In der ersten Reihe

Mit schnellen Schritten durchs öffentlich-rechtliche (Privat-) Fernsehen.

Das Konzept der öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramme ist Kopieren. Sie sind ein Verbund loser Sendekonzepte, deren Ideen von der privaten Konkurrenz aufgeklaubt sind. Ein Flickwerk an Konzeptionen, die schon im Privatfernsehen peinlich sind, aber bei ARD und ZDF, in der ersten Reihe, in unermessliche Peinlichkeit gesteigert werden. Das liegt unter anderem an der Diskrepanz zwischen dem eigenen Anspruch, seriöses Fernsehen bieten zu wollen - und dem Rückgriff auf Konzepte, die aus dem anspruchslosen Repertoire noch weniger seriöser Sender stammen. Das seriositäts- und feierlichkeitsschwangere Getue des öffentlich-rechtlichen Moderationspersonals tut sein übriges.

Wo öffentlich-rechtlich draufsteht, ist privat drin

Im öffentlich-rechtlichen Abklatschfernsehen geht es zu wie im Privatfernsehen - nur in klientelgerechter Entschärfung, damit Oma keinen Herzanfall erleidet. So spielt selbst die Volksmusik und der seichte Schlager nicht einfach nur auf - beim Winterfest der springenden Stars betätigen sich GEZ-Gesangesbarden sportlich und hüpfen unter tosenden Applaus in Kissen. Stefan Raab, ick hör dir trapsen! Action kommt gut an - Prominente in Action noch besser. Und Action ist, was die jeweilige Kundschaft als solche anerkennt. Bei Pro7 braucht man das Zehnmeterbrett - bei Silbereisen reichen anderthalb Meter Sprungschanze mit drei Meter dicker Kissenunterfütterung. Oder der Chef macht es selbst und rennt wie bekloppt über in Reihe gestellte Herdplatten - barfuß immerhin, vor den Augen seiner Freundin (angeblich Sängerin); kurz danach tremoliert Semino Rossi und ertrinkt dabei in seiner obligatorischen Pfütze aus Olivenöl.

Selbst die Titel der einzelnen Talkshow-Folgen erinnern mehr und mehr an private Sternstunden der Talkeritis. Plasberg fragte kürzlich: "Die Fitness-Religion - gehören Pummel an den Pranger?" - bei Bärbel Schäfer hieß es damals ähnlich, da rief man "Ich werde immer fetter: Bärbel hilf mir, ich bin schwanger und morgen ist auch noch ein Tag!" Und wer es anspruchsvoller mag, der zappt zu Maischberger und harrt einer Antwort auf die Frage: "Die Schnorrer-Republik: Sind wir alle ein bisschen Wulff?" - gut bei Bluna geklaut! Das sind bärbelanische Titel, wie sie die Privatsender bis vor zehn Jahren täglich ausstrahlten - damals riss man noch Leute mit, wenn es hieß "Mutti, heute sag ich dir die Wahrheit: ich bin nur dein Adoptivsohn!" Zehn Jahre später bedient sich selbst der vermeintlich seriöse Talk reißerischer Sendetitel.

Wo öffentlich-rechtliche Sender draufstehen, da ist Privatfernsehen drin. Man sieht Chartshows mit hineinquatschenden B-Promis, gerne genommen Rosi Mittermeier und der Kerl, der mal ein Liedchen an seinen Boss sang, wonach er mehr Geld brauche. Dauergäste auf allen Kanälen, auch im Ersten, sowieso im Zweiten. Man staunt über Mittagsmagazine, die wie am Fließband Dokubeiträge abspulen, deren informativer Gehalt fadenscheinig ist. Man kennt keinen Unterschied zu den Boulevardmagazinen der Konkurrenz, in denen zwar keine nuttig aufgetakelten Frauen, dafür aber affig grinsende Bürgerliche-Mitte-Schönlinge durchs Programm führen. Man verfolgt Soaps, die man nun Novelas nennt. Man stattet einst aufrichtig konzipierte Sendungen emotional aus, so wie Aktenzeichen XY, wo man neuerdings die Gemütslage von Opfern in Filmchen nachzeichnet, das gespielte Szenario mit den Augen eines Mordopfers zeigt, was einen spekulativen Blickwinkel erzeugt - und wo plötzlich nicht mehr mit kühlem Kopf gefahndet, sondern mit gefühlsbetontem Unterton, Zuschauer unterhalten werden sollen.

