Posted by Marlene on März 8, 2015 · Hinterlasse einen Kommentar
Vor 15 Jahren schrieb ich eine Kurzgeschichte mit dem Titel “Ihr neues Kind”. Darin sitzt eine Familie am Küchentisch und blättert durch den Katalog des örtlichen Krankenhauses, wo man sich als Alternative zur natürlichen Geburt ein Baby im Reagenzglas heranwachsen lassen kann – auf Wunsch mit genetischen Verbesserungen.
Geschlecht, Augenfarbe und wem das Kind mehr ähneln soll, alles kann man sich dort aussuchen. Während die werdenden Eltern und die kleine Tochter enthusiastisch einen Fragebogen zum neuen Baby ausfüllen, äußert die große Schwester als einzige kritische Bedenken.
Die Zukunft ist heute
Ich war gerade 15 Jahre alt und gewann damit einen Sonderpreis bei einem deutschlandweiten Schüler-Literaturwettbewerb zur Expo 2000 in Hannover. Die Geschichte spielt im Jahr 2020. Die Zukunft, die ich mir damals vorgestellt habe, die ich gefürchtet habe, ist nicht mehr weit entfernt. Kinder wachsen auch heute noch nicht im Labor heran, um die neunmonatige Schwangerschaft kommt frau noch nicht herum. Aber nach der Qualität der Gene auswählen, dass kann man bereits.
Werden Markt und Mode das Aussehen unserer Kinder bestimmen?
Die US-amerikanische Firma 23andMe hat sich beispielsweise laut Greenpeace-Magazin 1.14 inzwischen ein Patent auf die Selektion menschlicher Samen- und Eizellen gesichert – es heißt US8543339. Zukünftig soll es Eltern in den USA so auch möglich sein, die Augen- und Haarfarbe, Geschlecht, hohe Lebenserwartung und einen athletischen Körperbau zu wählen. In Europa ist das freilich (noch) nicht erlaubt. Aber wenn sich die Methode in anderen Teilen der Welt einmal durchsetzt, wird Europa dann überhaupt eine Chance haben, beim natürlichen Modell zu bleiben?
“Niemand konnte sich sein Aussehen auswählen, warum also sollte es jemand anders dürfen?”
Das fragt sich meine Hauptperson in der Geschichte “Ihr neues Kind” – und die Frage ist immer noch berechtigt. Damals sah ich die Welt mit dem nüchternen Blick eines Teeangers. Ich habe den Eindruck, dass man die Gesellschaft und ihre Probleme in diesem Alter klarer und kritischer sieht. Man gehört noch nicht auf gleiche Art dazu, man muss sich noch nicht vor sich selbst dafür rechtfertigen, zu den gesellschaftlichen Entwicklungen beigetragen zu haben. Ich will versuchen, diese Sichtweise wiederzufinden und sie zu bewahren.
Die Geschichte “Ihr neues Kind” gibt es hier als PDF zum Download: Ihr neues Kind_Marlene Hofmann.