Im Aberglauben verirrt – Ein Dschihadist erinnert sich

Vor zwei Tagen bin ich gestorben. Für die Al Nusra Front hatte ich gekämpft, in Aleppo. In einem unvorsichtigen Augenblick zerfetzte die Kugel eines syrischen Scharfschützen meinen Kopf. Seither denke ich darüber nach, was passiert ist

muslimisches Grab

Grab auf muslimischem Friedhof

Ich bin Sunnit und komme aus Saudi Arabien. Auch dort wäre mir der Tod gewiss gewesen. Nachdem ich einen Gemüsehändler im Streit erstochen hatte, war ich zum Strang verurteilt worden. In meiner Todeszelle saß ich fünf lange Jahre und wartete auf mein unvermeidliches Ende. Dann ein Licht am Ende des Tunnels. Nein, nicht dieser Tunnel. Vielmehr ein Licht in Form einer Amnestie von höchster Stelle, mit der Aussicht auf vollständigen Straferlass und eine Rehabilitierung. Nach Hause gekonnt hätte ich, zurück zu meiner Familie. Etwas sei vorher jedoch noch zu erledigen. Ich sollte in den heiligen Krieg, den Dschihad, ziehen und gegen Ungläubige kämpfen. Auf diesem Wege könne ich mein Unrecht wiedergutmachen. Sollte ich die Kämpfe überstehen, so hieß es, sei ich ein freier Mann. Ja ich könne sogar alles, was ich dabei erbeutete, behalten und mit nach Hause nehmen. Außerdem würde ich viel Geld dafür bekommen. Die sagenhafte Summe von 100 Dollar wurde mir in Aussicht gestellt – AM TAG.

Ich kam dann in einem Bus voller weiterer Kämpfer in ein Trainingslager nach Jordanien. Dort empfingen uns amerikanische Militärausbilder und ein Scheich. Die haben Hand in Hand gearbeitet. Zuerst der Soldat. Der hat uns gehetzt und gehetzt. Er hat uns angebrüllt, er hat das Letzte aus jedem von uns heraus geholt und immer wieder betont, dass jeder Tropfen Schweiß einen Tropfen Blut spart. Wenn wir dann nach langem, harten Training völlig kaputt und teils apathisch da saßen und mit stumpfem Blick vor uns hinstarrten, schlug die Stunde des Scheichs. Er bat uns, auf bequemen Teppichen Platz zu nehmen und bewirtete uns mit süßem Tee. Dann erzählte er uns viele Geschichten und Gleichnisse. Es erklärte uns, dass wir etwas besonderes seien, als Mitglieder des Dar al-Islam, des Hauses des Islam. Aber wir wären leider nicht allein. Da gab es noch das Dar al-Harb, das Haus des Krieges.

In diesen beiden Häusern spiegelt sich die gesamte Menschheit wider. Es gibt gute und rechtschaffene Menschen wie uns, die Muslime. Wir stehen für Gott den Allmächtigen, wir sind sein Heer und seine Kinder zugleich. Unsere Aufgabe als anständige Muslime ist es, den Dschihad hinauszutragen in die Welt der Ungläubigen, um diese zu bekehren oder zu töten. Falls sie sich nicht zum Islam bekehren lassen. Es gibt nur eine Tür, mit zwei Seiten. Die eine führt hinein ins Haus der Gerechten, die andere hinaus in den Dreck, der auf uns zu kriecht, um unser reines Herz mit Lügen zu vergiften. Inzwischen war es dunkel geworden und die Nachtfalter schwirrten summend um das Licht der Kerzen. Der Scheich wünschte uns allen eine gute Nacht, möge Allah unsere Träume beschützen und uns auf den rechten Pfad führen.