Die Euthanasie des Unvorhergesehenen

Ein gigantisches Problem ist das Personal. Mit pathetischen Dauergrinsern und Dauerwellen, die sich zwischen Schwiegermütterliebelei und Techtelmechtel mit Großmama verstricken, ist kein seriöses Fernsehen zu machen. Krone dieses Typus ist nicht die fleischgewordene Krone der Volksmusik, Silbereisen mit Namen, sondern die charmante, leider dennoch leblose Hülle, die man Pilawa getauft hat. Er ist der große Euthanasator sämtlichen kritischen Verstandes - wer die Formate anschaut, die er leitet - und er leitet sie alle! -, der dämmert dahin, der wird radikal eingeschläfert. Immer lächeln, immer sinnfreie, aber doch höflich scheinende Sprüche anbringen - das ist Pilawa, wie er leibt und lebt, wenn man das so lebensbejahend überhaupt sagen kann. Pilawa ist Monopolist, er füllt an sieben Abenden die Woche mindestens neun Abendsendungen - wegen ihm denken die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten darüber nach, die Siebentagewoche durch eine Zehntagewoche zu ersetzen.

Silbereisen ist anders - nicht inhaltlich. Inhalt - auch so ein Wort, das man in Verbindung mit dieser Gilde aus Moderatoren nicht verwenden kann. Silbereisen ist weibischer als Pilawa, nicht nordisch kühl, sondern alpin anbiedernd, auch wenn er gar nicht aus dem Alpenraum stammt. Pilawa... und damit auch Silbereisen und andere Moderatoren, die eigene Namen haben, aber keinerlei eigenes persönliches Format... Pilawa steht also symbolisch. Dieser Pilawa ist immer adrett und immer stinklangweilig. Er tut niemanden weh - das ist die beste Eigenschaft, die man ihm nachsagen kann. Er ist das Gesicht des Zeitgeistes: angepasst, zwanghaft optimistisch, brav bürgerlicher Humor, bloß nicht anecken! Wo einst das Charisma eines Showleiters zählte, steht als Ideal heute Anpassung. Personen, die genauso gut Fahrkarten verkaufen oder Brötchen austragen könnten, ohne dass man auf die Idee käme, da würde großartiges Potenzial mit anforderungsamer Arbeit vergeudet.

Die hohe Kunst pilawascher Unterhaltung ist es, in unterkühlter und höhepunktloser Manier, sein Abendpensum abzuwickeln. So sorgt man zwar nicht für besondere Momente des TV, aber man macht auch keine gröberen Schnitzer. Pilawas Moderation ist auf Fehlervermeidung ausgerichtet, nicht auf Unterhaltung. Er ist nicht frech, weil er fürchten muß, mit etwaigen Frechheiten für einen Eklat zu sorgen. Politisch korrekt zurückhaltend döst er durch seine Sendungen - nur nicht unkorrekt werden, nur nicht als empörter Aufmacher bei BILD enden. Nur nichts Unvorhergesehenes! Wer nichts wagt, der nichts gewinnt - diese Binsenweisheit kann sich der Scholar der pilawaschen Moderationsschule gleich mal aus dem Kopf schlagen. Denn nur so vermeidet man Skandale und brüskiert seine spießbürgerliche Biedermeier-Anhängerschaft nicht. Wenn man es genau nimmt, hat man dann nicht mal TV-Zuseher, man hat ein Publikum aus TV-Narkotisierten, die die Hälfte der ausgestrahlten Ödnis gar nicht mehr mitbekommen. Ein Publikum, dem es nur wichtig ist, dass der gerade amtierende Showleiter den abendlichen Schlaf auf dem Sofa nicht durch Einlagen unterbricht, die es wecken könnte - oder die es reuen könnte, verschlafen zu haben.

