Eine im modernen Russland bekannte Ballerina tanzt zu Beginn von Regisseur Francis Lawrences Red Sparrow geschmeidig über die Bühne des Bolschoi-Balletts. Zumindest bis ihr Tanzpartner bei einem Sprung auf ihrem Knöchel landet, der vor unseren Augen bricht und das Bein in eine gänzlich falsche Richtung verbiegt. Die Tänzerin geht natürlich zu Boden. Ihre Karriere ist beendet. Aber ihr Onkel hat einen Alternativplan. Sie soll sich zu einer Sparrow ausbilden lassen, einer tödlichen Killerin, die ihre Sexualität zur Verführung und ihre Skrupellosigkeit zum Töten einsetzen soll.
Diese Ballerina ist Dominika Egorova und wird mit russischen Akzent von Jennifer Lawrence gespielt – nicht verwandt mit dem Regisseur des Films. Dafür aber vertraut. Die beiden haben bereits für die Filme Catching Fire und Mockingjay Teil 1 und 2 der Die Tribute von Panem-Reihe zusammen gearbeitet.
Dominika wird in eine Welt eingeführt, in der sie zur Marionette des russischen Geheimdienstes wird. Ihre Schwäche ist ihre kranke Mutter, für deren Arztkosten die Ballerina aufkommen will. Nach dem Verlust ihres Jobs am Bolschoi-Ballett sucht sie schnell nach einer Möglichkeit Geld zu machen und da kommt ihr Onkel Ivan (Matthias Schoenaerts) mit seinem Angebot gerade recht.
Red Sparrow
" data-orig-size="1000,668" sizes="(max-width: 890px) 100vw, 890px" aperture="aperture" />Michael Schoenaerts ist Onkel Ivan in RED SPARROW.
Zeitgleich gerät der CIA-Agent Nate Nash (Joel Edgerton) in Probleme. Als er sich in Moskau mit einem Kontaktmann trifft, werden die beiden von der Polizei aufgegriffen. Nash beginnt eine Schießerei um seinem Kontakt die Flucht zu ermöglichen und dessen Identität zu schützen. Dominika wird nach ihrer Ausbildung zum Sparrow auf Nash angesetzt. Sie soll ihn umgarnen und die Identität des russischen Kontaktmanns herausfinden.
Daraus hätte recht schnell ein neuer Salt oder Atomic Blonde werden können, die sich allzu sehr in ihren Action-Momenten verloren haben und keine glaubhafte Story um Spionage, Geheimdienste und Intrigen erzählen konnten. In Red Sparrow, der mit seinen 140 Minuten ein wenig zu lang geraten ist, gelingt es recht gut, die verschiedenen Seiten, die Interessen der Mitspieler für uns verständlich, aber für die Figuren verworren zu einer Handlung zusammen zu bringen.
In diesen Geheimdienst-Spielchen scheint Francis Lawrence es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, uns an die Hand zu nehmen und uns langsam und behutsam durch seinen Film zu führen. Er mag die Taktiken der Geheimdienst-Organisationen nicht offen legen, macht uns aber immer bewusst, auf welcher Seite sein Sparrow Jennifer Lawrence gerade spielt. Da kommen nicht allzu viele Fragen auf, so dass auch das Ende keine allzu große Überraschung darstellt, aber dennoch gut inszeniert ist und uns ein befriedigendes Gefühl vermittelt, dass diese Story ihr richtiges Ende gefunden hat.
Das ist daher eine gut gewählte Taktik, da wir uns so voll und ganz auf die Handlung konzentrieren können, die manches Mal ganz schön wild zwischen den verschiedenen Akteuren umher springt – dabei aber nie eine neue Großaufnahme für Jennifer Lawrence vergisst – und es schwer hätte werden können, in all dieser Spionagefilm-Epik den Überblick zu behalten, hätten wir unsere Zeit auch noch damit verbringen müssen, über Gut und Böse, über “wer betrügt wen” und andere Ungereimtheiten nachdenken zu müssen.
Red Sparrow
" data-orig-size="1000,668" sizes="(max-width: 890px) 100vw, 890px" aperture="aperture" />Jennifer Lawrence und Joel Edgerton in RED SPARROW.
Anstelle der Actionszenen treten harte Bilder, die immer wieder eingeworfen werden und die Ruhe des Films durchbrechen. Dadurch wird die Wirkung nur umso mehr entfaltet. Es beginnt mit dem brechenden Knochen der Ballerina, nimmt aber noch viel größere Ausmaße an. Es gibt Folterszenen, bei denen man nur zu gerne einmal wegsehen möchte. Es gibt Kämpfe, so hart, dass man die Messerstiche spürt, die sich die Kämpfenden zufügen.
Neben Joel Edgerton und Matthias Schoenaerts spielen Charlotte Rampling, Mary-Louise Parker, Ciaran Hinds und Jeremy Irons – es besteht aber nie ein Zweifel daran, dass Francis Lawrence hier nichts anderes im Sinn hatte als Jennifer Lawrence eine One-Woman-Show abliefern zu lassen. Keiner der übrigen Darsteller kann so etwas wie einen Charakter entwickeln. Sie sind scheinbar undurchsichtige Gestalten in einer finsteren Geheimdienst-Welt, die sich alle der Hauptdarstellerin unterordnen müssen.
In Red Sparrow geht es um J-Law. Ihre Knochen werden gebrochen, ihr werden Wunden zugefügt, sie darf ein blaues Auge vorzeigen. Sie darf sich sexy entkleiden und ihre Sparrow-Verführkünste anwenden um anderen Menschen Knochen zu brechen, Wunden zuzufügen und blaue Augen zu verpassen.