Ikonenschmiede

Er war eine Stilikone. Keiner sonst hatte die Amoralität des Neoliberalismus so sehr in sein Gesicht und seine Mimik gefurcht, wie er. Niemand konnte mit nonchalanter Arroganz und Geste herabsehen, bei Regierung speisen und Politik mitbestimmen, wie er es tat. Schon sein überhebliches Auftreten bestätigte: Aha, wir sind im neoliberalen Jammertal angelangt. Diese Stilikone gibt es nicht mehr. Nicht dass sie gestorben wäre - sie ist lediglich abgetreten. Das reicht ja heute schon aus, um als Stilikone zu verblassen. Dean musste sterben, Hepburn auch, um abgelöst zu werden - aber als Stilikone des neoliberalen Zeitgeistes hat man Glück, man muß nur zurück- nicht gleich abtreten, sich auswechseln, ersetzen, erneuern lassen. Ein konsequent konsumptives Lebensgefühl, wie beim Austausch alter Schlappen durch neue.... mach dich vom Acker, Mann!Er war die Charaktermaske, die keinen Charakter hatte. Josef Ackermann, neoliberaler Finanzier und Intimus des Kanzleramtes. Sein Gesicht war das Gesicht eines Finanzmarktes, der aus Geld Geld und aus Geld Geld wiederum Geld machte. Er war der Leumund einer Praxis, die ohne Aufwand und mittels outsourcing jeglicher Verantwortlichkeiten, Geld aus Geld filtern wollte. Aus dem Nichts, ohne Schöpfung von fassbaren Werten. Diese Alchemie geschah, während er über Erwerbslose moserte, den fehlenden politischen Mut zu unpopoluären Aktionen rüffelte und den Sozialstaat als schrecklich altmodische Rückständigkeit aus anderen Zeiten diffamierte. Die Ackermänner wurde zum Synonym für gierige, gewissenlose Schlundhälse, die sich in ihrer Jugend Yuppies nannten und für solcherlei Bezeichnung zu alt und zu fett geworden waren. Jetzt waren sie seriöse Investmentbänker, anständige Mitglieder der Gesellschaft - einer Gesellschaft, die so egoistisch gestaffelt sein sollte, wie sie es immer schon waren. Ackermann war das volle neoliberale Programm in persona - sein Konzept gründete auf Deregulierung und Absolutheit des freien Marktes. Eine solche regellose Wirtschafts- und Finanzwelt würde Wohlstand für alle bringen, so sein Ausflucht. Eine Hülse, die er anständig aus dem codex neoliberalis gelernt hat.Nun ist er weg. Aus dem Amt geschieden - und es rücken fein geleckte Eitelmänner nach. Die haben bislang noch zu wenig gesagt, um als Stilikonen empfangen werden zu können. Westerwelle war eine solche Ikone - sein Nachfolger Rösler ist es nicht, obgleich seine Partei noch radikalere Ansätze zeigt als vormals. Zu bübisch wirkt er, zu tapsig sein Auftreten, zu lächerlich seine Rede. Er ist bestenfalls eine Stilikone für das Hochdienen mit gumpischer Grundausstattung. Gleichwohl sind seine gelben Brigaden radikaler als zuvor. Endsieg um jeden Preis - bedingungslose Kapitulation ist für sie nicht drin. Und dennoch reicht es nicht, um als Ikone dieser egomanischen Daseinsfreude durchzugehen. Sinnkrise?Ackermann war Karikatur wie Westerwelle. Sein langes Wirken hat ihn zur Überspitzung seiner eigenen fanatischen Weltanschauung werden lassen. Und nun sitzen da so blasse, so unbekannte, so wenig karikaturöse Gestalten dem hiesigen Finanzzirkus vor. Das riecht schon fast nach Sinnkrise für alle, die das Bild der spekulativen Wirtschaft, des neoliberalen Zynismus zeichnen wollen. Diese bewährte Maske der zynischen Spekulativwirtschaft ist abgetreten. Der, von dem man wusste, was man an ihm nicht hat - Ackermann bot stets Reibungsfläche, er war das fleischgewordene System.Aber der Neoliberalismus ist gut zu seinen potenziellen Ikonen - Audrey war Pop-Art als Persönchen, danach kam nichts mehr, mit ihrem Tod betrat kein Nachfolger die Bühne. Aber der Neoliberalismus schafft immer wieder neue Ikonen, neue Charaktermasken. Dazu muß nur mal metaphorisch das Victory-Zeichen gegen die Justiz dieses Landes in die Kamera gehalten werden, so wie es einst der Macht-sich-vom-Acker-Mann tat. Die Arroganz gegen die Produktiven und Werktätigen, gegen die Habenichtse und Hungerlöhner ist der Finanzwirtschaft immanent - und damit ist die neue Ikonographie schon programmiert. Andere Strömungen, Lebensgefühle, Bewegungen, Richtungen und Weltanschauungen schaffen nur in Ausnahmefällen besondere Ikonen ihrer selbst - stirbt eine, hievt sich nicht automatisch ein Thornfolger ins Licht. Der Neoliberalismus ist da (selbst-)gerechter, gleichmacherischer, egalitärer. In ihm kann jeder ungestüme Rüpel eine Figur werden, auf die man blickt.Ackermann ist tot - es lebe der Ackermann, der nun halt anders heißt...<a href="http://flattr.com/thing/711515/Ikonenschmiede" target="_blank"><br /><img src="http://api.flattr.com/button/flattr-badge-large.png" alt="Flattr this" title="Flattr this" border="0" /></a>

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