"Hast Du schon gehört, es gibt in Köln jetzt ein Guerilla Restaurant?!", meinte kurz vor Weihnachten einer meiner Kollegen zu mir, ich verneinte überrascht und er fuhr fort: "Man muss sich vorher online anmelden und wenn man Glück hat bekommt einen Platz, die sind scheinbar andauernd ausgebucht. Es gibt ein 5-Gänge Menü, mit Wein, Wasser, Aperitif und hinter her auch noch Mokka und einen Digestif. Ich hatte überlegt das meiner Frau zu Weihnachten zu schenken – oder aber einen Kochkurs!", ich musste lachen und dachte im selben Augenblick: "Eigentlich wär das doch auch was für Tom!".
Und so kam es, dass wir Anfang Februar gemeinsam mit Freunden das Kouzina Marina, Kölns erstem Guerilla Restaurant einen Besuch abstatteten. Die Anmeldung ist denkbar einfach, einfach die Website aufrufen, nach unten scrollen, Wunschdatum aussuchen, eine Mail samt Datum und Anzahl der Gäste verfassen und absenden. In Kürze erhaltet ihr eine Antwort mit der erhofften Zusage – sollten allerdings alle Plätze schon vergeben sein, gibt's auch eine Absage, denn hier gilt "First come – first served!". Die abendliche Menüfolge nebst genauer Anfahrtsbeschreibung gibt's schließlich einen Tag vor dem Event und geführt hat sie uns auf einen verborgenen kölner Hinterhof mit blau gestrichenen Bierbänken und einer angelehnten, unscheinbaren Tür durch die bereits ein wunderbarer Duft strömte.
"Hi, kommt rein, ihr seid die ersten, ich bin Marinos!", der Auftakt eines rundum gelungenen Abends.
Während wir uns also ein Plätzchen an der langen Tafel im umfunktionierten Weinlager suchten bruzelte, schnippelte und klapperte Marinos in seiner offenen Küche konzentriert weiter. Zwischen wunderbar großen Weingläsern Glasflaschen mit Blumen, neben jedem Gedeck eine Wäscheklammer als Besteckablage, Teelichter in Butterbrottüten als auch hohe Kerzen in Weinflaschen tauchten den Raum in ein gemütlich schummriges Licht und in der Ecke ein laubloser Baum geschmückt mit CD Rohlingen, an einer Wand wurden Weinkisten in die Höhe gestapelt – einfach charmant!
Nach und nach trafen weitere Gäste aller Altersklassen ein – vom Arzt über den Handwerker bis hin zu Studenten hätte jeder Berufsstand vertreten sein können. Aber genau das macht es ja aus, der Reiz des Unbekannten. Kalter Ouzo, Weiß- und Rotwein wurden ausgeschenkt, das Meze Büffet eröffnet und von weiteren fünf Gängen und Gott sei Dank einem Schnaps gefolgt.
Angenehm angeheitert, wunderbar gesättigt traten wir gegen 1 Uhr den Heimweg wieder an und stellten fest, dass es ein insgesamt rund um gelungener Abend war, mit dem Potenzial zu polarisieren, denn je länger wir das kurzlebige Geschehen revue passieren ließen, desto mehr Fragen kamen auf – Wie macht er das nur? Kann er davon leben? Wie lange steht er wohl in der Küche? Hat er das gelernt? An was für Locations hat er sonst schon gekocht? Wie ist er an die Locations immer ran gekommen?
Und viele dieser Fragen hat Marinos nun beantwortet.
Im Gespräch mit: Marinos von Kouzina Marina
_Stell Dich kurz vor.
Hallo, ich bin der Marinos, gezeugt bei der Olivenernte auf der Sonneninsel Kreta und geboren im Jahr des Herrn 1973, in Krefeld am Niederrhein. Sohn griechischer Gastarbeiter, Pommeskind, Rekord-Torjäger und Stürmer beim Linner SV. (F-Jugend)
Besondere Fähigkeiten:
Lamm am Spiess grillen mit Flip-Flops an den Füssen und eine Kanne Mühlen-Kölsch am Hals.
_Seid 4 Jahren gibt es jetzt Kouzina Marina und inzwischen habt ihr eine feste Location gefunden, wie aber hat alles angefangen?
Meine erste Begegnung mit dem "Untergrundkochen" war ein Bericht bei "The Ghetto Gourmet", dem weltweit größtem Netzwerk der geheimen Gastronomie-Bewegung. Ich wusste sofort, dass ich so etwas auch machen möchte. Es hat mich gepackt und nie wieder losgelassen. Die Kouzina ist 2008 entstanden. Im Sommer feiern wir bereits unser 5-Jähriges Jubiläum. Das wird ein großes Fest, komm vorbei!
Angefangen hat alles bei Ralle und Nina, in deren Haus und Garten in Düsseldorf-Gurkenland. Dort haben wir das aller erste Mal die Tafel aus Bierbänken aufgebaut. Mein Kochkumpel Ruby (heute: Bronx Bar, Düsseldorf) hat mich damals ganz besonders supportet.
Ich erinnere mich noch gut wie wir zusammen Doraden gegrillt haben und später den Zucker auf der Crema Catalana mit einem riesigen Flammenwerfer heiss gemacht haben. Die ganze Idee ist eigentlich mit Hilfe von Freunden aus dem Nichts entstanden. Dafür bin ich allen Beteiligten sehr dankbar.
Insbesondere meiner Freundin Uli, die gute Seele im Hintergrund.
_Wie bist Du an die Locations gekommen?
