Über die Macht der Stimme schreibt jeder Rhetorikratgeber, Indie-Hollywood macht daraus Filme und nicht mal die schlechtesten, wie die Komödie In a World ... von und mit Lake Bell beweist.
Was wir nicht sehen, übersehen wir leicht und trotzdem kann auch das Unsichtbare entscheidend unsere Wahrnehmung beeinflussen. Augenscheinlich wird das beim Medium Film, das, obwohl in erster Linie visuell bestimmt (es gibt keinen Film ohne Bilder), meist auch noch eine nicht zu unterschätzende akustische Ebene mit sich bringt, die sich nicht nur auf stimmungsgebende Hintergrundmusik beschränkt. Gerade in good old Hollywood war und ist die Stimme aus dem Off tonangebend - der Erzähler, als wichtiges narratives Element und gleichzeitig als Instanz, die es schafft, mit ihrer Stimmgewalt Erwartungen und Gefühle des Publikums zu lenken, dieses einzulullen, in Sicherheit zu wiegen oder zu verängstigen. Und ja, auch dieser Bereich ist, wie nachwievor die meisten in der Filmbranche, eindeutig männlich geprägt. Lake Bell widmet sich mit der Indie-Komödie In a World... als Drehbuchautorin, Regisseurin, Produzentin und Hauptdarstellerin in Personalunion dem unsichtbaren Berufszweig der „Voice-Over Artists", der seine großen Glanzzeiten, wie eigentlich alles in der Traumfabrik, längst hinter sich zu haben scheint und trotzdem eine Diskursmacht inne hat, die sich gerade Frauen zunutze machen müssen, um gehört zu werden.
Carol (Lake Bell) ist keine Frau, die auf der Erfolgswelle schwimmt. Als Vocalcoach für Stars der Hollywood B-Liga hangelt sie sich von Job zu Job, träumt vom großen Durchbruch als Filmsprecherin und dümpelt im Schatten ihres großen Vaters, der Voice-Over Legende Sam Sotto (Fred Melamed), der lieber den schmierigen Gustav (Ken Marino) protegiert, anstatt das Potential seiner Tochter zu erkennen. Vom Vater mit sanftem Nachdruck aus der Wohnung befördert, muss Carol auf eigenen Beinen stehen und erhält tatsächlich die Chance, für eine große Fantasy-Filmreihe zu sprechen und damit in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten, der, in Stolz und Eitelkeit gekränkt, das Talent seiner Tochter immer noch nicht anerkennen will.
Die Macht der Stimme, so der deutsche Untertitel von In a World..., ist eine nicht zu unterschätzende und sollte gerade von Frauen viel mehr genutzt werden, um sich Gehör zu verschaffen und sich nicht unter Wert zu verkaufen - so die Kernaussage des Films. Zum Glück wird diese dem Publikum nicht schulmeisterlich verpackt oder allzu dramenbeschwert aufs Auge gedrückt, sondern ist eingewoben in eine amüsante Komödie, die mit reichlich ironischen Seitenhieben auf die Filmindustrie, ihre Cashcows in Form von Fantasyepen wie Die Tribute von Panem und ihre Stars und Sternchen aufwartet. Für leichte Unterhaltung wird hier gesorgt, ohne seicht oder übermäßig abgedroschen zu werden. Gespickt ist das Ganze mit Kurzauftritten von Stars wie Geena Davis, die eine taffe Produzentin gibt, Cameron Diaz als Amazonen-Mutantin (?!) oder Eva Longoria, die sich überraschend augenzwinkernd und uneitel selbst spielt.
Bei aller Leichtigkeit verliert aber leider auch das zugrundeliegende und doch ernste Thema etwas an Gewicht, nämlich die systematische Kleinhaltung von Frauen im Filmgeschäft und die strukturelle, mitunter explizit misogyne, Gewalt, mit der diese noch immer häufig konfrontiert werden. Zudem verstrickt sich der Film zwischenzeitlich zu sehr in Nebenhandlungen, die, obwohl mit sympathischen Charakteren besetzt, doch sehr beliebig erscheinen. Mehr Fokus auf die Protagonistin und ihre Geschichte wäre hier wünschenswert gewesen.
Alles in allem ist Lake Bell mit In a World ... aber eine unterhaltsame, intellektuell nicht überstrapazierende aber doch intelligente Komödie gelungen, die mit einer guten DarstellerInnenriege aufwartet und den Scheinwerfer auf einen nicht unwesentlichen Bereich des Filmschaffens richtet, der bisher eher unbeleuchtet geblieben ist.
Regie & Drehbuch: Lake Bell, Darsteller: Lake Bell, Fred Melamed, Michaela Watkins, Rob Corddry, Ken Marino, Alexandra Holden, Geena Davis, Laufzeit: 93 Minuten, DVD-Release: 14.04.2014, inaworldmovie.com
Aufgabenbereich selbst definiert als: Zwielichtaufsuchende mit Twilight-Phobie. Findet "Ours is a culture and a time immensely rich in trash as it is in treasures" (Ray Bradbury) zeitlos zutreffend.