Im Wirrwarr der Nationalitäten

Miroslav Klose, Lukas Podolski, Dieter Hildebrandt und Wolfgang Thierse haben etwas gemeinsam: Sie wurden in Schlesien geboren und in Deutschland berühmt. Die einen (Thierse und Hildebrandt) sind nach dem Zweiten Weltkrieg aus ehemaligen deutschen Gebieten geflüchtet, die anderen verließen in den 1980ern das kommunistische Polen Richtung Bundesrepublik. Alle vier wurden zu einem Teil der deutschen Kultur – Klose und Podolski spielen sogar in der Nationalmannschaft.

Und doch ist vor allem für die beiden Fußballer das Verhältnis zwischen Heimat Ost und Heimat West nicht einfach. Man konnte das sehen, als Podolski bei der EM 2008 zwei Tore gegen Polen schoss und nach den Treffern eher traurig wirkte als glücklich. Oder als Miroslav Klose beim Freundschaftsspiel in Danzig von den polnischen Fans ausgepfiffen wurde, woran er so schwer zu beißen hatte, dass er eine ganze Reihe hochkarätiger Chancen versemmelte.

Die polnisch-deutsche Geschichte ist lang und zu großen Teilen nicht gerade von Freundschaft geprägt. An einer Region, die mehrere nationale Grenzen sprengt, zeigen sich die Probleme der nationalen Identität immer wieder. Schlesien gehörte in seiner Geschichte mal zu Polen, mal zu Deutschland und erstreckt sich heute über die deutsche, polnische und tschechische Grenze hinweg. Dabei hat sich im Laufe der Jahre nicht die Region Schlesien verändert, sondern die Nationalgrenzen.

Übergriffe auf Deutsche sind häufig

Der größte Teil Schlesiens mit den Städten Breslau, Kattowitz und Oppeln gehört heute zu Polen. Hier leben etwa 8,5 Millionen Menschen. Schätzungen der deutschen Botschaft zufolge sind 300.000 davon Deutsche. Die deutschsprachige Minderheit sieht sich immer wieder Angriffen polnischer Nationalisten ausgesetzt. Erst im Oktober war ein Gebäude der nationalen deutschen Minderheit beschädigt und ein Auto eines Vereinsmitarbeiters mit Hakenkreuzen beschmiert worden. In dem jungen Nationalstaat Polen werden viele Ressentiments gegenüber der deutschen Minderheit geschürt – oft auch gegen Schlesier im Allgemeinen.

Die Polen werfen ihnen vor, sich vom Land abtrennen zu wollen, um einen eigenen Zwergstaat zu gründen. Oder – in ihren Augen noch schlimmer – um sich Deutschland anzugliedern. Unter Mitgliedern von Vertriebenenverbänden existieren solche Gedanken durchaus. Aber moderne Schlesier ticken anders. So wie Robert Starosta, Vorsitzender des Vereins für kulturelle Autonomie Schlesiens. «Eine Abspaltung, ein Separatismus findet nicht statt», sagt Starosta im Gespräch mit news.de. «Das wird von Gegnern der schlesischen Autonomie propagiert, um unser Anliegen bewusst in ein falsches Licht zu stellen.»

Schlesier sehen sich oft dem Vorwurf ausgesetzt, zwischen zwei Welten zu stehen – oder zumindest zwischen zwei Nationalitäten. Für Polen sind sie verkappte Deutsche, für Deutsche sind sie verkappte Polen. Genau diese Vorurteile wollen viele aber bekämpfen. Sie sehen sich weder als Polen noch als Deutsche, sondern eben als Schlesier. Deshalb ringen sie seit Längerem um die Anerkennung als eigene Volksgruppe.

Schlesische Autonomie ist realistisch

In Polen ist die Situation jedoch komplex: Die Bewegung für die Autonomie Schlesiens, RAS, eine Gruppe von in Polen lebenden Schlesiern, fordert Autonomierechte und hat mit ihrem Programm zunehmend Erfolg. Vor wenigen Wochen erkannte erstmals ein polnisches Gericht die Registrierung des nationalen Schlesier-Verbandes an. Schlesien soll ähnliche Selbstverwaltungsrechte erhalten wie beispielsweise die spanischen Gebiete Katalonien und Baskenland: die Steuern selbst erheben, Bildungshoheit innehaben und die Polizei selbst stellen.

Der Grund dafür ist einfach. «Oberschlesien ist nach Warschau die reichste Region in Polen», erklärt Robert Starosta. «Zugleich wird den Schlesiern Untreue dem polnischen Staat gegenüber unterstellt, sie werden verunglimpft und sogar für Polen zweiter Klasse gehalten.» Dass sie Steuern für ganz Polen zahlen, zugleich aber diskriminiert werden, sehen viele Schlesier nicht ein. Deswegen verfolgen sie zunehmend erfolgreicher ihr Autonomiebestreben. «Die Anerkennung der Schlesier als nationale Minderheit in Polen ist ein wichtiger Schritt Richtung Autonomie», sagt Starosta.

Der nächste Schritt sei nun, Oberschlesisch als eigenständige Regionalsprache anzuerkennen und zu kodifizieren und nicht als Dialekt abzutun. Die nationalen Grenzen wollen die Schlesier jedoch nicht anzweifeln. «Uns geht es um die Idee von einem Europa der Regionen. Wir versuchen grenzüberschreitend Identität zu schaffen, ohne dabei die Grenzen zu ignorieren oder gar abschaffen zu wollen.»

Quelle:
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Politik Nachrichten -
Schlesische Autonomie – Im Wirrwarr der Nationalitäten


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