Die Locations haben sich eigentlich immer so unter der Hand ergeben. Man kannte Leute, die jemanden kennen, usw… Die wurden dann zum Essen eingeladen, das war unser Deal. Ich brauchte nie einen Location-Scout oder so etwas. Dafür habe ich selbst immer einen guten Riecher und gute Kontakte gehabt.
Jede einzelne Location war besonders. Die Räume wurden für einen Abend in das kleinste Restaurant der Stadt verwandelt. Egal ob leerstehender Club, Galerie oder Weinlager. Alle waren speziell und einzigartig. Nun habe ich diese alte Werkstatt übernommen in einem Hinterhof in Ehrenfeld. Dort ist jetzt ein Weinlager. Schräg oder nicht schräg, hier fühl ich mich am wohlsten.
Das merken unsere Gäste auch.
_Wie sieht der Ablauf vor, während und nach so einem Essen aus?
7 Uhr aufstehen, zwei Tassen Kaffee und schöne Musik, mit meinem Sohn und meiner Freundin frühstücken, so beginnt der Tag, dann Kaminofen anzünden, Suppe kochen, usw… Einen Tag vorher mach ich die Einkäufe. Zuerst ein kleiner Spaziergang zum Neptunplatz, da ist jeden Freitag Markt. Danach besuche ich meine griechischen Fachgroßhändler am Grossmarkt und lass mich inspirieren. Die Vorbereitungen dauern ca. 12 Stunden. Die Gäste kommen um 19 Uhr. Da habe ich die erste Schicht schon hinter mir und dann geht's erst richtig los.
Rock'n Roll !
_Gibt es ein bestimmtes Essen, das Dir besonders gut gelungen ist?
Ja, klar.
Stifado, geschmortes Kaninchen in Rotwein z.B., aber das ist natürlich auch Übungssache und manchmal auch Tagesform abhängig. Je öfter Du ein Gericht kochst, desto besser hast Du es drauf und umso schmackhafter kannst Du es zubereiten. Frag mal Deine Mama oder Deine Oma wie oft sie schon Dein Lieblingsessen gekocht haben. Erfahrung ist durch nichts zu ersetzen.
_Machst Du das alles alleine?
Ja. Die Küche zumindest., das ist mein Ding, da möchte ich auch meine persönlich Handschrift drunter setzen. Im Service habe ich dann ein fleissiges Team, ein paar gute Leute aus'm Freundeskreis die mir helfen so einen Abend gemeinsam zu zaubern. Ganz allein geht's nicht.
_Hand auf's Herz, lohnt sich der Aufwand für Dich?
Ja und Nein.
Wir können uns nicht beklagen, wir haben genug zum Leben. Es macht mir eine große Freude und ich kann meine Rechnungen davon bezahlen. Das war's. Aber reich wird man davon nicht. Da sollte man keine falschen Vorstellungen haben.
Nebenbei arbeite ich auch als Barista auf diversen Messen für andere Firmen. Mache gelegentlich ein paar Caterings für Filmproduktionen. Verkaufe meinen Wein, den ich direkt aus meinem Heimatort in Drama, Nord-Griechenland importiere. Hin- und wieder organisieren wir mal eine Hochzeit- oder Geburtstagsfeier. Demnächst möchte ich mit einer kleinen Bauern-Kooperative selbstständig ins Olivenölgeschäft einsteigen. Mal sehen, das Leben hat noch so einiges zu bieten.
_Schonmal darüber nach gedacht ein richtiges Restaurant zu eröffnen?
Nein. Was ist ein richtiges Restaurant?
_Warum gibt's nicht mehr Guerilla Restaurants in Köln?
Die gibt es schon. Man muss nur gut genug suchen, dann findet man sie auch. Es entstehen immer mehr. Die Leute haben lieber Lust selber und für andere lecker zu kochen. Es ist so simpel und leider noch zu selten: Frische Zutaten mit Liebe zubereiten. Denn viele Gäste haben keinen Bock mehr auf abgezockte und seelenlose 08/15 Restaurants. Für schlechtes Essen teuer bezahlen, die Zeiten sind vorbei.
Ich bin davon überzeugt, dass unkonventionelle Konzepte in Zukunft immer stärker gefragt sein werden. Die ganze Guerilla-Bewegung steht symbolisch und beispielhaft für ein neues erwachendes Bewußtsein, sich aus dem Hamsterrad der modernen Sklaverei zu befreien, zu dem die heutige Gastronomie mutiert ist. Die typischen Restaurantbesitzer werden immer fetter, reicher und unausstehlicher. Sie lassen ihr Personal für einen Mindestlohn schuften. Alles wird systematisiert und automatisiert. Eine Kopie schlechter als die andere.
Das ist doch langweilig.
Bestellen, warten, sehen und gesehen werden, essen, trinken, zahlen und tschüß! Wo bleibt da das Gefühl, die Stimmung? Wir wollen doch alle unterhalten werden, andere Menschen kennenlernen, Spaß haben miteinander. Nur satt werden kann ich auch Zuhause mit einem Stück Brot und Käse.
_Was würdest Du gerne anderen mit auf den Weg geben die sich bisher einfach nicht an ein Guerilla Dinner getraut haben ?
Just do it!
Einfach loslegen und machen, machen, machen! Der Rest ergibt sich irgendwie von selbst.
_Hast Du Freunde deren Guerilla Restaurants Du empfehlen kannst?
Ja, klar. Madame und Monsieur Rebelote, vom gleichnamigen Supperclub in Düsseldorf. Und die Jungs von Kitchen Guerilla in Hamburg. Liebe Grüße auch an alle meine anderen Kochkumpels da draußen …
Keep the fire burning!!!
Marinos