Immer am ersten Mittwoch im Februar wird in der Schweiz der jährliche Sirenentest durchgeführt. 99 Prozent der Sirenen haben 2017 laut dem zuständigen eidgenössischen Departement funktioniert. Ein weiterer Sirenentest fand dieses Wochenende im übertragenen Sinn mit der Abstimmung über die Unternehmenssteuerreform III (USR) statt. Die Frage ist, ob man die Warnung in Bundesbern wirklich hören wird: Heute hat das Stimmvolk die USR III klar abgelehnt. 59,1 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer sagte Nein. Der griffige Titel «Bundesgesetz über steuerliche Massnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmensstandorts Schweiz» hatte eigentlich alles in sich, was Herr und Frau Schweizer gewöhnlich zu einem Ja bewegen konnte. Doch weder «Stärkung» noch «Wettbewerbsfähigkeit» verfingen beim Stimmvolk. Je näher der Abstimmungssonntag rückte, desto lauter warnten die Befürworter vor einem massiven Arbeitsplatz-Verlust. Die Gegner befürchteten höhere Steuern für den Mittelstand. Die Deutlichkeit des Neins zu dieser Steuerreform überraschte zwar am Ende, doch das Verdikt war absehbar.
Tatsache ist, dass das Ausland die Steuerprivilegien für Unternehmen nicht mehr hinnehmen will. Diese hätten abgeschafft werden sollen. Eine Reform ist also notwendig. Gleichzeitig hätten Grosskonzerne neue Privilegien erhalten und die Kantone wären vom Bund für einen Teil der Mindereinnahmen entschädigt worden. Doch weder der Bundesrat, noch die restlichen Befürworter konnten die Auswirkungen glaubhaft erklären. Bis zum Schluss blieb unklar, wie viel die Reform Bund, Kantone und Gemeinden kosten wird. Um ein Nein noch zu verhindern, versprachen die Kantone zwar, die Reform nicht mit höheren Steuern für Private finanzieren zu wollen – doch wie denn dann?
Diese Abstimmung war extrem kompliziert und für die Stimmbevölkerung eigentlich eine Zumutung. Selbst wenn man sich wirklich damit beschäftigt hat, wurde die Entscheidung am Ende zum Teil zu einer Glaubensfrage. Das sonst starke Argument der Befürworter – die Sicherung von Arbeitsplätzen – zog nicht. Über die Gründe lässt sich spekulieren. Doch es sollte ein Warnsignal an Bundesbern sein: Alleine mit der Angst vor einem wirtschaftlichen Nachteil für die Schweiz lässt sich im heutigen politischen Klima keine Abstimmung mehr gewinnen. Jetzt braucht es eine mehrheitlich tragfähige Reform. Der Bundesrat muss ausweisen, wie viel eine «USR III b» kosten wird und die Last muss auf mehrere Schultern verteilt werden. Auch auf die Gefahr hin, dass dann einzelne Grosskonzerne abwandern könnten. Alles andere wird beim Volk keine Mehrheit finden.
Finanzminister Ueli Maurer (SVP) kündigte bereits die Ausarbeitung einer neuen Vorlage an. Die Zeit drängt, denn die Europäische Union und die OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) werden Druck ausüben.