Im Moment dazwischen.

Von Kapuz

Krakau 08. by kapuz.

(Für E.L. und G.B.)

Die Fenster sind gelb, vielleicht waren sie es schon immer.
Erinnern kann ich mich nicht.

Die graubraune Schaukel weht leise im Wind.
Ganz leicht.
Dass keiner es sieht.

Ich stehe da, mich am Griff meines Koffers festhaltend, wie ich es immer getan habe.
So fest umklammert, dass die weißen Knöchel hervortreten.
Es ist kalt.
Du bewegst deine Lippen, sagst etwas, aber ich kann dich nicht hören. Du stehst am Fenster und schaust mich an.

Aha, das ist sie also, denke ich, und winke nicht zurück.
Sie steht da, mit ihrer Tasse, und einer Zigarette in der anderen Hand. Wie selbstverständlich.
Nichts.
Ich bleibe stehen.

Bis zum Haus sind es nur noch wenige Meter, aber ich will nicht.
Ihr Lächeln ist aufgesetzt, eingefroren.
Sie lächelt.
Warum, frage ich mich.
Gierig zieht sie an ihrer Zigarette, berührt dich leicht am Arm, die Bewegung ist mechanisch. Dann dreht sie sich, peinlich berührt, von mir weg.
Gut so.
Ich mag sie nicht.

Du wirkst fröhlich. Erzählst ausgelassen von irgendeiner Party.
Der Party.
Ich war nicht dabei.
Sie sitzt neben dir, raucht eine nach der anderen, und pendelt zwischen Badezimmer, Sofa und Kaffeemaschine hin und her.

Sie ist eigentlich sehr nett zu mir. Herzlich. Und es wirkt sogar echt.
Ich ärgere mich darüber.
Habe gehofft, sie sei eines dieser Mädchen, die man nach einzwei Wochen wieder wegschmeißen will. Das ist sie nicht.

Ich habe noch gar nichts zu ihr gesagt, mein eisiger Händedruck hat deutlich gemacht, dass wir keine Freunde werden.
Ich ärgere mich.
Über sie.
Über mich.
Über meine Eifersucht.
Habe gar kein Recht dazu.
Schließlich bin ich diejenige, die gegangen ist.

„Waren die Fenster schon immer gelb ?“
Gut gemacht, Lily. Genau daneben.
Scheiße.
Ich will über mich, über uns reden. Aber ich traue mich nicht, anzufangen.
Es ist, als säße die Zeit zwischen uns.

Du freust dich, mich zu sehen. Das hast du gesagt.
Am Telefon.
Und als du mir draußen den Koffer aus der Hand genommen hast.
Wo bin ich eigentlich hergekommen ? Ich weiß es nicht mehr.

Und vorhin noch einmal. Weil du nicht weißt, was du sagen sollst. Du sagst es zu oft. Genau wie sie.
Du freust dich. Und deine Freude ist echt, aber sie bekommt mir nicht.

Ich schaue hinaus, versinke tiefer in der schwarzblauen Sofadecke. Ich will etwas sagen .. jetzt, ich kann nicht.
Lege mir die Worte im Kopf zurecht, will sie aussprechen.
„Ja, Marie wollte sie gelb haben. Deswegen.“

Gelb. Warum gelb, frage ich mich, sage es nicht.

Ich schaue dich nicht an, aber ich spüre, dass du lächelst.
Sie. Mhm.

Mir brennt ein dicker Kloß im Hals, will ihn herunterschlucken. Es geht nicht.
Ich greife nach dem Eistee, den du auf euren Couchtisch gestellt hast.
Will ihn ertränken.
Mich oder den Eistee.
Den Kloß, denke ich, und mich gleich mit.

„Was ist los mit dir?“, fragst du. An die Fensterbank gelehnt, die Hände in Taschen voll Erinnerungen vergraben.
Ich blicke auf die Glasplatte, kann den Boden sehen.

Sage nichts.
Weiß nicht, was.
Blutige Schmetterlinge fliegen mir durch den Kopf, ertrinken auf meiner Zunge und lechzen nach letzten Sonnenstrahlen. Doch der Sommer ist fast vorbei, Asche und Laub.
Ich spucke den Eistee zurück in die Tasse, nichts kann ich da durch sehen.
Wieso habt ihr keine Gläser, denke ich.

Du ziehst die Augenbrauen hoch, bist genervt.
Versuchst es noch einmal.
Setzt dich zu mir hin.
Nein.
Nicht zu mir.
Mir gegenüber.
Dazwischen der Tisch aus Glas.
Und die blutigen Schmetterlinge.

Deine Stimme ist ruhiger als vorhin.
„Was ist denn? Du weisst doch, du kannst mit mir reden“, sagst du.
Aber es klingt nur so.
Eigentlich bist du verärgert.
Jetzt habe ich Angst, etwas zu sagen.
Ich will doch, aber ich kann nicht.

Rieche den Herbst durch die Türen kriechen. Eure tollen gelben Fenster.
Ich weiß, dass du ihr nichts erzählt hast.
Über dich. Uns.
Das, was passiert ist. Das, was dich zu dem Menschen macht, der du heute bist.

Ach, nur ne Freundin von früher. Dieser Satz hat sich in mein Herz gebrannt, mir ist schlecht geworden, schwindlig.
Habe in den Hörer gelächelt, du konntest es nicht sehen, aber es hat verdammt wehgetan.

Und dann hast du dich einfach umgedreht.
Auf einmal.
Einfach so.
Weg.

Du gehst aus dem Zimmer.

„Und ich lerne gerade zu fliegen“, sage ich.
Ganz leise.
Damit du es nicht hörst.

(Krakau, Juni 08)

Danke und nichtdanke to Samson.