In unseren Breitengraden würde sich der Februar ja für einen Aufenthalt in den verschneiten Bergen anbieten. Aber Walter wünschte sich zu seinem 50. Geburtstag eine Reise nach Venedig. Venedig im Februar!?!
Allzu begeistert war ich von seiner Idee ja nicht. Trotz seinem Argument, dass Venedig im Februar so mystisch sei. Ich sah mich lieber an der wärmenden Frühlingssonne auf dem Markusplatz an der Cappuccino-Tasse nippen, statt an einem grauen, nass-kalten, nebligen Februar-Tag durch die Gassen zu schlendern. Aber fein, schliesslich geht es um seinen 50. Geburtstag und ich (als Italienerin) war noch nie in Venedig. Höchste Zeit also, diese Reise nachzuholen - Februar hin oder her.
So machte ich mich einigermassen widerwillig an die Reiseplanung und unterbreitete dem angehenden Geburtstagskind Hotelvorschläge. Sein Entscheid war schnell gefällt. Da Walter auf Designhotels steht, wählt er das Hotel PalazzinaG, gestaltet von Stardesigner Philippe Starck. Vermutlich wird da wieder mal alles superschick - aber voll unpraktisch sein. Wie so oft in den Designhotels. Aber hey, es ist schliesslich sein Geburtstag und seine Wahl! Allfällige Kritik kann er dann gleich an sich selbst auslassen. Oder an Philippe, mir egal.
Als ich im Netz nach den Transfer-Möglichkeiten vom Flughafen in die Lagunenstadt surfte, entdeckte ich nicht nur unser Wassertaxi, sondern für den nächsten Tag auch eine private Gondelfahrt mit Überraschungseffekt! Bingo! Das ist genau, was ich brauchte!
Für einen Bruchteil einer Sekunde zögerte ich dann doch bevor ich buchte... ob Walter das mögen würde? Er ist ja nicht gerade der Oberromantiker - um es mal gelinde auszudrücken. Und Überraschungen findet er jeweils auch nur bedingt lässig. Ich buchte die Gondelfahrt dennoch. Schliesslich durfte er ja schon Destination und Hotel wählen.
Mit SWISS in die Lagunenstadt
Als wir uns am frühen Abend zum Flughafen Zürich begeben, regnet es in Strömen. Plötzlich wird mir wieder bewusst, warum ich im Februar nicht unbedingt nach Venedig wollte...
Auf dem Weg zum Gate ertönt eine Meldung; Swiss Flug LX1664 nach Venedig ist verspätet. Mein erster Gedanke: Was ist, wenn der Flug noch abgesagt wird? Meine Gondelfahrt!! Mit dem Zug wird Walter auf keinen Fall reisen wollen. Also bitte, bitte, liebe SWISS - lass mich jetzt nicht im Stich! Bevor ich in meinem Kopf alle möglichen Alternativen der Anreise nach Venedig ausgedacht habe, werden wir aufgefordert, in eine Ersatzmaschine (!) einzusteigen. Nach der umständlichen Enteisung (warum das denn?! Es regnet doch in Strömen?) hebt die Fokker schlussendlich doch noch ab in den inzwischen pechschwarzen Zürcher Nachthimmel.
Als wir in Venedig ankommen, erwartet uns Wassertaxista Manuele, der uns zu später Stunde unter der Rialto-Brücke vorbei doch noch unversehrt ins Hotel bringt. Phuh, nochmal gutgegangen. Jetzt erst mal tief durchatmen und gute Miene zum bösen Spiel machen!
PalazzinaG Designhotel
Als wir im Hotel einchecken, bin ich positiv überrascht! Die Lounge Bar präsentiert sich in traditionellem, venezianischem Dekor mit Spiegeln, Glas und Mahagoni, gekonnt kombiniert mit zeitgenössischen Designelementen.
Nach einem Begrüssungs-Prosecco bin ich schon auf das Zimmer gespannt! Aber auch da waren all meine Befürchtungen umsonst. Unser in elegantem Weiss gehaltene Spiegelzimmer ist top! Das Bad ist riesig ebenso wie die Regendusche.
Was Designer allerdings nie so richtig hinbekommen, ist genügend Ablagefläche für Necessaire und Schmink-Etui. Ich denke jetzt mal nicht, dass ich da besonders viel Platz benötige, aber meine Ansprüche sind offenbar trotzdem grösser, als was Stardesigner an Platz hergeben mögen.
Zudem sind Designer-Lavabos - diese Dinger, die zwar heiss aussehen, wo man aber die Hände kaum unter den Wasserstrahl bringt - manchmal auch etwas nervig. Die Ausführung im PalazzinaG sieht diesbezüglich besonders entspannt aus, besteht das Lavabo doch praktisch nur aus einer kaum eingerahmten Fläche und der Wasserhahn ist genügend weit oben montiert. Überraschenderweise halten sich die seitlichen Spritzer in engen Grenzen und man hat das erhabene Gefühl, das Wasser offen auf den Waschtisch fliessen zu lassen, ohne gross Wasserschaden anzurichten. Das fand ich dann doch noch cool.
