In aller Kürze: "Der Gefangene von Alcatraz" / "Birdman of Alcatraz" [USA 1962]

Erstellt am 25. August 2010 von Timo K.

Unaufgeregt, frei von jeglichen aufgesetzten Sentimentalitäten sowie trotz seines Appellcharakters niemals anbiedernd, aber dennoch in hochemotionalen Momenten erzählt John Frankenheimer vom apathischen Verzweifeln hinter kalten Gefängnismauern. Burt Lancaster spielt in einer bestechenden, weil mehrdimensional konzipierten Leistung den zweifachen Mörder Robert Stroud, der mehr als die Hälfte seines Lebens in Einzelhaft, in Monotonie zwischen Ungeziefer und kahlen Wänden, verbringt, ehe unbekümmerte Vogelgesänge für die herbeigesehnte Erlösung sorgen. Obgleich die Geschichte einen realen Hintergrund besitzt, erweist sich "Der Gefangene von Alcatraz" allerdings weder als Dokumentarfilm noch als Biographie. Stattdessen skizziert der Film in beklemmenden Bildern Strouds Verwandlung vom jähzornigen Egomanen zum Rehabilitierten zum leidenschaftlichen Vogelkundler zum idealistischen Einzelkämpfer, der gegen einen ganzen unmenschlichen Justizapparat kämpft, während der Zuschauer ihn beim würdevollen Altern zusieht und dabei ein Gnadengesuch nach dem anderen abgelehnt wird. Frankenheimer singt ein Hohelied auf universelle Rechte Gefangener, tangiert essentielle Werte und Normen, propagiert Freiheit, Humanität und Menschenwürde in einer zutiefst finsteren Welt, deren Verständnis von Recht allerhöchstens desolat erscheint und von sadistischen Fanatikern mit permanenten Rachegedanken bevölkert wird. Und er zeigt grenzenlose Freundschaft in Extremsituationen, etwa wenn Stroud in einer der ergreifendsten Szenen eine Katharsis durchlebt und sich zum ersten Mal seit Jahrzehnten bei einem Mitmenschen, bemerkenswerter Weise einem Gefängniswärter (Neville Brand), entschuldigt, weil beide menschlich vom jeweils anderen behandelt werden wollen. Exzellente Nebenrollen (Thelma Ritter, Karl Malden, Betty Field, Telly Savalas) sowie Elmer Bernsteins atmosphärische Musik komplettieren einen etwas anderen Knastfilm ohne obligatorische Ausbruchspläne, dafür mit einer Reihe deplazierter Actioneinlagen gegen Ende. Und unglücklichem deutschem Filmtitel.
8/10