herren anzuecken.
Ach, die Sofas sind so viel frugaler geworden. Keine Stickereien mehr. Dafür dürften sie bequemer, etwas weicher sein. Zwischen Kissen pflanzt man sich heute in seine gepolsterte Wohnlandschaft und schaut in die Türkei, schimpft über den Sultan, der heute »Ministerpräsident« heißt, der despotisch in die Menge knüppeln lässt und vergisst darüber, dass unsere Duodezfürsten, die heute »Ministerpräsidenten« heißen, es manchmal ganz genau so erledigen lassen. Oder wir sind erbost über den Zaren, der heute den modernen Titel »Präsident« trägt. Je nach Lage, je nach dem, was die Verhältnisse im Ausland gerade so hergeben. Nur die Fehler derer, die über uns herrschen, sehen wir dabei kaum noch.
Immer dasselbe Spiel: Nach Innen demonstrieren wir Wohlverhalten, finden wir Ausflüchte, uns nicht zu wehren, heißt es, da könne man eh nichts machen - aber nach Außen mimen wir den Dicken, sind wir hochgradig politisiert und gleich mit Boykottandrohungen zur Hand. Und wer weiß, wieviele unzufriedene Biedermeier-Biedermänner damals aufschnauften, weil sie es mit dem Deutschen Reich und seinen Fürsten doch ganz gut getroffen hatten. Der Sultan und der Zar waren ja viel schlimmer.
Wir erleben in so vielen Ereignissen und Handlungen eine Neuauflage des Biedermeier. Jener Epoche, die aus Rückzugsgefechten ins Private bestand, die das soziale Leben auf Flanieren und Zurschaustellung oppulent herausgeputzter und mit Schleifen ausgestatteter Kostümen reduzierte, das Politische davon aber gänzlich ausschloss. Solche Klamotten tragen wir derzeit nicht. Wir haben es gerne bequem. Aber ein hübsches Logo sollte diese Bescheidenheit auf der Haut dann schon haben. Der Putz toller Accessoires wie Mobilgeräte oder Handtaschen haben das Schleifchen dort, den Knopf da und die ausladende Reifrockausstattung ersetzt.
Jedes Biedermeier braucht so ein Surrogat im Ausland. Das blockiert Prozesse im Inneren, lenkt ab und macht es auf dem Sofa erst so richtig gemütlich. Und man sagt ja auch, dass das Wort »Gemütlichkeit« aus jener Epoche stammt. Vorher meinte es das »Gemüt betreffend« - im Biedermeier war es plötzlich Synonym für »Behaglichkeit« und sollte wohl ausdrücken, dass das Gemüt nur im Behaglichen wirklich richtig aufgehoben ist. Aus der aktuellen Gemütlichkeit heraus lässt sich trefflich auf Regierungen schimpfen, die weit weg sind - die eigene Regierung vor der Haustüre, über die murrt man zwar, mehr aber auch nicht. Wenn die Menschen andernorts auf die Straße gehen, dann bewundert man das. Hier nennt man solche Leute jedoch »Spinner«.
Was liest man nicht alles, welche Epoche sich gerade doppelt. Die einen finden, der Manchester-Liberalismus sei quasi wieder da. Andere finden, dass wir in einer Epoche wie in Weimar leben. Oder gleich wie im Faschismus. Oder dass sich die Ära des Flottenbauprogramms wiederholt. Aber das sind alles nur Versatzstücke. Wir leben viel mehr in einer neuen Zeit, in der allerlei Erscheinungen früherer Zeiten wiedererscheinen und ein ganz neues Klima erzeugen. Es ist, als lebten wir in einer komprimierten deutschen Geschichte, in denen das Biedermeier über Weimarer Verhältnisse und faschistoide Entwicklungen schweigt und sich mit Tirpitz und Freihandel tröstet. Hauptsache gemütlich und die Sonne leuchtet den März weiterhin so hell aus. Dann kann man seinen Arsch von der Couch schieben, rüber zum Grill und von dort aus die Behaglichkeit zelebrieren.
Es ist schon erstaunlich, wie sich die Zeiten gleichen. Im Vormärz fand sich der Spießbürger mit der Unterdrückung durch die Karlsbader Beschlüsse und den Wiener Kongress ab. Ihm gefiel es vielleicht nicht, dass die Aristokraten bessergestellt waren und sich jede Kritik verbaten, aber er hatte gelernt, wo sein Platz in dieser restaurativen Ordnung zu sein hatte. Mit den Irren, die die soziale Frage thematisierten und gegen die Stützen der Macht polemisierten oder gar rebellierten, wollte er nichts zu tun haben. Sie waren ihm suspekt und rochen nach Terroristen, die man damals »Anarchisten« zu nennen begann. Es brachte manche Unannehmlichkeit mit sich, wenn man sich politisch äußerte. Also tat man es nicht und verkroch sich auf sein Sofa, goss sich Tee ein, aß zwei Kekse und bändigte all die Triebe, die in dieses Zeitalter nicht so recht passen wollten.