Was uns aber besonders erfreute, war die Soundanlage: Statt der sonst üblichen iPod/iPad oder sonstigen iPhone Docking Stations, für die wir nie das richtige Modell dabeizuhaben scheinen, wird hier ein schlichter 3.5 Millimeter Stecker an einem Wandkabel angeboten. Daran lässt sich nun wohl so ziemlich jedes Smartphone anhängen. Yeah! Let the music play! I just wanna dance the night away...
Jetzt aber: Die Gondelfahrt der „andern" Art
Die vereinbarte Gondel-Anlegestelle für meine Überraschungsfahrt am nächsten Tag liegt hinter dem berühmten Markusplatz. Ich bin angewiesen, uns dort bei Antonella zu melden. Und NUR bei Antonella. Sonst klappe es nicht! Antonella habe langes, dunkles Haar und braune Augen - also wie etwa 95% der Italienerinnen... Ja bravo!
Lustigerweise erkenne ich Antonella dann allerdings sofort - denn ausser ihr stehen praktisch nur Gondolieri herum, die auf ihre Kunden warten.
Wir wollen gerade in der uns zugewiesenen Gondel Platz nehmen, da sorgt Walter gleich mal für nicht wenig Aufregung unter den Gondolieri, als er seine GoPro Kamera auf der neu bemalten Gondel festmachen will. Nach einigem hin und her mit den herumstehenden Gondolieri erlaubt ihm unser Gondelmann Domenico dann doch noch, die Kamera im Innern der Gondel festzuzurren. Ok - die erste Aufruhr haben wir im Griff, wieder durchatmen
Schon bei der ersten Abzweigung im engen Kanal wird mir jedoch mulmig, als die Gondel nur Zentimeter vorne und hinten um die Ecke schrammt. Als es bei der nächsten Kurve praktisch noch knapper wird, dämmert es mir, dass Gondoliere Domenico es wohl im Griff hat und weiss, was er tut...
Umso besser, denn ein Grossteil der Überraschung hat mit einer gelungenen Gondelfahrt zu tun: Antonella folgt uns unauffällig via Seitensträsschen und fotografiert unsere Rundfahrt auf Schritt und Tritt!
Domenico schifft uns gelassen an der Rialto-Brücke und am Palazzo von Marco Polo vorbei. Auf Walters müden Spruch "Marco who?" erwidert unser Gondoliere mit stoischer Ruhe: "Marco Polo! Auf italienisch: Pollo." Wir krümmen uns. Ich mag Leute, die Walters Humor so witzig kontern :-)
So langsam entspanne ich mich, just bevor es soweit ist: Unser Gondoliere paddelt uns gekonnt um eine weitere Ecke, als das Geburtstagskind an der nächsten Brücke über unseren kleinen Seitenkanal den persönlichen Geburtstagsgruss entdeckt. Antonella hatte an einer der vielen kleinen Brücken eine Fahne aufgehängt mit den besten Wünschen für Walter!
Walter äugt verduzt hinter seiner riesigen Spiegelreflexkamera hervor und fragt ungläubig: „Was ist das? Was ist das?!" Bis es ihm dämmert und er über das ganze Gesicht strahlt.
Juhuuii, Überraschung geglückt! Geburtstagskind happy!
Einen Wurf Rosenblätter auf die Gondel hätte Antonella übrigens auch noch im Angebot gehabt. Darauf habe ich allerdings dankend und wohlweislich verzichtet; man will ja die Romantik nicht grad überstrapazieren... ;-)
Venedig im Februar
Einen Kurztrip nach Vendig kann ich im Februar also doch noch sehr empfehlen! Wir hatten wunderbares Wetter.
Und die Stadt hat - in der Tat - vor allem gegen die Abenddämmerung hin etwas Mystisches an sich. Und toll war, dass (angeblich) nur wenig Touristen in der Stadt weilten. Ich möchte ja nicht wissen, wie es im Frühling/Sommer in den engen Gässchen und auf den kleinen Kanälen zu und her geht.
Hier noch fünf Tipps, was man in Venedig unbedingt mal gemacht haben muss:
- Eine Fahrt mit der Gondel durch den Canale Grande - ob nun mit oder ohne Überraschungseffekt; ein Muss!
- Besuch der Basilica San Marco mit dem Markusplatz
- Einmal über die Rialto-Brücke laufen
- Besuch eines Bacaro; einer venezianischen Stehbar, in der man ein paar leckere Häppchen - die Cicheti - geniesst
- Besuch des Peggy Guggenheim Museums (Kunstsammlung mit überwältigenden Meisterwerken des 20. Jahrhunderts)
Und hier noch weitere Impressionen aus unserer Flickr-Fotogalerie: