Im Schmollwinkel der Sozialromantik

Schon immer gab es Menschen, die bemüht waren, politische Verhältnisse für die Mehrheit zum Besseren zu wenden. Sie alle sind gescheitert. Mit Romantik hatte das Ansinnen dieser Menschen hingegen wenig zu tun. Sie handelten vielmehr, der Not gehorchend, mit Ernsthaftigkeit und Pragmatismus

stop acta

Unter dem Pflaster liegt der Strand

Kommentar – Als ich bereits nach meinem dritten Beitrag ganze fünf Besucher auf meinem Blog zu Gast hatte, konnte ich es kaum glauben. Das war mehr, als ich damals erwartet hatte. Heute, drei Jahre später, sind es deutlich mehr. Dennoch bin ich mir inzwischen darüber im klaren, dass ich nichts nachweisbares bewirken werde, verglichen mit den großen Medienverlagen. So wie mir geht es fast allen, die sich tagtäglich im Netz engagieren, zeitaufwendig und zum Nulltarif. Und dennoch, es lohnt sich, denn wir wirken, wenn auch anders, als erwartet.

Die allermeisten Blogger und Netzaktivisten sind sich der Begrenztheit ihres Tuns wohl bewusst. Dennoch handeln sie, einem inneren Drang folgend. Und auch wenn sie, objektiv betrachtet, mit ihrem Tun zum Scheitern verurteilt sind, bewirken sie dennoch mehr als sie denken. Angesichts der eigenen Schwäche nicht zu resignieren und dennoch zu handeln, darin liegt die Größe, aber auch die Wirksamkeit ihres Tuns. Denn Aufklärung verhält sich reziprok zu Propaganda. Während letztere von oben diktiert wird und ähnlich einem Hammer die Schädel der Rezipienten durchschlägt, neigt der Geist der Aufklärung vielmehr dazu, in das gesellschaftliche Bewusstsein hinein zu diffundieren. Dabei wird er zugegeben sehr verdünnt. Dennoch hinterlässt er in den Köpfen der Menschen eine bleibende Veränderung.

Dieser Prozess ist älter als das Netz. Die Aussteiger aus den 70er Jahren haben ihr neues Weltbild aus Goa oder Katmandu ebenso in diese Gesellschaft hineingetragen, wie Offiziere, die sich kritisch mit ihrem Auftrag auseinandersetzen. Man erinnere sich nur an General Bastian, der zusammen mit Petra Kelly ermordet wurde, weil er die Seiten gewechselt und sich der Friedensbewegung angeschlossen hatte. Nicht zu vergessen die Wirkung, die Rudi Dutschke und Benno Ohnesorg im Bewusstsein der Menschen dieses Landes hinterließen. Oder in neuerer Zeit die Interviews, die der Richter i.R. Rudolf Heindl zum Fall Gustl Mollath gegeben hat und in denen er seine Ex- Kollegen unzweideutig der Rechtsbeugung bezichtigt.

Erkannt hat dies auch Zbigniew Brzezinski, unter Reagan ein hochrangiger Regierungsberater und Analyst. Er galt schon immer als einer der fähigsten Köpfe seiner Zeit. In seinem Buch ‘The Grand Chessboard’ aus dem Jahre 1998 sieht er die weltweite Vorreiterrolle der USA noch als unabwendbar an. Auf der einen Seite Russland als failed state. Dem gegenüber die stolze, glorreiche Supermacht USA, die mit ihrem strahlenden Heiligenschein das Licht der Demokratie in die dunkelsten Ecken unserer Zivilisation hinein trägt.

Heute freilich sieht Brzezinski die Dinge mit anderen Augen. Beispielsweise in seiner letzten Neuerscheinung aus dem Jahre 2012 mit dem Titel ‘America and the Crisis of Global Power’. Schuld daran ist das Internet. Der bislang größte Fehler der ehrenwerten Gesellschaft, wie David Rockefeller einst zugeben musste. Brzezinskis Position zum Nahen- und Mittleren Osten, aber auch zu all den aufstrebenden Drittstaaten beschreibt insbesondere das folgende Zitat:

  • „Das politische Erwachen, das die arabische Welt, aber auch andere Regionen, kennzeichnet, lässt die Menschen heute besser verstehen, wie die USA ihre Macht in der ganzen Welt ausüben. Sollten die USA oder die Nato im Nahen Osten einen neuen Krieg beginnen, würde dies eine Welle des Antiamerikanismus’ hervorrufen, durch die der Westen fast jeden Einfluss in der Region verlieren könnte. Angesichts des neuen politischen Bewusstseins der Weltbevölkerung sind Kriege schlichtweg keine Option mehr.“

Diese Aussage ist deshalb so bemerkenswert, weil sie einen klaren Bruch mit dem bisherigen Kurs der Neocons darstellt. Jenen Deregulierern und Großgeldmachern, die ihren wirtschaftlichen Aufstieg vor allem der zutiefst inhumanen, faschistoiden Ausprägung ihrer kapitalistischen Verwertungslogik verdanken. Auf Kosten der großen Allgemeinheit, versteht sich. Eben jene Mächte sehen sich in zunehmendem Maße vom Internet bedroht. Aber der Geist ist aus der Flasche und so gut wie unbezwingbar. Es ist einfach nicht möglich, Zahnpasta in die Tube zurückzudrücken.

Zurück zum Netz. Die Angst vieler Netzaktivisten, sich sinnlos in einem Informationsghetto inzestös zu verausgaben, spielt der herrschenden Klasse beispiellos in die Hände. Umso wichtiger ist es daher, einen Geist im Netz zu erschaffen und zu erhalten, der Mut gibt, der das Durchhalten erleichtert und Geschlossenheit vermittelt durch digital gelebte Gemeinsamkeit. Kein Mensch hat den IQ von Plankton, auch wenn es mitunter anders erscheinen mag. Und wer lesen kann, der kann auch lernen. Die Informationen bleiben nicht im Netz. Kollegen, die auf der Arbeit miteinander kommunizieren oder beim gemeinsamen Bier am Feierabend. Es gibt Vereine, Freundeskreise und Schulklassen, voll von Menschen, die sich tagtäglich gegenseitig informieren. Der Prozess dauert, wird oft nicht mal als solcher wahrgenommen. Dennoch sickert mehr und mehr des neuen Aufklärungsbewusstsein in die große Masse hinein. Man kann dies durchaus als Wissensdiffusion bezeichnen. In winzig kleinen Schritten, jedoch unaufhaltsam, entwickelt sich das neue Bewusstsein der Weltbevölkerung. Dies ist mitnichten eine Revolution. Es ist Evolution, und die sucht sich unbeirrbar ihren Weg. Unseren Weg.



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