Indisch scharf? Sind sie SICHER?

Von Probefahrer @probefahrer
16. April 2014

Und ich so: “Klar bin ich sicher. Mach mal indisch scharf.” Alle am Tisch schauen mich an, als hätte ich gerade den Chefkoch beleidigt. Einer sagt etwas kleinlaut: “Ich nehm auch das Chicken Masala, aber bitte europäisch scharf.”

Ab diesem Moment leide ich Höllenqualen. Wird es wirklich so schlimm werden? Ich muss ja noch in den Zug. Das letzte Mal, als ich indisch “indisch scharf” gegessen habe, hatte das Essen in meinem Darm eine Inkubationszeit von etwa 2 Stunden, dann brauchte ich ganz schnell ein Klo. Ich rechne kurz nach: Mist, das wäre GENAU der Zeitraum den ich im Zug verbringe. Ich versuche mich in die Unterhaltung am Tisch einzubringen, um mich von meinem großmäuligen Fehler abzulenken, bis das Essen kommt.

Trotzdem bekomme ich in den nächsten 15 Minuten das besorgte Gesicht der Bedienung nicht aus dem Kopf, die extra nochmal nachfragte: “Wirklich INDISCH scharf?”

Aber hey: Dangerseeker,YOLO und so ;)

Das erwähnte letzte Mal indisch ist schon 2 Jahre her. Damals auf der Hochzeit einer Sandkasten-Freundin meiner Süßen. Sie von Sri-Lanka, ihr Mann vom Festland. Thoothukudi glaube ich.

Die Familie des Bräutigams jedenfalls kam aus einer Ecke, Indiens, die genauso wenig scharf isst, wie man es zwischen Bielefeld und Wanne-Eickel tut.

Die Region der seine Zukünftige entstammt ist wohl Gewürztechnisch eher die heißere Ecke Indiens. Was dazu führte, dass beim Verlobungsfest, seine Familie fast nichts essen konnte, weil es ZU scharf war ;)

Also gab es bei der Hochzeitsfeier gemäßigte Schärfe auf die Teller. Für die Süße und mich eher so “können wir mal den Gewürzpott haben, wir haben wohl den Kinderteller erwischt” Dennoch kamen die Eltern ihrer Freundin mehrmals an unseren Tisch um zu fragen, ob alles OK und das Essen nicht zu scharf sei.

Naja, nichts desto trotz hatte eines der leckersten Essen seit langem, nach nur 2 Stunden… Ich nenne es mal: “durchschlagenden” Erfolg. Das war mir im Gedächtnis geblieben. Allerdings fällt es mir erst jetzt wieder ein, wo ich im Zug sitze. Nicht bei meiner Bestellung.

Der Vorhang zum Separée des indischen Restaurants in einem hippen Viertel von Hamburg wird zur Seite gezogen und die Bedienung kommt rein. verteilt diverse 31, 33 und 38 und reicht dann meinem Gegenüber sein Chicken Marsala mit europäischer Schärfe und mir mit einem Blick zwischen Anerkennung, Besorgnis und Mitleid und die “indische Portion”.

Und ich fange an zu essen.

Zuerstmal nur ein Fleischstücken ohne viel Sauce. WOW lecker. OK, jetzt ein bisschen Reis mit Sauce. Yummy!.

OK, es brennt ein bisschen. Aber angenehm eigentlich. Ich warte noch ein paar Sekunden, ob noch ein Nachbrenner kommt und fange dann an, reinzuschaufeln. Das Masala schmeckt großartigstens, ich nehme nochmal Reis nach und löffle mir noch mal Sauce nach.

Mein Gegenüber schaut interessiert auf meinen Topf aus dem ich die dickflüsige Sauce auf den Reis schaufle.

“Willste mal probieren?” frag ich. Mein mutiges Gemampfe scheint ausreichend Sicherheit und Gesundheit auszustrahlen, denn er sagt “Oh ja gerne, wenn ich darf!”

“Hau rein” sag ich und er nimmt sich einen Löffel meiner Sauce, lässt ihn in seine Restsauce tropfen und vermischt beides. Nimmt einen Löffel Reis damit und schaut mich für einen kurzen Moment an, als hätte ihm ein achtarmiger Gott unter dem Tisch mit allen Händen gleichzeitig an den Sack gepackt.

“Chooooh ich aba chon ganch chön charf!”

Ich frage mich, ob ich bei mir den Schweißaustritt schon nicht mehr spüre, aber tatsächlich ist meine Stirn trocken.

Ich schaufle grinsend den Rest meines Masalas in mich rein und beglückwünsche meine trotzdem sehr feinen Geschmacksnerven zu ihrem mittlerweile gut ausgebildeten Abhärtegrad :-D

* Artikelbild (cc) Flickr: Chicken Tikka Masala. Photo by Hillary Trelease Blog