Im Jahr 2009 waren Masernkranke in Europa im Schnitt 10 Jahre alt.
Bis 2019 kletterte das Durchschnittsalter auf 17 Jahre
Juncker verwies auf die Zunahme von Krankheiten wie Masern. Die Zahl der durch Masern verursachten Todesfälle habe sich in Europa versechsfacht. "Und diese Fälle betreffen vor allem nicht geimpfte Menschen."Versuchen wir einen Faktencheck:
"In Europa sterben Kinder an vermeidbaren Krankheiten", sagte der Generaldirektor der der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus. Nach WHO-Angaben wurden in der ersten Jahreshälfte 2019 weltweit fast dreimal so viele Masernfälle registriert wie im gesamten Jahr 2018. Ausschlaggebend dafür ist ein gewachsenes Misstrauen gegen Impfstoffe, ausgelöst durch die Verbreitung von Fehlinformationen. EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis plädierte für eine Impfpflicht in Ländern mit sinkenden Impfraten.
Wie sieht es tatsächlich aus mit den Masern-Todesfällen in Europa?
Auf der Webseite der EU Behörden findet sich dazu folgende aktuelle Graphik mit den gemeldeten Todesfällen im Zeitraum Juli 2018 bis Juni 2019:
In den meisten EU-Ländern gibt es keine Todesfälle bei Masern.
Es gab demnach nur drei EU-Länder, in denen im letzten Jahr Todesfälle aufgetreten sind. Spanien und Rumänien hatten jeweils einen Todesfall, Italien fünf. Italien hat aber bereits seit vielen Jahren die Impfpflicht.Wie entwickeln sich die Fallzahlen in Europa?
Fallzahlen in Europa während der letzten drei Jahre (Quelle: ECDC)
Nach den Zahlen der EU-Behörden hat sich in den letzten drei Jahren keine sonderlich bedrohlicher Trend ergeben. Insgesamt sind von Jahresmitte 2018 bis Mitte 2019 im Europäischen Wirtschaftsraum (EU Länder incl. Island, Norwegen, Liechtenstein) 13.102 Fälle von Masern aufgetreten. Die meisten in den Impfplicht Ländern Frankreich (2.367) und Italien (1.831).In den Medien werden weitaus höhere Masernzahlen für Europa genannt.
Woher stammen diese hohen Zahlen für Europa?
Tatsächlich liest man von bis zu 100.000 Masernfällen sowie dutzenden Todesfällen, die "allein im ersten Halbjahr 2019" in Europa aufgetreten sind.
Diese Zahlen beziehen sich aber nicht auf den Europäischen Wirtschaftsraum, sondern auf die "WHO Region Europa". Und hierzu zählen auch Länder wie Russland, Türkei, Ukraine, Israel, Aserbeidschan oder Tadschikistan.
Masernzahlen beziehen sich auf die "Europäische Region" der WHO
Und aus diesem Umstand werden auch die hohen Zahlen verständlich.Allein die Ukraine meldete im ersten Halbjahr 2018 mehr als 50.000 Masernfälle mit bisher 18 Todesfällen. Das Land befindet sich inmitten einer schweren politischen und wirtschaftlichen Krise. Impfstoffe sind rar und von teils schlechter Qualität. Zahlreiche Berichte von abgelaufenen oder gefälschten Impfstoffen mit schweren Impfschäden lassen die Impffreudigkeit in der Bevölkerung nicht eben wachsen. Jene Ukrainer, die es sich leisten können, importieren Impfstoffe aus der EU oder lassen ihre Kinder im Ausland impfen.
Um diesen Missstand abzustellen, braucht es Hilfe. Eine Impfpflicht in Ländern wie Deutschland oder Österreich wird den Problemen der Ukrainer sicherlich nicht helfen.
Welche Altersgruppe ist von Masern betroffen?
In den Wortmeldungen der Politiker ist stets die Rede von den armen, betroffenen Kindern. Die in Deutschland angedachte Impfpflicht betrifft ebenso die Kinder.
Dabei gibt es hier das geringste Problem. In den meisten Ländern der EU haben mehr als 95% der Kinder die erste Masernimpfung und mehr als 90% die zweite.
Die aktuellen Masern-Ausbrüche zeigen jedoch, dass sich das Grundproblem bei Masern deutlich verschoben hat. In der Zeit bevor geimpft wurde, erkrankten Kinder meist im Vorschulalter an Masern und waren dann ein Leben lang immun. Das hat sich mit den großen Impfaktionen dramatisch verändert. Im Jahr 2009 lag das durchschnittliche Alter für Masern bereits bei zehn Jahren, im Jahr 2019 liegt es nun in Europa im Schnitt bei 17 Jahren. In Deutschland liegt der Anteil Erwachsener im heurigen Jahr bei 60 Prozent.
Hier - bei den Erwachsenen - haben wir die wahre Problemgruppe bei Masern. Wenn schon Impfpflicht, so sollte das deshalb vor allem für ungeimpfte Erwachsene gelten.
Dies wurde von der Politik bisher allerdings nicht sonderlich hervor gehoben. Denn eine Aufarbeitung der Situation zeigt, dass ein beträchtlicher Teil der Erwachsenen bereits geimpft worden ist. Und dieses Argument wäre der Impfpropaganda weniger förderlich als die Fake-News von Juncker und Co.