Aber dann kamen die Jahre zwischen 1821 und 1829 und man begeisterte sich für den Aufstand der Griechen gegen die Osmanen. Nein, damals gab es noch keine Kanzlerin, die davon sprach, dass die Griechen dieselben Werte vertreten würden, wie es dieser Flickenteppich genannt Deutsches Reich tat - und dass man deswegen Solidarität üben müsse. Aber Christen waren sie ja doch irgendwie, die Griechen. Daher irgendwie doch werteverbunden. Die Osmanen waren ja nur Moslems. So war es mit der Solidarität natürlich gut bestellt. Man schalt den Sultan einen schrecklichen Despoten und vergaß darüber die eigenen Duodez-Zuchtmeister.
Als sich dann in den Jahren 1830 bis 1832 auch noch die Polen aus dem Zugriff des Zaren winden wollten, gab es abermals Begeisterung und eine Zurschaustellung von Solidarität. Der Tyrann aus Sankt Petersburg war in aller Munde. Die eigenen Tyrannen jedoch mal wieder aus dem Sinn. Jan-Christoph Hauschild schreibt in seiner kleinen Büchner-Monographie über jene Jahre, dass sie »kleine und nicht sehr verwegene Ausnahmen im sonst demonstrierten Wohlverhalten« bildeten. Nicht sehr verwegen, weil außer einigen markigen Sprüchen nichts geschah. Damit lief man jedenfalls nie Gefahr, mit den eigenen Herren anzuecken.
Ach, die Sofas sind so viel frugaler geworden. Keine Stickereien mehr. Dafür dürften sie bequemer, etwas weicher sein. Zwischen Kissen pflanzt man sich heute in seine gepolsterte Wohnlandschaft und schaut in die Türkei, schimpft über den Sultan, der heute »Ministerpräsident« heißt, der despotisch in die Menge knüppeln lässt und vergisst darüber, dass unsere Duodezfürsten, die heute »Ministerpräsidenten« heißen, es manchmal ganz genau so erledigen lassen. Oder wir sind erbost über den Zaren, der heute den modernen Titel »Präsident« trägt. Je nach Lage, je nach dem, was die Verhältnisse im Ausland gerade so hergeben. Nur die Fehler derer, die über uns herrschen, sehen wir dabei kaum noch.
Immer dasselbe Spiel: Nach Innen demonstrieren wir Wohlverhalten, finden wir Ausflüchte, uns nicht zu wehren, heißt es, da könne man eh nichts machen - aber nach Außen mimen wir den Dicken, sind wir hochgradig politisiert und gleich mit Boykottandrohungen zur Hand. Und wer weiß, wieviele unzufriedene Biedermeier-Biedermänner damals aufschnauften, weil sie es mit dem Deutschen Reich und seinen Fürsten doch ganz gut getroffen hatten. Der Sultan und der Zar waren ja viel schlimmer.
Wir erleben in so vielen Ereignissen und Handlungen eine Neuauflage des Biedermeier. Jener Epoche, die aus Rückzugsgefechten ins Private bestand, die das soziale Leben auf Flanieren und Zurschaustellung oppulent herausgeputzter und mit Schleifen ausgestatteter Kostümen reduzierte, das Politische davon aber gänzlich ausschloss. Solche Klamotten tragen wir derzeit nicht. Wir haben es gerne bequem. Aber ein hübsches Logo sollte diese Bescheidenheit auf der Haut dann schon haben. Der Putz toller Accessoires wie Mobilgeräte oder Handtaschen haben das Schleifchen dort, den Knopf da und die ausladende Reifrockausstattung ersetzt.
Jedes Biedermeier braucht so ein Surrogat im Ausland. Das blockiert Prozesse im Inneren, lenkt ab und macht es auf dem Sofa erst so richtig gemütlich. Und man sagt ja auch, dass das Wort »Gemütlichkeit« aus jener Epoche stammt. Vorher meinte es das »Gemüt betreffend« - im Biedermeier war es plötzlich Synonym für »Behaglichkeit« und sollte wohl ausdrücken, dass das Gemüt nur im Behaglichen wirklich richtig aufgehoben ist. Aus der aktuellen Gemütlichkeit heraus lässt sich trefflich auf Regierungen schimpfen, die weit weg sind - die eigene Regierung vor der Haustüre, über die murrt man zwar, mehr aber auch nicht. Wenn die Menschen andernorts auf die Straße gehen, dann bewundert man das. Hier nennt man solche Leute jedoch »Spinner«.
Was liest man nicht alles, welche Epoche sich gerade doppelt. Die einen finden, der Manchester-Liberalismus sei quasi wieder da. Andere finden, dass wir in einer Epoche wie in Weimar leben. Oder gleich wie im Faschismus. Oder dass sich die Ära des Flottenbauprogramms wiederholt. Aber das sind alles nur Versatzstücke. Wir leben viel mehr in einer neuen Zeit, in der allerlei Erscheinungen früherer Zeiten wiedererscheinen und ein ganz neues Klima erzeugen. Es ist, als lebten wir in einer komprimierten deutschen Geschichte, in denen das Biedermeier über Weimarer Verhältnisse und faschistoide Entwicklungen schweigt und sich mit Tirpitz und Freihandel tröstet. Hauptsache gemütlich und die Sonne leuchtet den März weiterhin so hell aus. Dann kann man seinen Arsch von der Couch schieben, rüber zum Grill und von dort aus die Behaglichkeit zelebrieren.