Die Inflation, die Kommunikation und das Vertrauen – Foto: © Uwe Schlick / pixelio.de
Inflationäre Tendenzen weisen immer auf ein verborgenes Defizit hin. Beim Geld, d.h. der Kaufkraft, bewirkt die Inflation ein Hochschnellen des Preises, was für den Käufer bedeutet, dass er für die gleiche Geldmenge weniger bekommt. Das heißt, entweder ist das Angebot verknappt oder das Geld als solches verliert an Wert, weil die ihm als Sicherheit hinterlegten Güter wiederum an Solvenz verlieren. Nicht anders verhält es sich mit der Inflation z.B. von Begriffen, die eine bestimmte Provenienz aufweisen, nehmen wir einmal so etwas wie Anglizismen.
Der Anstieg der Anglizismen hatte zum einen etwas mit der Aufwertung des Englischen auf dem Weltmarkt zu tun, welches hervorging a) aus der Macht des Britischen Empire und nach dessen Niedergang durch die Hegemonie der USA. Die Inflation von Anglizismen hatte etwas zu tun mit Macht und der damit einhergehenden Vorstellung, dass die eigenen Sprachen Potenz verloren hatten. Der Tauschwert des Englischen war beträchtlich gestiegen, der anderer Sprachen relativ gesunken.
Beim Begriff der Kommunikation befinden wir uns in vielen Ländern gerade in einer analogen inflationären Situation. Durch die technische Revolution in Form der Digitalisierung und die damit einhergehende Expansion auf alle Lebensbereiche hat die Kommunikation die Hegemonie gewonnen. Das Absurde an diesem Prozess ist, dass genau die Prozesse, z.B. der der materiellen Wertschöpfung, wesentlich dingfester zu machen sind als die semantische Qualität von Kommunikation. Und dennoch steht die Kommunikation gegenüber anderen Prozessen dominant im Raum. Ohne sie geht gar nichts und der Bedarf ist genauso inflationär wie ihr Gewicht. Wer schlecht kommuniziert, so heißt es, der hat schon so gut wie verloren, egal, was er oder sie sonst auch anstellt. Man könnte den Eindruck gewinnen, als genösse das Immaterielle der Kommunikation einen höheren Stellenwert als alles Messbare.
Wertgewinn auf Seiten des Begehrten und Wertminderung bei den Maßen der zu tätigenden Aufwendungen bildet jedoch nicht nur einen rechnerischen Prozess ab. Vielmehr drückt die Inflation auch etwas aus, das in Emotion und Psyche zu finden ist. Und das Interessante dabei ist, dass die psychische Implikation wichtiger sein zu scheint als die rechnerische. Das ist beim Geld so, das ist bei einer Sprache so und das ist erst recht bei der Kommunikation so. Die Faustregel, auf die man sich in allen Bereichen verlassen kann, ist schlicht: Wenn das Vertrauen in etwas sinkt, dann wird die Forderung nach der tatsächlichen Wirkung dessen, dem man nicht mehr vertraut, umso lauter. Ein Vertrauensverlust hinsichtlich der Zahlkraft des Geldes führt ebenso zur Inflation wie der Vertrauensverlust in die Zuverlässigkeit von Informationen zu der Forderung nach mehr Kommunikation passt.
Doch Schein und Sein pflegen gerne eine tückische Liaison einzugehen, denn immer mehr Zeitgenossen glauben, der Stellenwert der Kommunikation speise sich aus dem Bedürfnis der Menschen über alles immer lückenlos informiert werden zu wollen. Das ist der Schein, denn wer ziemlich lückenlos zu etwas informiert wird merkt sehr schnell, dass so etwas zu einer Bürde werden kann, die alles andere als mehr Klarheit verschafft. Die Inflation des Stellenwertes von Kommunikation ist der psychosoziale Hilferuf auf eine allgemeine Erosion des Vertrauens. Nie war es in einem derart schlechten Zustand. Und nie wurde mehr darüber kommuniziert, ohne dass die Ursache der Klage benannt worden wäre.
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Quellen – weiterführende Links
Foto: © Uwe Schlick, www. pixelio.de
Kommunikation: “Die Politiker sprechen, um nichts zu sagen”, “Wahrhaftigkeit in den Sätzen, das wollen wir” – Georg Schramm
Video: “Politiker im öffentlichen Fernsehen”, gefunden auf youtube.de, uploader: Demo Kratie