Am nächsten Morgen wurde ich um drei Uhr früh jäh aus dem Schlaf gerissen. „Los, los, los,“ so schrie jemand und weiter: „Raus ihr faulen…!“ Den Rest des Satzes behalte ich für mich. Während ich meine Schuhe zuschnürte, erfuhr ich, dass für heute früh eine Geländeübung vorgesehen war. Im Schein der Morgensonne stapften wir hinaus in die Wüste zum Trainingsgelände. Dann wurde es richtig hart. Losrennen, hinlegen. Aufstehen und losrennen. Auf allen vieren robben, kriechen und wieder hoch, über Mauern hinweg und unter Stacheldraht hindurch, Marsch, Marsch! So ging das den ganzen Tag lang, lediglich unterbrochen von einigen kurzen Pausen zum Beten. Zwischendurch wurden wir von einem hässlichen Mann im sandfarbenen Kampfanzug angebrüllt, als seien wir das erbärmlichste, was ihm je zu Gesicht gekommen sei. Es nannte und Schlappschwänze und Versager und Muttersöhnchen. Einmal entfuhr ihm sogar das Wort Hurensöhne. Wenn der Kerl es noch einmal wagen sollte, meine Mutter zu beleidigen, so beschloss ich, schneide ich ihm die Kehle durch.

Abends dann ging es wieder zurück ins Lager. Wir waren am Ende, japsten nur noch nach Luft, nach all dieser Anstrengung. Wir waren hungrig, waren durstig und der Rückweg wollte und wollte nicht enden. Endlich, das Lager. Trinken, waschen, essen. Mehr wollte keiner von uns in diesem Augenblick. Während wir hungrig unsere Rationen runterschlangen, setzte sich der ehrwürdige Scheich zu uns. Wir erfuhren, dass Gott traurig sei über all die vielen Ungläubigen, die seine Welt verschmutzen. Dass Gott auf uns zähle, um sein Reich des Guten auf der ganzen Welt zu errichten. Erst dann sei unsere Aufgabe getan, erst dann könne Frieden einkehren, erst dann sei das große Ziel erreicht. Eine paradiesische Welt unter seinem Schutz und Wohlwollen. Eine Welt, in welcher die Religion Allahs auf dieser Erde das einzige ist, wonach gerichtet wird.

Der Scheich sprach leise, und mit angenehmer Stimme. Im Vergleich zu dem Gebrüll der Ausbilder war seine Stimme eine Wohltat. Er strahlte eine starke Autorität aus und konnte außerordentlich strafende Blicke werfen, wenn zwei von uns während seiner Ausführungen tuschelten. Das genügte in der Regel auch, aber einmal widersprach ihm einer von uns. In seiner Familie, so meinte der bärtige Kämpfer, habe er gelernt, dass alle Menschen Brüder seien und das Islam nichts anderes heiße, als Frieden. Der Scheich tadelte ihn eindringlich, ihm nicht zu widersprechen. Er sagte, so zu denken, sei eine Schande für jeden aufrechten Muslim. Wer sich mit den Feinden Allahs verbündete, würde selbst zum Feind Allahs. Eine größere Schande gäbe es nicht. Er drohte dem Mann an, ihn aus dem Lager werfen zu lassen, so dass er sich alleine durch die Wüste würde schlagen müssen, wenn er nicht seine gotteslästerliche Zunge zügelt. Verschämt schwieg der Aufrührer. Seine Sitznachbarn sahen betreten von ihm weg. Er hat nie wieder aufgemuckt.

Bald darauf wurden wir in ein größeres Lager verlegt, in der Türkei. Dort kamen zu den amerikanischen Ausbildern auch noch britische und französische hinzu. Gelegentlich waren auch Israelis zu sehen. Dort lernten wir, wie man Sprengsätze baut und aus der Ferne zündet. Wir lernten, Lenkraketen zu steuern, Maschinengewehre zu bedienen, Mörsergranaten und Panzerfäuste ins Ziel zu bringen. In unseren Fäusten hielten wir russische Kalaschnikows, das G 3 aus Deutschland ebenso wie das G 36. Daneben verfügten wir über israelische Uzis und Scharfschützengewehre sowie amerikanische M 16- Gewehre. Besonders begehrt waren französische Milan Panzerabwehrwaffen und russische SA 16 Flugabwehrraketen aus Tschetschenien. Die Liste ließe sich beliebig verlängern, wir waren bestens versorgt. Ein paar von uns bekamen sogar eine Spezialausbildung für den Einsatz von chemischen Kampfstoffen. Nebenher skandierten wir im Gleichtakt die immer gleichen Kampfrufe, wir sangen heroische Lieder und bekamen jeden Abend weitere Einführungen in den bewaffneten Dschihad. Wenn man eine Kugel einfängt, so lernten wir, dann ist das wie ein Bienenstich.

