Also, eigentlich wollte ich noch irgend so ein hübsches Abschiedstextli für die USA und Kanada schreiben, die Zeit (oder Motivation?) dazu scheint sich aber nicht so richtig finden zu lassen. Vergessen wir das also. Der Flug von Vancouver über Frankfurt nach Madrid verlief ereignis- und problemlos und all mein Gepäck kam mit mir pünktlich in Madrid an. Alicia, unsere WS Host, holte mich am Flughafen ab. Die ersten zwei Tage regnete es fast non-stop, was ziemlich ironisch war. Da verlässt man ein herbstliches, aber sonniges Kanada um im grau-nassen Spanien anzukommen. Bald schien aber auch da die Sonne und bis jetzt hat sich das nicht mehr geändert. Alicia und Alvaro, Bekannte des Biciclowns Alvaro, sind super sympatische Leute, die selber schon einiges um den Globus getourt sind und jede Menge interessante Stories zu erzählen haben. Wir trafen auch Juanjo, einen Freund der beiden, der demnächst nach Südamerika aufbrechen wird und unterwegs Leute interviewen möchte. Und der uns als Versuchskaninchen für ein Interview aufbot. Natürlich wollten auch die Velos zusammengebaut werden und wir mussten Strassenkarten besorgen. Hier wird das nicht mehr so leicht sein, man kann nicht mehr einfach die einzige Strasse von A nach B nehmen und that’s it. Autobahnen sind uns verboten, die nächst kleineren Strassen zwar erlaubt aber immer noch mit unangenehm viel Verkehr. Und um die schmalsten Strässlis zu finden, braucht man regionale Karten. D.h. wir haben nun für Spanien, Frankreich und die Schweiz etwa so viele Strassenkarten wie wir für ganz Südamerika je hatten.
Treppenhaus eines traditionellen Wohnhauses in Madrid.
Plaza Mayor bei Regen.
Wir warteten auch fleissig auf Post aus der Schweiz. Die Originalstangen meines Zeltes waren unterwegs und Martina hatte Exped doch tatsächlich dazu gebracht, ihr eine Ersatzmatte nach Spanien zu schicken (REI kann aus irgendeinem Grund Exped-Produkte nicht ins Ausland schicken). Unglaublich aber wahr. Blöderweise hatte der Exped-Mensch, mit dem sie in Kontakt war, ihr letztes E-Mail nicht gesehen und darum ist die Matte erst raus, als Martina nachgefragt hatte. Und in Spanien ist die Post nicht so fix wie man das in der Schweiz vielleicht gerne glauben oder hoffen würde. Wie mein Priority-Paket war auch Martinas Express-Ding länger unterwegs als erwartet. Inzwischen setzten wir uns mit unseren Karten an den Tisch und suchten uns mit Alicia und Alvaros Hilfe eine hübsche Route durch Spanien aus. Erst runter in den Süden mit einem kleinen Abstecher nach Portugal, dann via Sevilla und Granada in den Osten und wieder rauf in den Norden ungefähr in Richtung Barcelona. Alicias Anfrage bei Google Maps ergab dann, dass diese Strecke bis in die Schweiz rund 4‘000 km ergeben würde. Und da wir Ende November/Anfang Dezember daheim sei wollten, war bald klar, dass das nicht klappen würde. Nicht in so hügeligem Terrain wie Spanien. Hmm, blöd. Da sind wir zwar angeblich seit bald drei Jahren unterwegs aber immer noch nicht in der Lage, eine realistische Route zu planen. Eigentlich tragisch. Tatsache ist aber auch, dass es bis jetzt noch selten so im Detail draufangekommen war, wann wir wo angekommen sind. So plus/minus hatte immer gereicht.Glashaus im Parque El Retiro.
Weiher im El Retiro.
Ayuntamiento de Madrid.
Alicia, Âlvaro, Juanjo und Churros con Chocolate.
