Im weißen Rössl – Wehe, du singst!

Kino Im-weißen-Rössl-Wehe-du-singst!-©-2012-Constantin(14)

Veröffentlicht am 4. November 2013 | von Gastautor

Wertung

Summary: Massentaugliche Neuverfilmung, deren Stilmittel Überzeichnung heißt, die aber wenig wirklich witzige Momente hervorbringt

Musical

Der Regisseur Christian Theede hat sich einer Neuverfilmung des Klassikers Im weißen Rössl angenommen und erweckt im Salzkammergut am Wolfgangsee eine pastellfarbene Kitschwelt, gegen die, so die Protagonistin Ottilie, Nordkorea und Disneyworld wirklichkeitsnah erscheinen würden. Der Untertitel Wehe, du singst wird – natürlich – nicht eingehalten: auch in der Neuauflage werden aufs Munterste Lieder geträllert, Choreographien getanzt und Schuhplattler-Boxkämpfe aufgeführt.

Aber zurück zum Anfang: Schon der Filmbeginn erinnert stark an eine vorhersehbare zweitklassige TV-Produktion im Hauptabendprogramm. Ottilie (Diana Amft) arbeitet in Berlin in einem sterilen Bürojob, die nächste Abgabe naht, es regnet, die Welt ist grau. Zu alledem stellt sich dann auch noch die Essenseinladung ihres Freundes Nobbe (Ben Ruedinger) nicht als der ersehnte Heiratsantrag heraus, sondern als flapsig vorgetragener Schlusspunkt der Beziehung (O-Ton: „Heute heiraten doch nur noch Schwule!”). Als dann auch noch ihr Vater Wilhelm (Armin Rohde) vor der Haustür steht und sie überreden möchte mit ihm nach Österreich an den Wolfgangsee zu fahren, um dort die Asche der verstorbenen Mutter, an einem Ort mit „besserer Aussicht“ zu verstreuen, stimmt sie widerwillig zu, ihn zu begleiten. Kaum überqueren sie die Grenze zum Salzkammergut, durchbricht strahlender Sonnenschein die Wolkendecke, Doppelregenbögen hängen im Himmel und eine Familie, die geradewegs aus The Sound of Music entstiegen sein könnte, wandert singend durch die malerische Landschaft.

Überzeichnung fungiert hier als Stilmittel und so wird auch recht inflationär mit stereotypen Heimatbildern um sich geschmissen. Das „weiße Rössl“ entpuppt sich – je nach Perspektive – als Märchenidyll oder als „Kitschpostkartenhölle“ (Ottilie). Da gibt es die tanzenden Küchengehilfen und dirndlbekleideten Zimmermädchen, den singenden Oberkellner Leopold (Fritz Karl), der – vorerst – hoffnungslos in die gestrenge Hotelbesitzerin Josepha (Edita Malovcic) verliebt ist und natürlich den geschniegelten Dr. Otto Siedler (Tobias Licht), ein Romantiker von Vorvorgestern, der sich unsterblich in das, ach so rebellische, Berliner Gör verliebt und ihr unablässig den Hof macht.

Hauptdarstellerin Amft, bekannt aus dem Teenie-Film Mädchen Mädchen und aus der TV-Serie Doctor’s Diary spielt die skeptische Berlinerin, die der ganzen Idylle zunächst suspekt gegenübersteht. Die schnoddrig-freche Art nimmt man ihr aber nicht wirklich ab, zu langweilig der immer gleiche Gesichtsausdruck. Die neuinterpretierten Lieder, die zum Teil mit einer gehörigen Portion Beats und Bässen modernisiert wurden, erinnern mit ihren opulenten und überzeichneten Choreographien zum Teil an Neuverfilmungen im Stile Baz Luhrmanns (The Great Gatsby, Moulin Rouge). Es wird auch nicht an platten Animationen gespart: Versucht sich Dr. Siedler an einer weiteren Schnulze für Ottilie fährt ein goldiger Mondball gen Himmel und die Sternschnuppen explodieren im Sekundentakt. Das kann man unterhaltsam finden. Oder auch nicht.

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Es gibt dann aber doch noch Personen und Szenen, da funktioniert die Übertreibung und man kann sich das Grinsen nicht verkneifen: Wie bei dem schönen Sigi Sulzheimer (fantastisch schmierig: Gregor Bloéb), der als radebrechende Mischung aus hüftschwingendem Arnold Schwarzenegger und Frank Stronach erscheint und im “Hüttengaudi-Style” die Alm rockt. (O-Ton: „Was kann der Sigi denn dafür, dass er so schön ist?“). Auch der ungefähr zehnminutenlange Schuhplattler Wettkampf im Boxring als Balzshow mit allerlei Slow-Motion- und Körpereinsatz ist eine technisch aufwendige und schön parodistische Sequenz.

Der Stoff des „weißen Rössl“ blickt auf eine lange Geschichte zurück. Ursprünglich 1896 von Oskar Blumenthal und Gustav Kadelburg als Theaterstück konzipiert, mutierte es in den 1920ern von Ralph Benatzky in ein Singspiel umgewandelt zum Welterfolg. Von mittlerweile sieben (!) Verfilmungen ist wohl den meisten die Version von 1960 mit Peter Alexander als Oberkellner Leopold in Erinnerung geblieben. Ganz klar wird die Motivation einer weiteren Neuverfilmung jedoch nicht. Die „inhaltliche Tiefe“ von der z.B. Theede in einem Interview spricht, ist nicht erkennbar und kritische Elemente das Phänomen des Tourismus betreffend mögen zwar in den älteren Versionen in Ansätzen vorhanden sein, hier ist davon jedoch nichts zu sehen. Und auch auf gesellschaftlicher Ebene gibt es keinerlei spannende Neuorientierungen, im Gegenteil, Ottilie wird lediglich eine kurze „Trotzzeit“ zugestanden, bevor sie sich dann endlich doch der wahren Liebe öffnet. Und das kurz nachdem ihr Dr. Siedler seine Erkenntnis gesteht: „eine Frau ist keine Krawatte, die man sich einfach um den Hals binden kann“. Naja.

Regie: Christian Theede, Drehbuch: Jan Berger
Darsteller: Diana Amft, Tobias Licht, Fritz Karl, Edita Malovcic, Gregor Bloéb, Armin Rohde
Laufzeit: 90 Minuten, Kinostart: 08.11.2013, imweissenroessl.senator.de

Tags:2 von 5Christian TheedeConstantin FilmDiana AmftFritz KarlMusicalRemakeRomantikkomödieTobias Licht

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