Wie könnte sich denn nun der Buchhandel auf eine neue Art von Leserschaft einstellen?
Mit meinem vorherigen Blogartikel habe ich erstmal nur ein wenig aufrütteln wollen. Mir liegt etwas am Buchhandel oder besser: an Buchgalerien, in denen ich in pBooks stöbern kann und von deren Auswahl und Präsentation an Büchern ich mich inspieren lassen möchte. Deshalb wollte ich dem Buchhandel einmal berichten, mit welcher Art von Lesern er es (auch) zu tun hat. Nämlich mit solchen, die ihn benutzen, ohne ihm etwas dafür zu geben. Klingt hart, ist aber so.
Also: Wie könnte es der Buchhandel denn besser machen? Das bin ich seit meiner Nachricht an den Buchhandel öfter gefragt worden. Denn besser als diese Thalia-Antwort geht es bestimmt.
Natürlich kenne ich kein Patentrezept. Die Silberkugel habe auch ich nicht gegossen. Allerdings bin ich mir in einem sicher: Wenn es besser werden soll, dann muss es anders werden. Ziemlich anders. Und das auch noch ziemlich schnell. Immerhin droht 40% der Buchhandelsfläche in den nächsten 5 Jahren das Aus, prophezeit Carl Halff, Chef des Weltbild-Medienversands. Und das, obwohl seine Einschätzung des iPads sehr, hm, konservativ ist:
“Für Bücher ist das iPad ungeeignet, zu unhandlich und zu schwer, um damit länger zu lesen, auch nicht blendfrei.”
Irgendwie mögen solche Läden dann Geld verdienen. Gratulation. Aber mit Buchhandel hat das dann für mich nicht mehr viel zu tun. Schon heute ist das Personal im Buchhandel meist recht unverständig. Man kann Bücher räumen und am PC bestellen. Aber beraten… das können die meisten nicht. Überblick – auch nur über eine Sparte –, den haben die meisten nicht. (Besser ist das nur in Antiquariaten. Dort sitzen Enthusiasten.)
Multichannel ist aus meiner Sicht also nicht die Lösung, sondern eine Unterwerfung. Wer als Buchhandel ein Problem hat und dann die Bücher, d.h. die Träger von Inhalten zurückfährt und auf Bauchladen umsattelt, der wechselt schlicht die Branche. Lidl hat kein Problem mit dem Buchverkauf, Karstadt auch nicht. Aber die haben dafür andere Probleme. Ob man also gut beraten ist, die Probleme des Buchhandels gegen andere auszutauschen?
Aus meiner Sicht schlägt Herr Halff also keine Lösung vor, sondern ein Ausweichmanöver für Unternehmen, denen letztlich egal ist, was sie verkaufen. Aus Vorstandsicht natürlich plausibel. Derzeit z.B. im Vorstand von Thalia: Albert Hirsch, der auch schon in Software und Mineralwasser gemacht hat, oder Oliver Reul, der aus dem Bereich Logisik zu kommen scheint und auch schon bei T-Mobile gearbeitet hat, oder Michael Weber, der Erfahrung bei Star Finanz, HanseNet und Tchibo gesammelt hat. Was soll ich als Buchfreund da denken? Dass diese Herren sich dem Buch, den Buchinhalten verpflichtet fühlen, dass sie ein genuines Interesse am Lesen und an Lesern haben? Nein, leider kommen solche Gedanken bei mir nicht auf.
Was kann der Buchhändler aber nun besser machen in Bezug auf sein Thema? Wie kann er die Umwandlung in einen Bauchladen vermeiden? Hier ein paar Ideen aus meiner Sicht als Leser:
Idee #1: Embrace
Wenn es weh tut, dann mach mehr davon. Diesen Rat an alle, die etwas verbessern/lernen wollen, kann ich nur dem Buchhandel geben. Wenn online Buchverkäufe weh tun, dann versucht mehr damit zu machen. Wenn eBooks weh tun, dann versucht, mehr davon zu verkaufen. Oder wenn nicht verkaufen, dann zumindest besser verstehen, mehr selbst nutzen.
