Im zeitgenössischen Tanz gibt es weder Mann noch Frau

Im Rahmen der Reihe SoftMachine von Choy Ka Fai erlebte Wien im Weltmuseum einen Auftritt von Rianto. Einem aus Indonesien stammenden Tänzer, der im Laufe der Show, die seinen Namen trägt, hinter seine verschiedenen Geschlechtermasken blicken ließ.

Rianto kommt langsam Schritt für Schritt auf die Bühne, die inmitten des Foyers des Weltmuseums liegt. Seine Erscheinung ist die einer schönen, grazilen Frau in schwarz-goldenem Gewand, mit Glitzerdiadem und Ohrringen, Hochsteckfrisur und einem grell-orangen weich fallenden Schal um die Mitte gebunden. Wüsste man nicht, dass hinter dieser Verkleidung ein junger Mann steckt, man würde es nicht glauben. Sachte beginnt er zu den Klängen einer traditionellen indonesischen Musik zu tanzen, das Gesicht noch hinter einer weißen Maske einer Frau versteckt. Nach Ende dieser tänzerischen Eröffnung beginnt Rianto dem Publikum über die Hintergründe des Tanzes zu erzählen und es folgt die Aufklärung, dass er nicht nur Frauen, sondern auch Männer verkörpern könne. Sein Umkleiden wird durch eine filmische Dokumentation verkürzt, die an diesem Abend noch mehrfach die Szenenwechsel begleiten wird.

Darin wird Rianto in seiner Heimat gezeigt, bei seiner Mutter, in einer Gruppe von Tänzerinnen, mit der er im traditionellen Topeng Sekar Taji auftritt. Aber auch sein kleines Appartement in Japan, wo er derzeit lebt, ist zu sehen; seine Arbeit als Koch in einem japanischen Restaurant und der Gang in einen Club, in dem sich Homosexuelle und Bisexuelle treffen. Ob er dies in seine Dokumentation aufnehmen dürfe, hört man Choy Ka Fai hinter der Kamera fragen. „It depends“ ist die Antwort von Rianto.

Der Abend, der den Tänzer in unterschiedlichsten Rollen und Tanzstilen zeigt, lebt nicht nur von seinem tänzerischen Können. Er lebt auch von der privaten Sicht auf ihn, die mit dem Dokumentationsfilm präsentiert wird. Der stets sanfte Rianto, von dem eine entwaffnende Herzlichkeit ausgeht, stülpt dabei sein Innerstes nach außen. Und er begeistert mit seiner Wandlungsfähigkeit. Man nimmt ihm, wie beim Anfangsauftritt, die auf ihren Geliebten wartende Prinzessin ebenso ab wie den martialischen König, der sich stets in Angriffs- und Beobachtungspose befindet.

Man ist erstaunt, als er von seinem Wechsel in das zeitgenössische Tanz-Genre berichtet und bekommt auch gleich seine eigene Solochoreografie zu sehen. Ein böser Traum, in dem er einen Mann darstellt, der sich in einen Roboter verwandelt, um am Ende doch wieder zu Sinnen zu kommen. Rianto geht aber noch einen Schritt weiter und präsentiert danach seine persönliche Idee von Tanz: Eine Vermischung von Elementen des traditionellen indonesischen und des zeitgenössischen Tanzes, den er in Japan kennenlernte. „There is no gender in the contemporary dance, male or female“, erklärt er an einer Stelle und man merkt, dass ihm diese Tatsache besonders wichtig ist. In einem persönlichen Gespräch erzählt der junge Mann, dass er, egal in welche Rolle er auch immer schlüpft, sich niemals nur mit einem bestimmten Geschlecht identifiziert, sondern sich einfach auf den Tanz an sich konzentriert.

Vor jeder einzelnen Szene zieht sich Rianto erneut um, entkleidet sich immer mehr, bis er am Schluss nackt an der Seite der Bühnenfläche steht. Ganz unprätentiös schreitet er noch einmal an den Platz unter jener Leinwand, auf der seine Dokumentation lief, stellt sich mit dem Rücken zum Publikum und beginnt seinen letzten Tanz. Kein einziges Mal dreht er sich dabei um. Was das Publikum zu sehen bekommt: Seinen Rücken, seine Beine und Arme; einen muskulösen, höchst biegsamen Körper, der im Scheinwerferlicht vor Schweiß glänzt. Eine dramatische, elektronische Sounduntermalung macht deutlich, dass dieser Tanz zum Höhepunkt des Abends wird und tatsächlich steigt die Spannung mit jedem Schritt, den Rianto rückwärtsgewandt dem Publikum langsam entgegen schreitet. Nun wird deutlich, wie schwer und kräfteraubend die langsamen Bewegungen sind, die Rianto in ähnlicher Weise auch im traditionellen Tanz, den man zu Beginn des Abends sehen konnte, macht. Ein doppeltes Schattenspiel am Boden verstärkt jede einzelne seiner bedachten, fließenden Bewegungen. Zugleich ergibt dies eine intelligente, dramaturgische Klammer zur selben Lichtgestaltung am Anfang seines Auftrittes. Stand dabei jedoch eine kleine Erzählung des indonesischen Epos im Mittelpunkt, das von der Liebe zweier jungen Menschen erzählt, bleibt nun nur mehr die Konzentration auf Riantos Körper, auf das Muskelspiel, auf das Glänzen seiner Haut, auf die mit Bedacht gesetzten Schritte und Bewegungen. An einer Stelle weht noch ein Klanghauch indonesischer Musik in die zeitgenössische Soundcloud; ein dezenter Hinweis auf Riantos eigene Idee der Verschränkung von historischem Material mit heutigem Bewegungsvokabular.

Es ist nicht mehr wichtig, ob hier ein Mann oder eine Frau tanzt. Es ist ein Mensch, der sich wunderbar zu bewegen weiß und der auf den Bühnen von Asien und Europa das Publikum verzaubern kann. „Ich bin so beeindruckt von dem Haus, ich weiß noch gar nicht, wie sich das auf meinen Auftritt auswirken wird.“ Diese Bedenken, zwei Tage noch vor seinem Auftritt geäußert, hat der Künstler in pure Energie verwandelt, die das Publikum zu langen Ovationen hinriss.


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