[...]Im Iran platzt der IAEA-Report in eine weitere Runde des Machtkampfes zwischen Präsident Ahmadinedjad und dem religiösen Führer, Ayatollah Chamenei. Der hat unlängst laut darüber nachgedacht, das Amt eines Präsidenten entweder ganz abzuschaffen oder diesen vom Parlament wählen zu lassen, um so die religiöse Führung des Landes zu stärken. Chamenei versucht damit, in die Fußstapfen seines Vorgängers und des Gründers der Islamischen Republik, Ayatollah Chomeini, zu treten. Unter dessen Führung gab es nach der Revolution 1979/80 mit einem vom Parlament gewählten Premier und einem direkt gewählten Staatspräsidenten zwei von der Theokratie beherrschte „weltliche“ Machtzentren. Als Chomeini 1989 starb, wurde das Amt des Premiers abgeschafft und das des Präsidenten aufgewertet. Ayatollah Chamenei bekam einen starken, weil direkt gewählten Staatschef zur Seite gestellt. Das war bis 1997 der konservative Pragmatiker und Erzrivale Hashemi Rafsanjani, der eine vorsichtige Öffnung Irans betrieb, von der in wirtschaftlicher Hinsicht nur die neue, klerikale Oberschicht des Landes profitierte. Ihm folgte ab 2005 der Reformer Chatami, dessen demokratische Lockerungsübungen ebenso halbherzig blieben wie seine Versuche, soziale Gegensätze zu entschärfen. Weder Rafsanjani noch Chatami haben die religiöse Autorität des Revolutionsführers offen herausgefordert. Beide waren jedoch stark genug, Chamenei in der Tagespolitik Paroli zu bieten.
Als der Underdog-Populist Ahmadinedjad 2005 unter tatkräftiger Mithilfe Chameneis die Präsidentschaft übernahm, schien es so, als würde die unheilvolle Allianz der Chomeini-Ära zwischen „Radikalen“ und Klerus einen zweiten Frühling erleben. Doch Geschichte wiederholt sich nicht. Chamenei fehlt die religiöse Autorität seines Vorgängers. Und Ahmadinedjad hat das Amt genutzt, um sich mit den von ihm protegierten Revolutionsgarden eine eigene Hausmacht aufzubauen.
http://www.freitag.de/politik/1146-chamenei-attackiert