Im Passgang zum Pokal

Im Passgang zum PokalZum Kampf der Giganten sind sie natürlich alle wieder da. Der Finanzminister, ein Fan bei allen passenden Gelegenheiten. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzender, der als künftiger hallesche Oberbürgermeister sein Fandebüt gibt. Und auf der Gegenseite der Ministerpräsident, der dem Koalitionspartner selbstverständlich nicht kampflos das Feld überlassen kann. In Nebenrollen dann noch die zwei Mannschaften - der Außenseiter Grün-Weiß Piesteritz hier, der Favorit Hallescher FC dort.
Wie das Land, so das Jever, hieß es früher in einem Werbespot für gallebitteres Bier. Wie das land, so das Landespokalfinale, könnte über diesem Endspiel 2011 stehen, das in Dessau stattfinden darf, weil der 1. FC Magdeburg diesmal durch Fehlen glänzt. Vierte Liga gegen sechste Liga, höher hinaus geht es im Fußballarmenhaus Sachsen-Anhalt nicht. Das Ambiente ist entsprechend: Die Anzeigetafel bleibt ausgeschaltet, denn hier kann das Publikum sich den Spielstand noch merken. Ehe es losgeht, räumen Order einen Teil der Tribüne für die Ehrengäste. Plätze zu reservieren, hatte man wohl vergessen. Dafür darf das politische Magdeburg in seinen großen Öko-Limousinen aber wenigstens bis zum Vip-Zelt vorfahren. Denn es regnet kurz vor Anpfiff, so muss der Rasen zumindest nicht künstlich gesprengt werden.
Die Rollen auf dem Rasen sind klar verteilt. Piesteritz ist froh, hier sein zu dürfen. Halle muss gewinnen, um mit dem dann sicheren DFB-Pokalgeld die Lizenz für das nächste Oberligajahr zu sichern. Die in Permanentmarker-Grün gekleideten Außenseiter legen denn auch los wie die Forstwacht. Angeführt vom 39-jährigen Ex-HFC-Abwehrrecken Wellington da Luz stürmt Piesteritz, als wolle man in der ertsen halbzeit alles klar machen. Bei 3:0 Ecken für den Außenseiter steht die Partie nach einer Viertelstunde, Halle scheint verblüfft. Nachdem er mit einer Riesenparade einen Kopfball wegfausten muss, schimpft Torwart Darko Horvat mit seinen Vorderleuten. Der künftige Oberbürgermeister liest auf dem Handy Emails. Die Staatsgeschäfte müssen ja weitergehen.
Irgendwie hilft es. Nachdem Wiesegart verletzt raus muss, beruhigt der Favorit das Spiel. Mast hat eine Riesenchance, das eckenverhältnis gleicht sich allmählich aus. Nach einer halben Stunde ist der Fahrplan für den Rest des Abends klar: Halle lässt Piesteritz laufen und wartet, dass den Amateuren die Luft ausgeht. Piesteritz versucht, schnell über die Flügel zu spielen, und hofft, dass Wellington hinten alles wegköpft.
Tut er auch. Bis Aydemir flach kommt. 44. Minute, schöner Pass von Lindenhahn auf die Nummer zehn, kurzes Solo, der Piesteritzer Anhang quengelt abseits, der Türke schiebt ein. Der Demnächst-OB springt erfreut auf und grüßt den Schon-Finanzminister mit einer durch die Luft wedelnden Gimme-Five-Hand.
Der restlichen Weg zum Pokalsieg, in den Vorjahren immer ein steiniger Pfad, an dessen Ende eine Würstelbude zum Festbankett lud, legt der HFC diesmal im nervenschonenden Passgang zurück. Der baldige OB schreibt Emails, gibt dann aber seinen Vip-Platz auf der Notehrentribüne auf. Jetzt muss wohl erstmal der Euro gerettet werden.
Gibt auch nicht mehr viel zu sehen. Halle hat alles im Griff, Piesteritz hechelt dem Schlußpfiff entgegen. In der 68. Minute macht ausgerechnet Marco hartmann, der Aufsteiger der Saison in Rot-Weiß, alles klar. Er spielt im Mittelfeld Hauk an, bekommt den Ball am Elfmeterpunkt zurück und köpft ihn unbedrängt ins Netz.
Auf der Anzeigetafel mit der schönen Aufschrift "Sportstadt Dessau" ist immer noch Nacht, aber die Partie ist vorbei. "Ihr klatscht wie früher das ZK", brüllt ein aufgebrachter Grün-Weiß-Fan in Richtung der erfreut händepatschenden Notehrenlounge, doch das bleibt die einzige Fanausschreitung an diesem Abend.
Während der Polizeieinsatzleiter die zusehends langweiliger werdende Lage durch den Einmarsch einer halben Hundertschaft Bereitschaftspolizei anzuheizen versucht, bereitet sich das ZK auf den Auftritt vor, dessentwegen es angereist ist: Pokalvergabe zwecks Präsentation vor dem Wahlvolk. Der Ministerpräsident zieht sich trotzig einen Piesteritzschal an, der Finanzminister orientiert sich Richtung Spielfeldrand. Der Schlusspfiff kommt pünktlich, die HFC-Fankurve tanzt, die Spieler in Rot-Weiß streifen Pokalsieger-T-Shirts über, der als nicht eben hochemotional bekannte hallesche Trainer Sven Köhler fliegt auf den Händen einer Spielertraube in die Luft. Diesmal kein Hoffen und kein Bangen, keine überbordende Euphorie, sondern Abfeiern des Erwarteten. Im Sommer geht es nun für Halle in den richtigen Pokal.


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