Lake Bell als Carol Solomon in “In A World…”, geschrieben und inszeniert von ihr selbst
Der kritische Feministinnen-Blick schaut immer wieder auf Hollywood. Stimmen außerhalb des Filmbusiness, aber auch innerhalb des Konstrukts – man nehme nur Geena Davis’ Institut on Gender in Media – verfolgen mit Argusaugen die Entwicklungen um weibliche Regisseure, ernstzunehmende Frauenrollen, die allgemeine Gleichberechtigung von omnipräsenten Männern vor und hinter der Kamera und den femininen Minderheiten, die sich hiergegen kaum behaupten können. Aber nicht nur Hollywood wird immer wieder der erhobene Zeigefinger entgegen gehalten, auch ein renommiertes Filmfestival wie Cannes muss sich Jahr für Jahr dem Vorwurf anhören, nicht genügend Regisseurinnen im Rennen um die Goldene Palme zu haben. Dass der Blick dabei allein auf dem Langfilm bleibt, zeugt von Scheuklappen-Argumentation. Wie gut, dass es Filmemacherinnen wie Lake Bell gibt, die mit eigenem Drehbuch, Inszenier-Willen und Schauspielkraft den Blick zur Seite wendet und sich mit In a World… dem immens beliebten Format des Filmtrailers und der dort noch viel weniger vertretenden Frauenstimme annimmt.
Laut Bell gibt es keinen nennenswerten Film, der einen Trailer vorweisen könnte, in dem eine Frau zu hören ist. Die Ausnahme wäre Nur noch sechzig Sekunden, gesprochen von Melissa Disney. Dann hört es aber auch schon auf. Die Männerdomäne Filmtrailer möchte Lake Bell mit ihrem Film aufbrechen, der Szene einen weiblichen Touch verpassen. Der Film eröffnet mit Archivaufnahmen von Donald LaFontaine, im September 2008 verstorben, nachdem er mehr als 5000 Filmtrailer in den USA gesprochen hatte und die Worte „In a World“ geprägt hat. Mit dem Film setzt Bell diesem Mann zugleich ein Denkmal, kümmert sich aber im selben Atemzug um eine fiktive Nachfolge, die in Zukunft die Worte „In einer Welt…“ in den Mund nehmen soll. Das wird bei Bell zu einem Kampf der Geschlechter, zu einem Familienzwist, zu einem Generationskonflikt und zu einer höchst amüsant in Szene gesetzten Komödie.
Fred Melamed nimmt als Sam Sott eine Auszeichnung für sein Lebenswerk als Trailerstimme entgegen
Der wachsame Blick des genannten Geena Davis Institute on Gender in Media zeigt sich offensichtlich sehr gut gestimmt gegenüber In a World, hat Davis selbst hier doch einen kurzen Auftritt während einer Zeremonie – den real existierenden Golden Trailer Awards – bei denen die besten Trailer eines Jahres gewürdigt werden. Hier kommt es zum großen Aufeinandertreffen von Sam Sotta (Fred Melamed), dem erfahrensten aller Trailer-Sprechern, dem jungen aufstrebenden Gustav Warner (Ken Marino), der das Business nun an sich reißen will sowie Karen Solomon, gespielt von Lake Bell als eine Stimmtrainerin, die als Underdog der Szene für Aufsehen sorgt, als ihre Frauenstimme in einem begehrten Filmtrailer auftaucht.
Heutzutage sind Trailerstimmen fast gänzlich ausgelöscht, noch in den 90er Jahren ist man sich im Kino und auf VHS immer dieser Stimme bewusst gewesen, die uns durch eine Trailererzählung geleitet. Der Trailer beschreitet den schmalen Grat zwischen Filmmarketing und Eigenkunst, umso erfreulicher dass nun nach der Hommage an den Geräuschemacher in The Berberian Sound Studio auch die Trailersprecher und -sprecherinnen ein wenig Aufmerksamkeit erhaschen können.
Sam Sotto (links) und Ken Marino als Gustav Warner (rechts) haben etwas gegen Frauen im Business
Dass bei einem solchen Film die Stimme eine wichtige Rolle spielt, haben wohl auch die verantwortlichen Menschen erkannt, die für die deutsche Synchronisation zuständig waren. So hat man Michael Brennicke, Sprecher für die Sendung Aktenzeichen XY…ungelöst, bekannt als Stimme von Komiker Chevy Chase an Bord geholt, ebenso wie Christoph Jablonka, jahrelanger Synchronsprecher und Station-Voice von ProSieben, heute vom Premiere-Nachfolger Sky. Auch im Filmtrailer Bereich sind uns diese Stimmen immer wieder begegnet, bei Programmankündigungen im Fernsehen und anderorts. Stimmen, die uns in den Medien immer begleitet haben, übernehmen hier nun also auch die Synchronisation von In a World, ein ungewöhnlich hohes Bestreben für die sonst doch eher willkürlich agierende Synchroarbeiten im reinen Heimmedien-Veröffentlichungsbereich.
Man darf glücklich darüber sein, dass Lake Bell in Freundschaft Plus von Ashton Kutcher abserviert wurde, damit dieser mit Natalie Portman anbandeln konnte, sie von Alec Baldwin in Wenn Liebe so einfach wäre benutzt wird, damit dieser seine Filmehefrau Meryl Streep betrügen kann. Bell immerzu als zweite Geige, als Nebendarstellerin dazu verdammt, von den Männern benutzt zu werden. Das hat sie wohl zu diesem Projekt getrieben, bei dem sie alle Fäden selbst in der Hand halten durfte. Damit hat Hollywood dann, entgegen allen Vorwürfen, eine starke weibliche Filmemacherin gewonnen, die der Minderheit eine starke Stimme verleiht.
Originaltitel: In A World…
Altersfreigabe: ab 12 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA, 2013
Länge: ca. 93 Minuten
Regie: Lake Bell
Darsteller: Lake Bell, Fred Melamed, Ken Marino, Rob Corddry, Alexandra Holden, Demetri Martin, Nick Offerman, Eva Longoria, Geena Davis
Heimmedien-Start: 14. April 2014
Im Netz: sphe.de/in-a-world-die-macht-der-stimme
Bilder © Sony Pictures Home Entertainment