Dreimal Neuvorstellung, dreimal Solaris Empire.
Manchmal reichen schon 20 Sekunden, um sich einem Lied mehr entziehen zu können. Lasse Matthiessens "Celluloid" ist zum Beispiel so eins und so kommt es, dass sich der Bänkelsänger mal wieder mit drei eher vielversprechenden Künstlern des sympathischen Berliner Labels beschäftigen durfte.
Fangen wir mit dem munter zwischen Berlin und Kopenhagen hin und her pendelnden Lasse Matthiessen an, dessen aktuelles Album "Dead Man Waltz" am 27.04.2012 veröffentlicht wurde. Matthiessen macht Bänkelsänger-Musik par excellence, sein mal schwermütiger, mal leichtfüßiger Mix aus erzählerischen Folksongs und einnehmenden Americana-Stücken changiert hierbei immer wieder hin und her. Das eröffenende "Celluloid" zum Beispiel nimmt mit kraftvollen Streichern die sanfte Stimme des Songwriters gefangen und lässt so einen Spannungsbogen entstehen, der auf hohem Niveau durchaus noch Ausreisser nach oben bietet. Das zerbrechliche "Black Queen" zum Beispiel oder das fabelhafte Gespann aus dem Titeltrack und dem vorangehenden "In The Dead Of The Night". Letztes ist als erste Single geradezu charakteristisch für die Stimmung des gesamten Albums, mit bittersüßer Dramatik und ausdrucksstarkem Refrain. Aber auch nach hinten hinaus verliert "Dead Man Waltz" nicht an einnehmender Verführung. Das beinahe karg vor sich hin fließende "Chasing Wolves" erinnert hier an Matt Bauer, mit den beiden letzten Songs wird eine beinahe schon countryeske Eingängigkeit geschaffen, die Matthiessen ruhig, besonnen, doch immer pointiert zum Ausdruck bringt. Ein feines, melancholischönes Stück Musik, dass trotzdem aufrüttelt und Lust auf mehr macht.
Neben Lasse Matthiessen findet sich mit Grimoon ein weiterer Act eher folkloristischer Natur im aktuellen Schnelldurchlauf wieder. Weitaus dunkler, wenn gleich nicht farbloser gleitet die herzzereißende Stimme der Französin Solenn Le Marchand durch die acht Stücke von "Le Déserteur", dem bereits Mitte April veröffentlichen Albums des musikalisch als auch visuell sehr regen musikalischen Projekts. Fast ausschließlich wurde bis dato auf Französisch oder Spansich gesungen, nun findet sich auch ein englisches Lied "Directions" auf dem Album, dass sich klangliche Vorbilder irgendwo zwischen Black Heart Procession, Paul Roland und Arcade Fire gesucht zu haben scheint und da der Sänger Pall Jenkins eben von "The Black Heart Procession" für die Produktion verantwortlich war, klingt "Le Déserteur" eben durchaus nach sehnsüchtelnder Dunkelheit, zerbrechlichen Nebelschwaden und kunstvollem Gespinst. Höhepunkt des Album ist der letzte Song "Tango De Guerre", eine in dunkelrotem Schimmer liegende Geschichte gegen das Vergessen, das in seiner chansonesken Gewalt auch ein Nachdenksong, von z.B. 17 Hippies hätte sein können. Prädikat: wertvoll.
Etwas ratlos hingegen lässt mich das am 08.06.2012 erscheinede Album "M.i.p.V II" von Músicas intermináveis para Viagem (M.i.p.V) zurück. Die Band, um die brasilianische Sängerin Laura L. macht Musik, die einem aufmerksamen Hörer sicherlich eine Vielzahl an spannenden Momenten bereithält, leider fehlen hier dem Bänkelsänger die klaren Aufmerksequenzen. Die Titel versprechen eigentlich eine spannende Reise, heißen die Stücke doch zum Beispiel "Der Gesang des freien Raben" oder "Berliner Passage", allein die ambienten, postrockenden Strukturen, die sich irgendwo zwischen abgeschliffener Portishead-Brillianz und instrumentalem Sommermorgenblues ansiedeln lassen, lassen den Funken zu häufig nur leise weiterglimmen. Es gibt mit Sicherheit ein audiophiles Publikum, das dann auch den einzigen Gesangspart auf "M.i.p.V II" bei "Medo da Morte" goutieren wird, leider bleibt im Ohr des Bänkelsängers' zumindest nicht ganz so viel wie sonst zurück. Einen Ohrenöffner gibt's trotzdem: