Im Dschungelcamp des Urteilens. - Sie sind kein Star! Also holen Sie sich da raus.

Von Rkoppwichmann

Sie sind kein Star! Also holen Sie sich da raus.

"Büro ist Krieg", sagt Stromberg.

Sie könnten in Ihrem Leben viel zufriedener sein, wenn Sie das Be- und Verurteilen anderer einschränkten.  Twitter das!

Nicht, dass einem das immer gelingt. Ich glaube, jeder tut das immer mal, die einen mehr, die anderen weniger. Wir be- oder verurteilen andere Menschen, da bin ich keine Ausnahme.

Entscheidend ist, ob Sie mitkriegen, wenn Sie es tun. Denn Be- und Verurteilen tut nicht gut. Weder Ihnen noch den anderen.

Das Urteilen selbst ist nicht schlecht. Es sind mehr die Gründe, weswegen wir verurteilen, die schädlich sind. Ich meine "schädlich" nicht "böse" oder "schlecht". Es fügt Schaden zu.

Welche schädlichen Beweggründe können hinter dem Be- und Verurteilen stecken? Hier ein paar Beispiele:

  • Sie haben keine Ahnung oder ignorieren, in welcher Situation der andere ist oder durch was er gerade durchgeht.
  • Sie verstehen die Situation nur halb oder gar nicht.
  • Sie haben unrealistische oder unangemessene Erwartungen an andere.
  • Sie denken, Sie stehen über anderen, sind was Besseres oder Besonderes.
  • Sie sind zu wenig dankbar.
  • Sie kreisen nur um sich selbst.
  • Anstatt neugierig zu sein verurteilen Sie lieber.
  • Sie wollen helfen, wählen aber den falschen Ansatz.

Wie passiert sowas?

Nehmen wir ein typisches Beispiel.

Sie regen sich über jemanden auf, der aktiv seine Gesundheit schädigt, indem er als Diabetiker starkes Übergewicht hat, raucht und fast nur Junkfood isst. Natürlich bewegt er sich auch zu wenig und treibt keinen Sport.

Vermutlich haben Sie ein paar gute Ideen, wie der Betreffende seine Gesundheit verbessern könnte, haben es ihm oder ihr auch schon ein paar mal geraten - aber er/sie ändert nichts.

Möglicherweise werden Sie diesen Menschen bald für sein Verhalten verurteilen, schlecht über ihn denken, sich ärgern und frustriert sein. So etwas passiert uns laufend - mit anderen Menschen, mit anderen Verhaltensweisen.

Was wird hier übersehen?

Zum einen, ignorieren Sie, was dieser Mensch erlebt hat und durch was er möglicherweise durchgegangen ist. Wahrscheinlich verstehen Sie auch die ganze Situation nicht. Er ist vielleicht wegen seiner gesundheitlichen Probleme depressiv, fühlt sich schuldig und festgefahren, ohne Ziel und Hoffnung auf Besserung. Um diese unangenehmen Gefühle manchmal etwas zu erleichtern, raucht er und tröstet sich mit fettem Essen. Und fühlt sich dadurch manchmal hinterher noch schlechter. Er versucht das Beste, um mit seiner Situation fertig zu werden. Leider nicht sehr erfolgreich.

Dasselbe passiert uns auch immer wieder. Wir machen Fehler. Wir fühlen uns schlecht - brauchen etwas, um uns zu trösten. Trinken zu viel. Kaufen etwas, was wir eigentlich nicht brauchen. Bleiben an einem Computerspiel hängen. Wir sind nicht besser.

Außerdem: Wenn Sie urteilen, sind Sie vielleicht nicht dankbar dafür, was dieser Mensch jenseits seiner Gesundheitsprobleme für ein wunderbarer Mensch ist. Beim Verurteilen glauben wir, dass wir die Wahrheit kennen und wüssten, was falsch und richtig ist. Man kreist um sich selbst, freut sich, dass man glaubt, besser zu sein. Man ist nicht neugierig oder interessiert, warum der andere Mensch sich so verhält und was er damit Gutes für sich bezweckt.

Mit dem Urteilen ist die Sache für einen selber ganz klar. Kein Grund mehr weiter zu suchen oder zu verstehen. Und ab dieser Stelle kann man dem anderen auch nicht helfen, weil der Dialog abgebrochen ist und man den anderen abgeschrieben hat.

Sie sehen: Verurteilen kann schaden. Es sorgt für Frust, Ärger und Unzufriedenheit. Es erschwert den Kontakt zu Menschen, behindert Kommunikation und Lernmöglichkeiten, es schottet Sie gegen andere ab. Und das sind nur einige Konsequenzen.

Wie hört man mit dem Verurteilen auf?

Dschungelcamps gibt es nicht nur im TV

Als erstes müssen Sie bemerken, wann Sie jemanden verurteilen. Das ist der wichtigste Moment.

