Im Tal der …

Im Tal der … Von Trinidad fährt ein Dampfzug ins Tal der Ingenios. Ingenios, „Ingenieurswerke“, wurden im 19.Jahrhundert die Zuckerrohrplantagen mit zugehörigem Verarbeitungsbetrieb genannt. Damals empfand man das als „High Tech“, die übliche deutsche Übersetzung „Tal der Zuckermühlen“ ist also etwas blass. Auf der Zugfahrt erklärt mir der Weichensteller, dass noch in seiner Jugend überall Zuckerrohr stand, heute aber die Zuckerproduktion weitgehend zum Erliegen gekommen ist. Der Zug macht zwei Stopps an alten Plantagen, die aber außer jeweils einem kleinen Restaurant in dem alten Herrenhaus nicht viel zu bieten haben – der Dampfzug (der allerdings mit Öl, nicht mit Kohle befeuert wird) ist das Interessanteste an dem Ausflug. An der Endstation in Guachinango mache ich noch ein paar Fotos, während die anderen Passagiere aussteigen. Da fährt der Zug auch schon wieder an, und ich muss wohl oder übel mitfahren. Der Zug hält an der nächsten Weiche, der Weichensteller stellt die Weiche und lädt mich dann auf die Lokomotive ein. Der eine der beiden Lokführer räumt bereitwillig seinen Sitz für mich und bedient die Maschine im Stehen (dafür erwartet er natürlich ein Trinkgeld, und das bekommt er auch). Ein zweiter Lokführer sitzt auf der anderen Seite des Kessels mit einem Jungen auf dem Schoß (es sind noch Schulferien). Da die ganze Maschine nicht so wirkt, als ob sie perfekt gewartet wäre, frage ich mich, wie häufig wohl Explosionen von Dampfkesseln vorkommen. Aber es überwiegt doch die Faszination: Eine Technik, wo man noch richtig sehen und hören kann, wie es funktioniert, wo es noch schnauft und keucht, wo man noch unterwegs Wasser und Feuerholz aufnehmen muss (Das Feuerholz dient bei Betriebsbeginn zum Anwärmen, bei moderneren Dieselmotoren heißt das „Vorglühen“.)

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Und wo die Kühe noch von den Schienen springen, wenn der Zug kommt.

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Über die nächste Weiche fährt der Zug zunächst vorwärts, dann wird die Weiche umgelegt und der Zug fährt rückwärts auf das andere Gleis, das nach einiger Zeit wiederum zu einer Weiche führt. Diese überfährt der Zug zunächst rückwärts, dann vorwärts auf das dritte Gleis, das nach Guachinango zurückführt. Auf diese Art ist der Zug 20 Minuten lang in einem Dreieck gefahren, nur um die Fahrtrichtung zu ändern und wieder vorwärts nach Trinidad zurückfahren zu können. Wahrscheinlich träumt der Junge davon, auch mal Lokführer zu werden. Angesichts der Hitze vom Kessel und des Fahrtwindes bin ich nicht ganz sicher, ob ich ihm das wünschen soll.

Vor zwei Jahren war ich mit Br.Cyrille und Br.Martin auf einem „Ingenio“ in Venezuela. Es hatte dem berühmten „Befreier“ Südamerikas von der spanischen Kolonialherrschaft, Simón Bolívar, gehört, und so heißt der Ordner mit den Fotos auf meinem Computer „Bolivars Plantage“. Cyrille hat seinen Ordner dagegen einfach „Sklavenhalter“ genannt – ein interessanter Wechsel der Blickrichtung. Unter den Sklaven, die auf den Zuckerrohrplantagen arbeiten mussten, waren schließlich viele Angehörige seines Volkes, vielleicht sogar seiner Familie. Wenn man bedenkt, dass die Sklaven nach durchschnittlich acht Jahren Zwangsarbeit an Erschöpfung starben, dann sollte man „Ingenio“ vielleicht besser mit KZ übersetzen – heute für Touristen romantisch verklärt. Und so lange her ist das noch nicht, die Sklaverei wurde auf Kuba weniger als 50 Jahre vor der Errichtung des KZ Dachau aufgehoben. Ob man sich heute wohl in der Stadt Dachau einen Laden vorstellen kann, der auf seinem Ladenschild einen KZ-Wachturm zeigt, oder ein Restaurant, in dem der Wandschmuck KZ-Insassen bei der Zwangsarbeit zeigt ?
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Das letzte Foto zeigt den Blick vom alten Wachturm über das „Tal der KZs“.

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