- Euer Werden, Euer Überleben!
In dem in diesen Blogbeitrag eingebundenen Video (1) referiere ich Inhalte einer ganz neu erschienenen humangenetischen Studie über die Geschichte der Völker einerseits der eurasischen Waldtundra, zum zweiten der eurasischen Waldsteppe und zum dritten der eurasischen südlichen Steppe (2-4). Die Studie erweist die kulturelle und genetische Einzigartigkeit von jedem der hunderte von Völkern, die in diese Studie erforscht wurden. Und sie klärt die Grundzüge der Entstehung und der Geschichte dieser Völkervielfalt über mindestens 15.000 Jahre hinweg. Was für eine Fülle an Neuerkenntnissen in einer einzigen Studie. Sie geben demselben Grundgedanken naturwissenschaftliche Untermauerung, dem die deutsche Philosophin Mathilde Ludendorff (1877-1966) von Seiten der Philosophie und Völkerpsychologie psychologische Untermauerung und Deutung gegeben hatte (5).
Das Spannende ist, daß schon in wenigen Sätzen der Einleitung zu dieser neuen Studie (2) so wünschenswert deutlich wie nur immer möglich jener Grundgedanke zum Ausdruck gebracht ist, den Mathilde Ludendorff, Gustav Kossinna und viele andere vor achzig Jahren vertreten haben, und den der Bloginhaber hier auf dem Blog schon seit dessen Gründung vertreten hat, nämlich daß nicht Einzelmenschen, sondern Stämme und Völker die wesentlichsten Einheiten der Humanevolution und der Kulturgeschichte der Menschheit darstellen. Daß also kulturelle und genetische Gruppenunterschiede zentral sind für Menschsein an sich und das Menschsein in zentralster Weise ausmachen.
Das ist der Grundgedanke der völkischen Idee, des modernsten, wissenschaftsnahesten Denkens der Menschheit.
In dem Video erörtere ich dann zunächst zwei frühere Studien, die denselben Grundgedanken als Ergebnis ihrer Forschungen fanden (6, 7). Aber dann befasse ich mich insbesondere mit der hier eingestellten Abbildung 1b. Sie ist nämlich in der Tat einer gründlicheren und sogar staunenderen Betrachtung wert.*)
Frühe große Völker Europas und Asiens (seit 15.000 v. Ztr.)
Die obere Reihe in dieser Abbildung 1b zeigt nämlich zunächst die Genetik ausgestorbener, archäologisch erforschter Völker (und zwar in der Reihenfolge jener "Ancient individuals", die unter 1a aufgeführt sind). Außerdem zeigt sie einige repräsentative, noch heute sehr ursprünglich lebende "indigene" Völker Sibiriens, deren Vorfahren großen Einfluß auf die Ethnogenese heutiger Völker im eurasischen Raum hatten.
Da ist etwa zunächst das dritte Volk von links (fast ganz rot gefärbt mit wenigen hell-lila Einsprengseln). Hier handelt es sich um die blonden osteuropäischen Jäger und Sammler (Ehg = Eastern Hunter Gatherer), die vor dem Neolithikum eine weite Verbreitung in Osteuropa hatten. Sie stammen - wie deutlich zu sehen ist - von den Mammutjägern ab, die vor etwa 15.000 Jahren am Jennissei in Sibirien gelebt haben, also von dem zweiten Volk von links (Ag3 = "Afontova Gora 3"), und die - wie gesagt - unter ihren Angehörigen schon blonde Haarfarbe aufzeigten (8).
Das sechste und siebte Volk von links sind die ursprünglichen, ebenfalls zum Teil blonden Indogermanen (Yms = "Yamnaja_Samara" an der Wolga und in der Ukraine, sowie Afn = "Afanajasevo" in Sibirien). Es handelt sich um ein Volk der Frühen und Mittleren Bronzezeit, das in der Späten Bronzezeit genetisch scheint ausgestorben zu sein.
Das achte bis zehnte Volk (Srn=Srubnaya, Stt=Sintashta, Adr=Andronovo) sind die genetisch im heutigen Südpolen "europäisierten" Indogermanen der Mittleren und Späten Bronzezeit, also die blonden indogermanischen Schnurkeramiker, also ursprüngliche Indogermanen der Ukraine, die sich mit den anatolisch-neolithischen Bauern der ihnen westlich gelegenen Kugelamphorenkultur vermischt haben und sich danach dann - über genetische "Replacement-Vorgänge" - einerseits bis nach Sibirien im Osten, andererseits bis nach England und Skandinavien im Norden und zum dritten bis nach Spanien und Sizilien im Westen und Süden und zum vierten vermutlich auch über den Kaukasus nach Anatolien (als Hethiter) ausgebreitet haben.