Konsequenterweise haben wir den Süden Spaniens und Portugal gestrichten. Wir werden nun voraussichtlich irgendwie via Burgos und Barcelona nach Frankreich kurven und dann ab Montpellier fadengerade nordwärts pedalen und irgendwann rechts in die Schweiz abbiegen. Hoffentlich ist das nicht da, wo der Mistral herkommt. Um doch noch etwas hübsches zu sehen, haben wir uns entschlossen, per Bus nach Sevilla und Granada zu gehen. Da wurde es aber auch schon kompliziert. Der TGV war sackteuer und das System des Busunternehmens wollte keine ausländischen Kreditkarten akzeptieren. Diejenige von Alvaro hat dann funktioniert. Martinas Paket war noch immer nicht da, insofern war jetzt immerhin dieses Ungedulds-Problem gelöst. Aber Exped, die sich bei ihr schon fast etwas rehabilitiert hatten, sind natürlich wieder die Deppen. Mein Beschwerde-Mail hatten die ja schlicht ignoriert, weshalb ich die Bude nicht wirklich in Schutz nehmen kann.Nach einer Woche in Madrid rumhängen, sind wir also eines schönen Morgens in den Socibus gestiegen und sechs Stunden darin geblieben. Ok, eine Pause gab’s zwischendrin, abgesehen davon haben wir uns nicht viel bewegt. Wir hatten es sogar geschafft, vom Donnerstag auf den Freitag einen Warmshower-Platz zu organisieren, bei Pablo, einem Marionetten-Spieler, der im Januar nach Brasilien fliegt und plant, mit seinem Puppenwagen durch ganz Südamerika zu zotteln. Ein sehr interessanter Typ. Auch die Stadt war hübsch, v.a. aber heiss. Um keine weiteren Komplikationen zu riskieren, kauften wir die Bustickets von Sevilla nach Granada gleich nach unserer Ankunft. Der Versuch, Tickets für die Alhambra, einen Araber-Palast in Granada, online zu buchen, endete einigermassen in einem Fiasko. Die Bezahlung mit Kreditkarte scheiterte zweimal, d.h. endete mit weissem Bildschirm im Nichts. Mittelmässig genervt machten wir die Reservation eben mit einer anderen Agentur, wo das dann auch klappte. Dann gingen wir raus und spazierten durch die Strassen, cancellten den geplanten Besuch des Alcazars, der Burg, wegen der langen Warteschlange davor. Stattdessen wanderten wir weiter zur Plaza España, die von einem halbkreisförmigen, hübschen Gebäude umringt war.
Catedral de Sevilla.
Schmale Gässchen, die an Cartagena erinnern.
Moderne Plaza Mayor.
Siesta.
In ein privates Haus reingeguckt.
Als wir am späteren Nachmittag zurück kamen, entdeckte ich die Buchungsbestätigung jener Reiseagentur, bei der die Bezahlung nicht geklappt hatte. Schrieb denen also ein Mail, schilderte die Situation und cancellte die Tour. Schön. Die Antwort darauf kam bald mit dem Hinweis, dass man bei Cancellations trotzdem den gesamten Preis bezahlen muss. Das konnte ich so natürlich nicht auf mir sitzen lassen, da wir ja ohne Bezahlung nie wirklich eine Buchung gemacht hatten. Was sich die andere Seite zu verstehen weigerte. Aber gut, wir nahmen am Morgen darauf den Bus nach Granada und dachten erst mal nicht mehr daran. Pablo, muchas gracias por tu hospitalidad y suerte en tu viaje por Sudamerica!Veloweg-Markierung im Zentrum von Sevilla.
Plaza de España.
Die Kathedrale bei Nacht.
In Granada hatten wir ein Hostal gebucht und fanden das auch ohne Probleme. Im Gegensatz zu Sevilla, das praktisch auf Meereshöhe liegt, liegt Granada auf 738 müM und es ist damit etwas weniger heiss und nachts wird es richtig kühl. Im Winter kann man in der nahen Sierra Nevada Ski fahren. Im Hostal fand ich heraus, dass meine liebe Reiseagentur immer noch nicht verstand, dass ihr System versagt hatte, uns wurde aber eine halbe Rückerstattung des Preises und der Besuch einer Flamenco-Vorstellung angeboten. Was wir so schliesslich annahmen. Das Fazit jedoch: Narazi Viajes kann nicht empfohlen werden! Ok, was soll's. Durch Granadas Strassen zu wandern, war interessant. Der Kontrast zwischen spanischen und Ami- oder kanadischen Städte ist krass. Schon in Madrid hatten wir uns halbwegs nach Lateinamerika versetzt gefühlt und hier war das fast noch extremer. Die Städte leben einfach intensiver, es gibt mehr zu sehen, alles ist quirrliger.
Zum Beispiel gibt's Tee...
... oder auch Messer.
