Im Postschröderianismus

oder Die Folgen der Basta-Politik.
Mitgliedervoten und Parteibeschlüsse sind in der SPD gegenwärtig hoch im Kurs. Man scheut die Rücksprache mit der Basis nicht mehr, wie noch in Zeiten der Basta-Despotie Schröders. Leider ist das aber kein Anzeichen einer nachhaltigen Demokratisierung politischer Entscheidungen. Eher die Einsicht, dass man sich auf die postschröderianischen Mitglieder verlassen kann.
Im PostschröderianismusEndlich hat sich wieder etwas wie demokratische Grundhaltung in die deutsche Sozialdemokratie eingeschlichen. Zwar sagt der Parteivorsitzende »Basta!« im Bezug auf CETA und TTIP, aber ohne Parteibeschluss wird es dann wohl doch nicht abgehen. Das hat er versichert. Die Sozis machen zehn Jahre nach Schröder wenig, ohne vorher nach dem Rückhalt in der Partei oder an der Basis gefragt zu haben. Man denke nur mal an das Mitgliedervotum zur Großen Koalition. Als neutraler Beobachter möchte man da fast schwärmen, dass die Parteispitze aus der Zeit der Basta-Despotie gelernt hat. Damals hat sie die Parteimitglieder schamlos von oben herab erpresst. Jetzt fragt sie vorher an, Alleingänge sind nicht mehr in Mode. Mitsprache ist wieder progressiv.

Ich persönlich glaube tatsächlich, dass die SPD dazugelernt hat. Nur vielleicht nicht ganz so, wie man das oberflächlich betrachtet meinen könnte. Es geht nicht um Re-Demokratisierung. Man hat einfach nur erkannt, dass der freie Wille der Parteimitglieder durch Schröders Wüten so gelitten hat, dass »der Sozi« alles unterzeichnet, was man ihm in einiger Dringlichkeit unterschiebt. Die ganze Basta-Masche ist gar nicht mehr notwendig. Man hat ja mittlerweile domestizierte Selbstentscheider. Der Mann kam ja auch wie eine Naturgewalt über die Partei und höhlte die Überreste der alten Sozialdemokratie aus. Er hat sie abgerichtet, den Willen gebrochen und an seiner Stelle irgendein komisches Gefühl des Gruppenzwangs gesetzt, das keinen Raum für Entscheidungen lässt, sie sich arg von den Interessen der Parteispitze abheben. Diese Partei ist nachhaltig eingeschüchtert. In den Schröder-Jahren haben die Sozis ihre politische Autonomie abgegeben und als Ersatz diesen Typen erhalten, der mit Maschmeyer und »Bild« regierte. Als er dann weg war, hatten sie gar nichts mehr. Parteilinke waren gebrochen oder mürbe und die Genossen waren Wachs.
Das Mitgliedervotum vor einem Jahr war ein blendendes Beispiel dafür. Der Druck war seinerzeit groß. Die Medienanstalten orakelten schon von Neuwahlen, Weimarer Verhältnissen und den Niedergang der politischen Kultur. Wenn sich die Sozis dagegen aussprechen würden, dann wäre es mit dieser Partei endgültig aus. Denn bei Neuwahlen würde der große Einbruch kommen; die Wähler würden dann einsehen, dass diese Partei schwer an Verantwortungslosigkeit leide. Überall las man deshalb vorab, wie das Votum auszufallen habe. Es gab kein Deuteln an der allgemeinen Erwartungshaltung. Geschworene werden bei Justizfällen, die die Medien schwer beschäftigen, während ihrer »Einsatzzeit« isoliert und von der Öffentlichkeit separiert - um nicht beeinflusst zu werden. Man müsste den Entscheidern im Rahmen dieser neuen »Wir-fragen-euch-vorher-Mode« der SPD eigentlich auch jegliche Zeitung vorenthalten.
Die SPD besteht noch immer zu einem Gutteil aus Personen, die den Schröderianismus erlebt haben. Und die Parteispitze setzt sich aus Leuten zusammen, die aktiv in die rigorose Durchsetzung der Agenda 2010 verwickelt waren. Allen voran der heutige Vorsitzende. Er führt sich zuweilen genauso arrogant auf, wie sein damaliger Boss. Schreit »Basta!« und merkt dann, dass er das gar nicht mehr braucht. Irgendwann war Tauwetter angesagt, Erpressungsversuche und Drohungen waren nicht mehr nötig. Man wollte sich ja auch vom alten Kurs abheben. Und man hatte begriffen, dass die Parteibasis indes so paralysiert ist von den vielen Alleingängen der Spitze und von der Preisgabe letzter sozialdemokratischer Werte, dass man die Mitglieder durchaus unbequemen Fragen aussetzen konnte. Sie würden bei sachgerechter medialer Vorberichterstattung schon alles absegnen, was man ihnen vorlegt. Da ist so viel Resignation und Fatalismus, dass man keine Überraschungen fürchten musste. Kein Wunder, denn jede innere Opposition gegen Schröder wurde medial unter Beschuss genommen. Das hat geprägt. Hätte Schröder damals nicht »Basta!« sondern »Wollt ihr die Agenda überhaupt?« gerufen, vielleicht sähe es heute anders aus.
Aber so ist der Postschröderianismus eine innerparteiliche Ära, in der durch die Vergangenheit so viel rebellische Substanz, so viel freidenkerische Chuzpe und so viel linke Ansätze zerstört wurde, dass man jetzt kein »Basta!« mehr braucht. Jetzt lässt man mitreden. Sie werden eh mitziehen. Wenn nur genügend Gazetten drucken, dass CETA und TTIP die letzte Ausflucht sind, um wettbewerbsfähig zu bleiben, dann werden schon positive Parteibeschlüsse dabei herauskommen.
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