Der hellgrüne Anteil der Genetik der ursprünglichen Indogermanen stammt - mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit - aus jener ersten Weinbauern-Kultur, die sie sich ab 6.000 v. Ztr. bis in den Kaukasus ausbreitete, und die hinwiederum von der Samara-Kultur im Iran abstammte (so wie zeitgleich die Gruppe der anatolisch-neolithschen Bauernvölker Europas genetisch aus Anatolien stammte).
Das dritte Volk von rechts (dunkelgrüne Farbe) sind die Nganasanen ( Wiki, engl), das Volk, das innerhalb Europas am nördlichsten lebt, nämlich auf der Taimyrhalbinsel. Die Nganasanen sprechen zwar heute eine samojedische Sprache, werden aber zu den paläo-sibirischen Völkern gezählt, die sprachlich "samojedisiert" wurden, als die Rentier züchtenden Samojeden von Süden in ihr Gebiet einwanderten. Sie lebten bis zum 19. Jahrhundert nur vom Fischen und Jagen, seither auch von der Rentierzucht. Dem Volk gehören heute noch etwa 900 Menschen an. Schon vor einem halben Jahr schrieben wir über die "Frühen Paläo-Sibirier" (9). Offenbar sind die Nganasanen aus genetischer Sicht die besten heutigen Nachfahren, Repräsentanten derselben.
Das zweite Volk von rechts (hellgelbe Farbe) sind die Ultschen (Ulc=Ulchi) ( Wiki). Sie leben am Fluß Amur in Nordsibirien als Fischer. Die ursprüngliche Sprache der Ultschen, die heute ausgestorben ist, soll der koreanischen Sprache nahegestanden haben, auch genetisch sollen sie den Koreanern nahestehen (10, 11).
Soweit erst einmal die vorgeschichtlichen und heutigen, noch sehr ursprünglichen Völker der ersten Reihe in Abbildung 1b.
Die finno-ugrischen Völker der Waldtundra
In der zweiten Reihe finden sich dann heutige Völker der Waldtundra wie der Ungarn (Hun), Esten (Est), Finnen (Fin), Saamen (Saa), Karelier (Krl), Wepsen (Veps) ( Wiki), Russen (Rus), Moldavier (Mdv), Bessermenen (Bes), Udmurten (Udm) und anderer mehr. Sie alle weisen neben der Genetik der blonden osteuropäischen Jäger und Sammler recht deutliche anatolisch-neolithische und nur ganz geringe iranisch-neolithische Genetik auf (Abbildung 1b).
Wie soll man sich also die Ethnogenese dieser Völker der finno-ugrischen, bzw. uralischen Sprachgruppe ( Wiki) vorstellen? Soll diese Völkergruppe ursprünglich wirklich aus dem Ural stammen? Wie soll denn dort die anatolisch-neolithische Genetik hingelangt sein? Da scheinen doch eher osteuropäische Jäger und Sammler an ihrem westlichen Verbreitungsrand der Waldtundra auf die anatolisch-neolithischen Bauernvölker der Kugelamphoren-Kultur gestoßen zu sein. Und sie scheinen sich dann ähnlich mit diesen vermischt zu haben wie ihre südlichen Angehörigen mit den iranisch-neolithischen Weinbauern im Kaukasus.
In der Waldtundra entstand daraus die uralische, bzw. finno-ugrische Sprachgruppe, in der Steppe entstanden die Indogermanen. Und wahrscheinlich - bekanntlich - sind die Völker der finno-ugrischen Sprachgruppe zumindest zum Teil von den Indogermanen, den Schnurkeramikern unterworfen worden, wodurch auch ein geringer Anteil iranisch-neolithischer Genetik zu ihnen gekommen sein kann. Ob es so gewesen ist?
Oder muß man sich ihre Ethnogenese noch ganz anders vorstellen? Hier scheint es wirklich noch allerhand offene Fragen zu geben ( Wiki). Diese offenen Fragen werden noch viel weniger innerwissenschaftlich und öffentlich wahrgenommen als die offenen Fragen rund um die Ethnogenese und Ausbreitung der Indogermanen. Auch der Autor dieser Zeilen wird gerade zum ersten mal auf diese ungeheuer spannenden Fragen aufmerksam. Indem sie geklärt werden, dürfte übrigens auch viel Licht geworfen werden auf die Ethnogenese der Indogermanen.
