In COLOSSAL wird Anne Hathaway auf dem Spielplatz zum Monster-Kaiju

Erstellt am 2. Oktober 2017 von Denis Sasse @filmtogo

Colossal bricht gleich in mehrerlei Hinsicht mit den Erwartungen an diverse Genres. Auf der einen Seite ist es das übliche Homecoming-Drama, bei dem jemand in die alte Heimat zurückkehrt und mit allerlei Jugendproblemen und Aufarbeitungs-Herausforderungen konfrontiert wird. Dann ist da die RomCom, die zwei Menschen unter den merkwürdigsten Umständen zueinander führt. Und der Kaiju-Monsterfilm, wie er vor allem in Japan durch Godzilla immer noch gefeiert wird.

Der Film von Regisseur Nacho Vigalondo (Extraterrestre) schickt Anne Hathaway als arbeitslose Alkoholikerin zurück in den Kleinstadt-Alptraum, wo sie geschunden von Unglück und dummen Lebensentscheidungen den Rückzug vom Leben antritt. Hier trifft Hathaways Gloria auf ihren alten Freund Oscar (Jason Sudeikis), der ausgerechnet Besitzer der örtlichen Bar ist, wo er reichlich Spirituosen ausschenken kann. Er gibt Gloria aber auch einen Job, damit sie sich wieder in ihrem eigenen Leben zurechtfinden kann.

Colossal

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Anne Hathaway ist Gloria, die als Kaiju-Monster in Seoul auftaucht.

Bis hierhin könnte der Film als schmalzige RomCom durchgehen. Dann aber taucht in Seoul ein gigantisches Kaiju-Monster auf. Irgendwann gesellt sich noch ein ebenso riesiger Roboter hinzu. Seoul muss leiden. Und während die beiden Ungetüme natürlich eine Verbindung zu Gloria und Oscar haben, wissen wir ebenso gut, dass solche Monster oftmals Metaphern für durchaus real-weltliche Probleme darstellen. Wie die Zusammenhänge genau sind, möchte man aber nicht verraten, denn Colossal zieht all seinen Charme aus seiner Handlung und wie investiert die Darsteller in dieser agieren.

Es bedarf erst einer Extremsituation, damit Gloria merkt, wie unverantwortlich sie sich durch ihr Leben bewegt. Bis zu einem gewissen Moment, lügt sie sich durch ihre Beziehung zu ihrem New Yorker Boyfriend (Dan Stevens), der sie kurzerhand vor die Tür setzt. Ebenso belügt sie sich selbst. Ihr Leben ist gänzlich außer Kontrolle geraten und Sudeikis scheint als Oscar in keiner Weise dem entgegen zu wirken.

Der Film macht immer wieder Flashbacks zurück in die Schulzeit, wo Gloria und Oscar schon Freunde waren. Hier liegt auch eines der Grundprobleme Glorias begraben, nur muss sie sich erst einmal daran erinnern. Colossal tut gut daran uns nicht sofort einzuweihen, sondern ebenso an ihrem Erkenntnisprozess teilhaben zu lassen.

Das Anne Hathaway eine großartige Darstellerin ist, die mit dem richtigen Material (Rachels Hochzeit) Oscar-Qualitäten entwickeln kann, muss man inzwischen einfach wissen. Viel erstaunlicher ist es, wie wir Jason Sudeikis (Wir sind die Millers, Kill the Boss) hier erleben dürfen. Vom Love Interest entwickelt er sich weg zu einer bedrohlichen Figur, die mit aufgestauter Wut und alkoholisiert zum purem Alptraum wird.

Er will Gloria wieder zum trinken bringen, damit er nicht allein der Loser ist. Zugleich ist er auch ihr Arbeitgeber und nutzt das charmelos als Druckmittel aus. Sudeikis entwickelt eine Angst einflößende Persönlichkeit und wird gegenüber Gloria nicht nur handgreiflich, sondern schlägt sich mit einem harten Faustschlag zu Boden. Das ist alles andere als eine RomCom. Das ist das Kaiju-Monster Movie auf eine sehr menschliche Ebene herunter gebrochen.

Colossal

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Gloria (Anne Hathaway) stellt sich Oscar (Jason Sudeikis)

Die Faszination liegt darin, dass Sudeikis uns als sympathischer, alter Freund aus Schultagen als eine hilfsbereite, freundliche Person erscheint – der Switch zum Alptraum-Menschen aber nur allzu leicht gelingt. Niemals kommen Gedanken auf, dass der eine oder der andere Charakter besser zu Sudeikis passen würde. Er zeigt uns sein grandioses Spiel in beide Extrem-Ausrichtungen.

Dasselbe gilt für Hathaway, die auch in ihrer verlogenen “Mir ist alles egal”-Haltung noch sympathisch wirkt, davon dann nichts verliert, sobald sie zur geläuterten Frau wird, die mit aller Macht gegen ihren Unterdrücker ankämpfen muss. In jeder Rolle fiebern wir mit Gloria mit, sich aus ihrem miserablen Leben zu befreien.

Das macht Colossal zu einer wunderbaren Charakterstudie, in der wir die Entwicklungen der Figuren nur allzu gut spüren können – während sich ihr Aufeinandertreffen als Monster Movie manifestiert und das für eine gute Portion Unterhaltung sorgt.