Es ist keine Katastrophe - aber ein Zeichen, dass Sie gerade sich und dem Anderen nichts Gutes tun sondern womöglich eher schaden.

Diesen Moment zu erkennen braucht Übung.

Aber es gibt sichere Anzeichen, die Ihnen zeigen, dass Sie andere verurteilen. Wenn Sie ärgerlich sind oder frustriert oder jemanden abwerten. Wenn Sie sich über jemand beklagen oder tratschen. Das sind Anzeichen.

Werden Sie achtsam in diesem Moment, machen Sie langsam und versuchen Sie herauszubekommen, was los ist. Beschimpfen Sie sich nicht, sondern werden Sie neugierig:

  • Warum verurteile ich gerade? Wie fühle ich mich gerade?
  • Welche unrealistischen Erwartungen habe ich gerade?
  • Was könnte der Hintergrund sein, warum die andere Person so handelt?
  • Was kann ich noch herausfinden?
  • Was an dem anderen Menschen kann ich wertschätzen?
  • Wie würde es mir gehen, wenn ich in der Situation des anderen wäre?
  • Ging es mir ähnlich oder genauso?

Wenn Sie wollen, können Sie sich auch fragen: Wie könnte ich helfen? Was braucht dieser Mensch? Vielleicht nur jemanden, der zuhört. Jemand, der bestätigt, dass das schwer ist. Aber von der Position des Urteilens aus können Sie nicht hilfreich sein.

Mein Fazit:

Wenn man mit einem Finger auf jemanden zeigt, zeigen drei Finger auf einen selbst zurück.

Andere zu verurteilen verschafft gute Gefühle. Deswegen ist ja auch Mobbing am Arbeitsplatz  sehr verbreitet.  Twitter das! Das ist zwar meist ein Führungsproblem, wird aber immer von eine Gruppe von Mitarbeitern initiiert, toleriert und aufrechterhalten.

Aber auch anderen beim Verurteilen zuzusehen scheint vielen Menschen Vergnügen zu bereiten. Die derzeit laufende Staffel des Dschungelcamps auf RTL hat wieder traumhafte Einschaltquoten: 40 Prozent Sehbeteiligung! Die Mehrzahl übrigens Frauen.

Eigentlich komisch. Sich selbst vor einer Winzspinne fürchten aber anderen zusehen, wie Sie von 7.500 Kakerlaken überschüttet werden.  Twitter das! Und dann auch noch wählen dürfen, wer den pürierten Emuhoden trinken muss.

Einige Privatsender sind ja darauf spezialisiert, Unterhaltungsformate zu konstruieren, die an unsere niedersten Instinkte appellieren. Die Macher der Sendung wollen durch die geschickte Auswahl der Kandidaten eine Atmosphäre des Neids, Hasses und der Antipathie schaffen, um den Zuschauer mit einem Blick in die Abgründe der menschlichen Existenz zu unterhalten.

Aber warum gucken Leute so was?

Medienforscher sehen die Gründe in einer Mischung aus Voyeurismus und Sadismus. Profi-Voyeure sind ja Menschen, die extra zu Bränden, Flutkatastrophen oder anderen Unglücken reisen, viele Fotos machen und dabei die Rettungsarbeiten behindern.  Twitter das! Das Dschungelcamp liefert das bequem ins heimische Wohnzimmer.

Die Verbindung sehe ich im Be- und Verurteilen.

Denn egal ob als Gaffer bei einem schrecklichen Verkehrsunfall oder Zuschauer des Dschungelcamps - man fühlt sich danach besser:

  • weil es einem anderen schlechter geht.
  • weil man Leben oder unversehrt ist.
  • weil feststeht, dass man so dusslig, publicitygeil, hysterisch ... nicht ist.
  • weil man sicher ist, bei sowas nie mitzumachen.
  • weil man erlebt, dass "Promis" auch normale Menschen sind.
  • weil es aufregend ist man selbst aber nichts riskiert.
  • weil derjenige es verdient hat.

Mich wundert nur, dass noch keine Tierschutzorganisation gegen die Sendung protestiert hat. Wild lebende Tiere wie Strauße und Schlangen müssen sich auf engstem Raum mit Menschen aufhalten und deren Geschrei ertragen. "Agrarminister Friedrich, übernehmen Sie!"

PS: Als ich den Text nochmal durchlas fiel mir auf, dass ich darin ja auch über andere urteile und sie vielleicht sogar verurteile.

Sehen Sie, so schnell geht das.

Wen verurteilen Sie am liebsten?

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Foto: © ferkelraggae, Kitty, Robert Kneschke- Fotolia.com
Der Artikel ist eine freie, ergänzte Übersetzung
eines Blogbeitrags von Leo Babauta.