Sie mögen ja ein ganz passabler Koch sein, Herr Rach, und womöglich auch ein annehmbarer Bertelsmann-Bajazzo, der auf dem hauseigenen Sender RTL durch vergammelte Küchen hampelt - aber Ihre sonderbare Auffassung, die Sie bei Sandra Maischberger breitgeklopft haben, bereitet doch mittelprächtiges Staunen. Menschenwürde, so philosophierten Sie, stecke nicht in fünf Euro - da konnte man Ihnen nur beipflichten. Fünf Euro haben keine Würde, denn die Würde des Menschen ist unantastbar - nicht die Würde der Banknote. Aber dann wird es ungemütlich: Arbeit sei Würde! Und: "Wir müssen dahin kommen, dass wir nicht die Art und Weise der Arbeit würdigen, sondern das Faktum Arbeit selber."
Arbeit ist Würde! Das klingt nach Aufwertung, nach Würdigung - nicht der Würde freilich, sondern der Arbeit. Und es klingt ein wenig nach dem Motto des Reichsarbeitsdienstes. Damals sprach man nicht so häufig von Würde, man war pathetischer, nahm noch Anleihen aus der Monarchie, die ja noch nicht so lange Geschichte war: Arbeit adelt! war der Schlachtruf, der den Reichsarbeitsdienst aufpolieren sollte. Sicher, Herr Rach, Sie werden es nicht so gemeint haben: aber Sie haben den Unfug aufgebracht, müssen ihn sich nun um die Ohren schlagen lassen. Dabei ist es gar nicht so an den Haaren herbeigezogen, dass da geistige Nähe zu denen zu finden ist, die damals dafür sorgen wollten, dass auch wirklich alle in Lohn und Brot stünden. Sie sagen ja selbst, wohin wir kommen sollten: dorthin, "dass wir nicht die Art und Weise der Arbeit würdigen, sondern das Faktum Arbeit selber". Anders, etwas weniger verklausuliert ausgedrückt: Arbeitsbedingungen, Lohnhöhe, Sozialstandards und so weiter sind nicht maßgeblich; dass man überhaupt Arbeit hat: das soll reichen, damit einem Würde verliehen werden kann. Hauptsache Arbeit!, hört man oft an den Stammtischen, die heute irgendwie jede Lebenssituation belagern; selbst eine Busfahrt oder ein Friseurbesuch hört sich oft wie eine Stammtischrunde an. Hauptsache Arbeit - was für ein resignatives und tristes Ideal!
Natürlich, Herr Rach, Sie sind Unternehmer, haben von Natur aus wenig Freude an Profitbarrieren - aber das entschuldigt Ihre nonchalante Auffassung keineswegs. Überlegen Sie nur, was Sie da von sich gegeben haben! Arbeit ist Würde: was ist mit denen, die keine Arbeit finden können, aus welchen Gründen auch immer? Ist denen eine immerwährende Würdelosigkeit zu wünschen? Dass die Würde des Menschen unantastbar sein soll, hatte seinen guten Grund: der Mensch sollte der Würdenträger seiner selbst sein; ihm sollte Würde zugeschrieben werden, nicht seinem Geldbeutel, nicht seiner Funktion, nicht seinem Nutzen oder seiner Arbeitsstelle. Mit dem Slogan des Gestern gesagt: Nicht Arbeit adelt - der Mensch an sich ist adlig, weil er ist, was er ist; weil er Mensch ist. Was Sie da fallenließen, ist weit weg vom Begriff der Menschenwürde, jedoch sehr nahe am Effizienzdenken, an der Degradierung des Menschen zu einer Funktion oder zu einer Tätigkeit. Wenn Arbeit Würde ist, dann kann nur derjenige Würde haben, der arbeitet - eine sehr bescheidene Vorstellung von unveräußerlichen Rechten des Menschen ist das!
Es wäre unaufrichtig, Herr Rach, Sie in der Jüngerschar nationalsozialistischer Bräunung zu verorten. So sind Sie nicht einzuschätzen, auch jetzt nicht, da Sie einen kleinen Ausblick auf Ihre Weltanschauung erlaubten. Und eben dieser Umstand, dass Sie kein Neofaschist sind, bringt die gesamte Armseligkeit unserer Zeit ja auf den Tisch. Es sind eben nicht glatzköpfige Hinterwäldler, die olle Parolen grölen: es sind die feinen Bürgersleut, die aus dem Herzen der Gesellschaft stammen, die altbackene Losungen aufgreifen und sprachlich modernisieren. Dass dieses hirnlose Gerede um Arbeit, die wesentlicher Aspekt der Würdeverleihung sein soll, überhaupt erst wieder stattfinden kann: das ist das Problem! Sie, Herr Rach, müssen gar kein Faschist sein, um faschistoide Devisen verbreiten zu können. Sie können das heute ganz legal, ganz ungeniert, fast völlig widerspruchslos im Schutze der bürgerlichen Mitte, die mit ihren hysterischen Anwandlungen besonders offen für radikale oder verquere Denkweisen ist. Dabei sind Sie nur einer von vielen, ein Wortführer vieler stiller Arbeit adelt!-Anhänger - einer von vielen, die nicht sehen wollen, dass die braune Arbeit adelt!-Losung dem protestantischen Arbeitsethos ebenso geschuldet ist, wie die heutigen Arbeit ist Würde!-Ergüsse.
Man muß heute wahrlich kein Nazi sein, um ein Weltbild zu befürworten, dass auch jene damals für richtig erachteten. Daher fürchte man nicht den Faschisten; man fürchte den Demokraten, der das für demokratisch erachtet, was die Faschisten einstens für richtig glaubten...