Vermittelt hat den Kontakt Frau Prof. Dr. Marschall von der Uni Tübingen, meine "Doktormutter", und so schaute ich mir das knapp einstündige (Mach-)Werk nochmals an, dem man eine gewisse Faszinationskraft und "Coolness" nicht absprechen kann: Die Drohnenrundumsicht über Falludscha, die Drive-by-Shootings. Manches Bildmaterial ist nicht neu, aber die Qualität, die die ISIS-Medienabteilung al-Furqan vorlegt, ist auf dem HD-Stand, wie man ihn freilich dank der enorm günstigen und leicht zugänglich wie bedienbaren Technik (Kamera, Schnittprogramme, oder eben die Drohne, wohl eine Parrot AR - für 300 Euro im Elektromarkt zu haben) nachgerade erwarten kann.
"Klirrende Schwerter" selbst können Sie sich in voller Länge und mit deutschen Untertiteln HIER ansehen, wobei ich mich trotz (oder gerade durch) Verlinkung von dem Video, seinem Inhalt und seinen Botschaften distanziere! Gleichwohl ist es ein wichtiges medienwissenschaftlich lohnenswertes Artefakt, das als solches - also nicht zuletzt kritisch-reflektiert - betrachtet werden sollte. Seien Sie außerdem gewarnt, manchen dürften einige Szenen verstören oder schockieren. Grässlich "Höhepunkt" dahingehend etwa: eine Enthauptung. Die Tat wird aber nur kurz gezeigt (das festgesetzte Opfer wird in seinem Schlafzimmer überwältigt), ebenso das Ergebnis. al-Furqan weiß bei diesem Video halbwegs, wieweit man gehen kann - da sind andere, weniger professionellere Streifen unerträglicher, vor allem weil noch zynischer, entwürdigender im Ausstellen der Opfer.
In Stuttgart wurde ich am vergangenen Dienstag in einem Abnahmeraum in unglaublich angenehmer Atmosphäre (Dank nochmals an Herrn Maier u. das ganze Team) zu dem Film, seiner Ästhetik und (möglichen) Wirkung bzw. Adressierung befragt. Das Ergebnis, den "Weltspiegel"-Beitrag "ISIS: Terror und Brutalität professionell inszeniert im Internet" (ausgestrahlt am 27.7.), können sie (noch) HIER in der ARD-Mediathek sehen (inkl. Textfassung).
Noch ein zwei Punkte zum Thema selbst:
Punkt 1:
Der Vergleich mit Hollywood, an dem sich ISIS angeblich orientieren, dem sie nacheifern, ein Vergleich und eine Bezugsverbindung, die etwa CNN aufmacht, sie halte ich für übertrieben und zugleich problematisch vereinfachend. Erstens ist „Klirrende Schwerter“ bei allen ästhetischen Finessen dann doch nicht so stilistisch "gut", sind die Unterschiede zum klassischen Hollywood-Erzählen zu groß, als dass man solchen spektakulären Gleichsetzungen folgen sollte.
Zweitens orientiert sich auch Hollywood und seine Filmemacher ja nun weitgehend an jenen Bildern, die ihnen die Krisen- u. Konflikt-„Wirklichkeit“ (bzw. Kameras vor Ort u. Medienstellen) liefern. Wenn sich „Klirrende Schwerter“ etwa optisch an Kathryn-Bigelow-Filmen wie THE HURT LOCKER oder ZERO DARK THIRTY orientierte (als müssten sich die Propagandisten am westlichen Unterhaltungskino schulen), dann übersieht das, dass diese Filme selbst wiederum sich eng an den (auch audiovisuellen) ihrer Sujet-Vorlagen orientierte, um möglichst authentisch nicht nur zu sein, sondern auch zu wirken.
So ist letztlich die Frage nach Henne und Ei, nach Vor- und Nachbild, nicht zuletzt deshalb unsinnig, weil – drittens – als Mittlerstelle zwischen Propaganda und Entertainment das Dokumentaristische / Dokumentierende, das Reportagehafte mit seinem jeweiligen Modus und Duktus mitzubedenken ist und – viertens – letztendlich alle drei „Gattungsformen“, zusammen mit Musikvideos, Computerspielen etc. (die sich ebenso gut wie „Hollywood“ in „Klirrende Schwerter“ wiederfinden oder entdecken lassen), sich zurückführen lassen auf übergreifende, bisweilen universelle Strategien und Praxen (film-)bildrhetorischer Art, relativ ungebundene Mittel und Methoden der Affizierung, der Emotionalisierung, des Bewegens, des Einbezugs.
Punkt 2:
Dass ISIS seit Juni nur mehr IS heißt, also lediglich „Islamischer Staat“, statt „Islamischer Staat im Irak und in (Groß-)Syrien“, dieser Umstand war und ist Herrn Maier wie mir klar. Aber – darin sind wir einer Meinung –: Zum einen muss man nicht je Umetikettierung von gerade solchen Gruppen mitmachen, zum andern ist „ISIS“ etablier(ter), klingt und spricht sich besser als ein bloßes „IS“.
Bei allem kritikwürdigen Erfolg in Sachen Selbstvermarktung (und was können sich Jihadisten dahingehend mehr wünschen als einen CNN-Beitrag über ihren Film?): Ihre Eigenbenamung war propagandatechnisch dann eher eine Rückschritt. (Soviel Ironie oder Sarkasmus darf u. muss hier vielleicht angesichts derartiger Filme und Gewalttaten "dahinter" sein.)
zyw