Am Morgen darauf wurden wir sowie hunderte oder tausende anderer Touris für eine geführte Tour der Alhambra abgeholt. Die Alhambra ist DIE Touristenattraktion in Granada und vermutlich einer der touristischsten Orte in ganz Spanien mit 8‘000 Besuchern täglich. Das war ja zu erwarten gewesen, besonders genossen haben wir die Menschenmassen trotzdem nicht. Unsere Gruppe war 30 Köpfe stark, die Führerin sprach in eine Mikrofon und wir alle hatten einen Stecker im Ohr und hörten so mehr oder weniger gut, was sie sagte. In den oft engen und verwinkelten Gängen riss die Verbindung oft ab oder war so schlecht, dass man nichts mehr verstand. Andererseits, selbst wenn man alles versteht, was kann man sich merken, wenn man drei Stunden lang jemandem zuhört und gleichzeitig etwas anschaut und Fotos macht? Insgesamt: die Alhambra ist riesig, beeindruckend und wunderschön, beinhaltet wohl mehr Geschichte als die USA und Kanada zusammen und ist damit ziemlich überwältigend.Zu Beginn war ich allerdings nicht allzusehr beeindruckt. Festungsmauern sind ja schliesslich nichts Neues. Wirklich interessant wurde es als wir weiter ins Innere vorstiessen und die Decken- und Wanddekorationen aus der Nähe sahen. Das ist schon sehr speziell und auch die arabischen Schriftzüge sehen, auch wenn man sie nicht lesen kann, genial aus. Der Löwenhof mit dem Löwenbrunnen ist dabei wohl der einzige Ort im ganzen Palast, dessen Namen ich mir merken konnte, alles andere verschwamm zu einer undefinierbaren Masse an aufwändig verzierten Räumen mit dunklen oder hellen Kuppeln, dann und wann sogar mit einem Brunnen im Innern.
Wie es sich für so ein Schloss gehört, hat die Alhambra natürlich auch grosse Park- und Gartenanlagen, auch hier mit Bächen, Springbrunnen und Fischteichen. Früher wurde auch jede Menge Gemüse und Früchte kultiviert, alles, was für die Bewohner gebraucht wurde. Anscheinend hatten die Araber üblicherweise keine Aquädukte gebaut, hier aber schon, einfach, da es keine andere Lösung für die Wasserversorgung gab.
Total kaputt vom Alhambra-Besuch machten wir Siesta und hingen den Rest des Nachmittags herum. Am Abend stand dann noch jene eigentlich ungeplante Flamenco-Show auf dem Programm. Das begann schon etwas unorganisiert beim Transport. Gemäss den Angaben der Agentur sollten wir um 21.10 Uhr abgeholt werden, wie sich dann herausstellte, war der Bus um 21.00 Uhr dort durchgefahren. Netterweise hatte eine Chica noch einen Moment gewartet und konnte uns nun auflesen. Der Bus war aber natürlich weg, also rief sie uns ein Taxi. Und sie wollte unseren Voucher-Fötzel. Beim Veranstaltungs-Ort angekommen mussten wir dann erklären, a. warum wir nicht mit dem Bus gekommen waren und b. warum wir kein Papier vorweisen konnten. Schlussendlich wurden wir aber eingelassen, auch wenn unsere Plätze nicht gerade die besten waren. Die Flamenco-Show selber war nicht allzu schlecht, d.h. bis auf eine, die nicht nur tanzte, sondern auch noch sang, was m.M. nach aber recht übel klang.
Flamenco-Tänzerin.
Der etwa einstündigen Show folgte ein kurzer geführter Albayzin-Rundgang. Albayzin ist der Name des muslimischen Quartier Granadas, wo sich auch ein Mirador mit genialer Aussicht auf die Alhambra befindet.
Cheramik-Teller im Albayzin Quartier.
Die Alhambra bei Nacht.
Das war's dann auch schon, am frühen Dienstag Nachmittag setzten wir uns in einen Bus nach Madrid. Nach fünf Stunden kamen wir planmässig um 18 Uhr in Madrid an, wo wir Alvaro trafen und mit ihm nach Hause fuhren. Martinas Paket war wider Erwarten noch immer nicht angekommen. Alicia hatte sogar beim Postbüro angerufen und nachgefragt, aber nichts. Am Mittwoch Morgen kam dann tatsächlich die telefonische Erfolgsnachricht, Martina konnte ihre neue Matte abholen und nun sind wir bald abfahrbereit.