Die wilden, stolzen Reitervölker der Waldsteppe
In der dritten Reihe (Abbildung 1b) finden sich heutige Völker der Waldsteppe wie der Tataren (Ttm, Ttk, Ttz, Tts), der Baschkiren (Bsn, Bsc, Bss), der Altaier (Alt, Ack), der Tubalaren (Tbl), der Kasachen (Khk). Sie leben heute in der Urheimat der Indogermanen, weisen aber eine Genetik auf, die sich sowohl von der der frühbronzezeitlichen Indogermanen wie der der spätbronzezeitlichen, schnurkeramischen Indogermanen deutlich unterscheidet.
Und in der dritten Reihe finden sich heutige Völker der südlichen Steppe. Hier gibt es noch viele Details, die man sich genauer ansehen müßte, und die hier im Blogartikel gegebenenfalls noch künftig ergänzt werden können.
Das Video selbst (1) bricht aufgrund des ausgeschöpften Speicherplatzes sehr abrupt ab. Aber inhaltlich ist das meiste, das referiert werden sollte, in ihm schon referiert worden.
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*) Vollständiger originaler Erläuterungstext:
Genetic structure of inner Eurasian populations.
a, The first two principal components of 2,077 Eurasian individuals separate Western and Eastern Eurasians (PC1) and North-east and Southeast Asians (PC2). Most inner Eurasians are located between Western and Eastern Eurasians on PC1. Ancient individuals (colour-filled shapes) are projected onto principal components calculated based on contemporary individuals. Present-day individuals are marked by grey dots, with their per-group mean coordinates marked by three-letter codes (which are defined in Supplementary Table 2). Individuals are coloured by their language family.
b, ADMIXTURE results for a chosen set of ancient and present-day groups (K = 14). The top row shows ancient inner Eurasians and representative present-day Eastern Eurasians. The following three rows show forest-tundra, steppe-forest and southern steppe cline populations, respectively. Most inner Eurasians are modelled as a mixture of components primarily found in Eastern or Western Eurasians. The results for the full set of individuals are provided in Supplementary Fig. 3.
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- Bading, Ingo: Völker Asiens, Völker Europas - Euer Werden, Euer Überleben!, https://youtu.be/ffqVANXdITQ
- Choongwon Jeong, Oleg Balanovsky, [...], Wolfgang Haak, David Reich, Johannes Krause: The genetic history of admixture across inner Eurasia. Nature Ecology & Evolution (2019), Published: 29 April 2019, https://www.nature.com/articles/s41559-019-0878-2
- MPI-Pressemitteilung: Neue Studie enthüllt Details der Geschichte Inner-Eurasiens, 29. April 2019, https://www.shh.mpg.de/1282467/genetics-inner-eurasia
- Lara M. Cassidy: A steppe in the right direction. Nature Ecology & Evolution (2019), Published: 29 April 2019, https://www.nature.com/articles/s41559-019-0876-4
- Ludendorff, Mathilde: Das Gottlied der Völker. Eine Philosophie der Kulturen. Ludendorffs Verlag, München 1936
- Semes and Genes in Afrika.
- Haber M, Gauguier D, Youhanna S, Patterson N, Moorjani P, Botigué LR, et al. (2013) Genome-Wide Diversity in the Levant Reveals Recent Structuring by Culture. PLoS Genet 9(2): e1003316. https://doi.org/10.1371/journal.pgen.1003316, https://journals.plos.org/plosgenetics/article?id=10.1371/journal.pgen.1003316
- Bading, Ingo: Kossinna lacht. St.ge., 11/2017, https://studgendeutsch.blogspot.com/2017/11/kossinna-lacht-er-lacht-und-lacht-und.html
- Bading, Ingo: Die sibirischen Mammutjäger der Eiszeit - Sie sind genetisch ausgestorben - Nach der Eiszeit wanderten ostasiatische Völker in Sibirien ein. St.gen., 12. November 2018, https://studgendeutsch.blogspot.com/2018/11/die-sibirischen-mammutjager-der-eiszeit.html
- Veronika Siska, Eppie Ruth Jones, Sungwon Jeon, Youngjune Bhak, Hak-Min Kim: Genome-wide data from two early Neolithic East Asian individuals dating to 7700 years ago. In: Science Advances. Band 3, Nr. 2, 1. Februar 2017, S. e1601877, doi:10.1126/sciadv.1601877, https://advances.sciencemag.org/content/3/2/e1601877 (frei zugänglich)
- Bading, Ingo: 8.000 Jahre lange unverfälschte genetische Kontinuität eines Fischervolkes - In Ostsibirien. St.gen.II, 5. Februar 2017, https://studgendeutsch.blogspot.com/2017/02/8000-jahre-lange-genetische-kontinuitat.html