Und zu Lanz, der anhaltend gequält mit seiner pastoralen Jesuitenart Gästen auf den Pelz rückt, soll heute nichts gesagt sein...

Verfressenheit als Alleinstellungsmerkmal

Rege gekocht und gefressen wird täglich. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hält sich als Gesinde nicht Mägde und Knechte, sondern Sterneköche und Haubenköchinnen stehen dort in Lohn und Filet. Die Köcheschaft ist der Staat im Staate - sie bekommen jeden Gourmetwunsch erfüllt, Zutaten hinterhergeworfen. Es brutzelt und köchelt, brodelt und brät nur so dahin. Der Zuschauer frisst sich nachmittäglich durchs Programm, bekommt dabei immer dieselben Kniffe, immer dieselben Sprüche über Gewürze und Butter, immer dieselben Rezepte mit neu erfundenem Namen zu hören. All das wird nicht leicht und locker zelebriert, sondern mit pathetischer, ja spirituell ehrfurchtsvoller Miene. Man bekommt den Eindruck, Kochen sei eine unglaublich metaphysische Angelegenheit - und Koch und Pfarrer seien eigentlich ein Berufszweig.

Im Privatfernsehen nahm der Kochmarathon seinen Anfang - das war und ist peinlich; seitdem es jedoch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen geschieht, mit seinen ganzen verquasten Kochphilosophen und -sophisten, ist es zu einer Peinlichkeit emporgestiegen, über die man sich nicht mehr fremdschämt, sondern ärgert. Wieviel der 7,5 Milliarden Euro, die die Gebühreneinzugszentrale den Sendern einsammelt, werden eigentlich verfressen? Man munkelt, es sind 2,5 Milliarden mindestens. Sedieren durch Kochen nennt sich die Praxis dahinter. Wer das Maul voll hat, der meckert nicht! Das Alleinstellungsmerkmal des öffentlich-rechtlichen Fernsehens ist das Kochen, das Schaulaufen von dekorierten Köchen - Verfressenheit als Nische, in der man Vorreiter sein darf.

Der Fairness halber - es ist nicht alles schlecht

Zu angepasst an die Vorgaben des Privatfernsehens könnte man fast annehmen, ARD und ZDF würden qualitativ gänzlich zum staatseigenen RTL. Die Tendenz ist da - die Verblödungsmaschinerie läuft unmerklich auch dort an; kritische Nachrichten gibt es auch dort keine, Jauch hält Merkel Karteikarten hin, Seibert wechselte in die Regierungsarbeit - das sagt alles. Kritischer Verstand ist da nicht mehr zu erwarten. Aber auch dort wo es unpolitisch zugeht: keine Qualität, sondern am Privatfernsehen orientierter Stuss. Getrimmt auf die eigene Klientel, versteht sich - versucht anspruchsvoll, aufgrund Bildungsauftrages, versteht sich - patrizierhafter als beim Plebejersender RTL, versteht sich.

Gleichwohl liefert, nicht selten mit freundlicher Unterstützung der Landesrundfunkanstalten, man auch kritische Magazine - die siedelt man allerdings ins Nachtprogramm, wenn man von der Reihe Markencheck, die unlängst zur besten Sendezeit ausgestrahlt wurde, einmal absieht. Das ist der augenscheinliche Unterschied - das Privatfernsehen übt sich in allen Lebenslagen, zu jeder Tageszeit in minderwertiger Unterhaltung; die öffentlich-rechtlichen Sender jedoch haben noch Perlen zwischen den Säuen herumliegen.


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