Dschihadisten in Siegerpose

Dschihadisten in Siegerpose

Unmerklich begann ich mich zu verändern. Mein Stolz auf meine wichtige Mission wuchs mit jedem Tag ein wenig. Der Stolz darauf, für Allah persönlich in den Kampf ziehen zu dürfen. Ein Privileg, das beileibe nicht allen Muslimen zuteil wird. Ich rief Allah Hu Akbar, Gott ist größer – Allah Hu Akbar schallte es mir von meinen Mitkämpfern entgegen. Wir begannen Regeln zu befolgen, die wir vorher nicht befolgt hatte. Der Oberlippenbart musste stets kurz genug gestutzt sein, so dass er die Oberlippe nicht berührte. Der restliche Bart hingegen wurde von niemandem von uns auch nur angerührt. Dies war der Bart des Propheten, möge Allah ihn segnen, dem wir nacheiferten. Wie auch bei Ihm, gaben unsere Kleidungsstücke den Blick auf unsere Knöchel frei. Kein Tag verging, an dem man uns nicht mit Hölle und Teufel drohte und es verging auch kein Tag, an dem nicht wir jemandem mit Hölle und Shaytan drohten.

Der größte Teufel von allen, das war der Westen, der soviel Unheil über unsere arabische Welt gebracht hatte. Der Westen, dass waren für uns Drogen, Alkohol, Diskotheken voller leichter Mädchen und Sex im Fernsehen. Der Westen, das waren dicke, brutale Männer, die in ihren schmutzigen Stiefeln durch unsere Moscheen trampelten und unseren heiligen Boden durch ihre bloße Gegenwart entweihten. Wir hassten sie mit jedem neuen Tag mehr. Das Unglück auf der Loveparade 2010, bei dem 17 junge Menschen um ihr Leben kamen, war für uns nichts anderes, als die logische Konsequenz ihrer frevlerischen Lebensart. Allah persönlich hatte diese Ungläubigen in ihre Schranken verwiesen und vor seinen Richtstuhl befohlen. Wir fühlten uns als Befreier, nicht als Terroristen. Nur wenn Mohammad, gelobt sei der Prophet, ein Terrorist wäre, dann wären auch wir Terroristen. Was für ein unsinniger Gedanke.

Wir spürten deutlich, dass wir Teil von etwas Größerem waren. Wir dachten nicht länger, sondern glaubten. Unser Gehirn, so ließ der Scheich uns wissen, ist wie ein Affe. „Der kann dich zwar zum Palast des Königs bringen, aber sobald du drin bist, solltest du ihn draußen lassen.“ Meine tapferen, stolzen Kampfgefährten und ich wuchsen zusehends zusammen. Während des ersten, gemeinsamen Morgengebets knieten wir wie in einer Schlachtaufstellung. Reihe um Reihe und Schulter an Schulter. Gemeinsam und mit Allahs Segen waren wir unbesiegbar, wir fühlten uns stark und wussten, dass wir einen Krieg führten, den wir nicht verlieren konnten. Ein herrliches Gefühl. Die Botschaft an unsere Feinde war einfach und deutlich. „Wir werden uns nicht eher von unserer Pflicht des Kampfes zurückziehen und so lange kämpfen, bis auch euer letzter Mann auf dem Schlachtfeld, stirbt.“

Wir gingen hinein in die Dörfer der Abtrünnigen, wir töteten die Ungläubigen, wo immer wir auf sie trafen. Ob Schiiten, Alawiten, Drusen, Kurden oder Kopten, wir räumten entschlossen auf mit dem Gesindel – aber dann, auf einmal……was mache ich eigentlich hier? Müsste ich nicht ganz woanders sein?

Weiterführende Links:

http://www.crash-news.com/2013/02/11/gehirnwaesche-schule-grosse-gemeinsamkeiten-zwischen-islam-und-christentum/

http://michael-mannheimer.info/2012/07/02/das-ist-wie-eine-gehirnwasche-ein-salafisten-aussteiger-berichtet/

http://www.zeit.de/politik/ausland/2009-11/tawfik-hamid-islamismus

http://www.agpf.de/Gehirnwaesche.htm

http://www.heise.de/tp/artikel/37/37434/3.html



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