Netzagentur will kein AKW als Kaltreserve
Im Notfall soll der Strom aus Kohle kommen
Die Bundesnetzagentur verzichtet auf die Nutzung eines stillgelegten
Atomkraftwerks als Reserve für mögliche Stromengpässe im Winter. Dies
sei für die Stabilität des Netzbetriebs nicht notwendig, teilte die
Behörde in
Berlin mit. In Extremsituationen sollen das Großkraftwerk 3
in Mannheim, das Kraftwerk 2 Mainz-Wiesbaden, Block C des
Steinkohlekraftwerks in Ensdorf sowie das Kraftwerk Freimann in München
als sogenannte Kaltreserve genutzt werden. Auch die Mineralölraffinerie
Oberrhein in Karlsruhe könne als Standort genutzt werden, teilte die
Behörde mit.
Damit stehen Reservekapazitäten in Höhe von 1009
Megawatt zur Verfügung. Der Präsident der Behörde, Matthias Kurth,
versicherte gleichzeitig: "Wenn wir einen milden Winter bekommen, wird
vielleicht kein einziges dieser Kraftwerke laufen müssen." Zudem könnten
zusätzlich auch Reserveleistungen in Österreich mit einer Kapazität von
1075 Megawatt genutzt werden.
Kurth sieht weiterhin Risiken für Versorgungssicherheit
Unter anderem das Großkraftwerk Mannheim soll im Notfall zusätzlichen Strom liefern.
Nach Ansicht Kurths gibt es aber dennoch keinen Grund, Entwarnung
zu geben. "Unstrittig ist, dass mit der Anordnung des Reservebetriebs
noch immer Risiken für die Versorgungssicherheit verbleiben", sagte er.
Eine vollständige Absicherung "gegen jedwedes Risiko" sei "technisch und
wirtschaftlich unmöglich". Vor allem in Süddeutschland werde sich die
Situation bis 2014 nicht verändern. Die jetzt festgestellten
Reservekapazitäten sollten daher auch nach 2013 verfügbar bleiben. "Wir
sollten nicht ständig wieder etwas abschalten, bevor wir etwas
zuschalten", sagte Kurth. Er plädierte dafür, im nordrhein-westfälischen
Datteln die Kraftwerksblöcke 1 bis 3 weiterzubetreiben und Block 4
fertigzustellen. Auch das hessische Kraftwerk Staudinger solle über den
eigentlich vorgesehenen Stilllegungstermin 31. Dezember 2012 hinaus in
Reserve betrieben werden.
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler
(FDP) sieht die Stromversorgung mit der Entscheidung der
Bundesnetzagentur gesichert. Dies sei "ein wichtiges Signal für die
Unternehmen, dass diese sich auch in den kommenden Wintern auf eine
gesicherte Versorgung mit Strom verlassen können", sagte Rösler.
Nach
der politisch erzwungenen Abschaltung von acht der 17 Atomkraftwerke
musste bis zum 1. September entschieden werden, welche zusätzlichen
Kraftwerke in Reserve gehalten werden müssen. Die Netzagentur und die
AKW-Betreiber hatten davor gewarnt, dass es nach der Abschaltung der
Atommeiler insbesondere in Süddeutschland zu Engpässen in der
Stromversorgung kommen könnte, da dort der Strombedarf durch die
boomende Wirtschaft besonders hoch ist.
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Gabi Kostorz (ARD Berlin) zur Bundesnetzagentur und AKW-Kaltreserven, EinsExtra 14:30 Uhr
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Reserve für den kalten Wintertag
Besonders hoch sei das
Risiko für die Stromnetze im Winter. Eine kritische Situation könnte
entstehen, wenn an einem kalten Wintertag viel Energie gebraucht und
gleichzeitig wenig Strom aus Sonne oder Wind gewonnen wird. In einem
solchen Notfall könnte ein Reservekraftwerk schnell hochgefahren werden.
Es hatte auch Überlegungen gegeben, eines der acht bereits
stillgelegten AKW im "Stand-By"-Betrieb zu halten. Das war jedoch
politisch nicht erwünscht. Experten hatten zudem kritisiert, dass es im
Fall von Engpässen zu lange dauern könnte, bis ein Atomkraftwerk wieder
angefahren werden kann und Strom liefert.
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Netzagenturchef Kurth hatte in den
vergangenen Wochen Druck auf die Bundesländer ausgeübt, ausreichende
Ersatzkapazitäten zur Verfügung zu stellen. Am Freitag hatte Baden-Württemberg vorgeschlagen,
durch eine Wiederinbetriebnahme des 45 Jahre alten Blocks 3 des
Steinkohlekraftwerks Mannheim eine drohende Stromlücke zu schließen.
Acht Meiler sollen abgeschaltet bleiben - und die übrigen nach und nach bis 2022 vom Netz gehen.