Wenn´s im Bauch zwickt, muss man nicht sofort zum Arzt laufen. Mal einen Tag aushalten und schauen, ob es weggeht, reicht meist aus. Die Schmerzen durch online Buchhandel und eBooks sind aber nicht vorrübergehend. Soviel ist schon heute klar. Wer also noch aushält und darauf wartet, dass es von allein besser wird, der hofft vergeblich.
Wenn aber klar ist, dass Schmerzen Symptome einer ernstzunehmenden Krankheit sind – 40% Flächenverlust für Bücher scheinen mir ziemlich ernst –, dann ist Aktivität angezeigt. Dann muss schleunigst nach einer Kur gesucht werden. Dann darf man sich dem Problem nicht verschließen.
Damit geht dann einher, jeden Tag wieder zu überlegen, wie mit online und eBook usw. mehr Geschäft gemacht werden kann. Physische Bücher (pBooks) muss man nicht mehr anpreisen. Die verkaufen sich von selbst; ich meine, deren form factor verkauft sich von selbst. Gefragt sind Ideen, wie mit pBooks online oder eben mit eBooks Geschäfte gemacht werden können. “Wie kann ich den nächsten Kunden motivieren, sein Geschäft demnächst mit mir online zu machen oder ein eBook zu kaufen?”, diese Frage sollte sich jeder Buchhändler bei jedem Kunden stellen. Nur so wird das Neue wirklich ernst genommen. [2]
Der Grossist libri macht es jedem Buchhändler leicht, einen online Buchshop zu betreiben. Nunnes kleines Bücher & Co ist dafür ein Beispiel, aber auch die große Mayersche Buchhandlung. Das ist ein schöner Anfang. Technisch haben Buchhandlungen zunächst also nichts auszustehen. Doch dann… Gerade ein Gelegenheitskäufer findet nur schwer den Weg zum online Buchladen eines kleinen Geschäfts. Amazon hingegen ist in jedermanns Kopf verankert. Mit einem Shop von libri fängt die kreative Arbeit der Umarmung der “neuen Medien” erst an. Darauf kann sich niemand ausruhen.
Idee #2: Fokus
Wer als Buchhändler das Heil im Multichannel sucht, wird sich und seiner Kundschaft untreu. Aus meiner Sicht führt der ehrliche Weg im Buchhandel daher nicht in die Breite, in die Diversifikation, sondern in die Tiefe. Spitzer werden, fokussieren, auf das Wesentliche konzentrieren, das, so glaube ich, sollte die Strategie der Stunde sein.
Beschaffung, Lagerung, Nachschlagen: das alles ist heute aber kein Problem mehr. Jeder kann das genauso gut wie der Buchhändler (oder sogar besser, je nach Enthusiasmus). Und das auch noch von zuhause aus.
Worum geht es also heute beim Buchladen? Es bleibt nur der Inhalt. Es geht nur noch um die Vermittlung von Inhalten unabhängig vom Medium. Inhaltsproduzenten müssen an Inhaltskonsumenten vermittelt werden. Die vornehme Aufgabe der Buchladeninhaber ist dieselbe wie die guter Gastgeber: sie stellen Menschen einander vor – und ziehen sich dann zurück.
Wenn die Zusammengebrachten einander interessieren, dann wird mehr daraus. Sie treffen sich nach der Party wieder bzw. der Leser kauft Inhalte des Autors. Wie, wo, wann, wieviel… das sollte Gastgeber wie Buchhändler egal sein. Sie haben ihren Job getan, wenn sie ein Angebot einem Bedarf zugeführt haben.
Und dafür sollen sie dann auch entlohnt werden. Dem Gastgeber ist Beifall gewiss, der Buchhändler verdient dafür Geld.
Der Buchladen der Zukunft sollte sich also genau darauf konzentrieren: Lesebedarf und Lesestoff zusammenbringen. Egal wie. Je genauer und verlässlicher, desto besser. pBook, CD, MP3, eBook… egal. Im Laden kaufen, online kaufen… egal.
Die Frage, die sich der Buchhändler jeden Tag stellen sollte ist: Wie kann ich die Inhalte, die es gibt, die sich jeden Tag vermehren, interessierten Lesern zuführen? Alles ist erlaubt. Alles kann in Frage gestellt werden.
Beispiel Probekauf: Warum nicht noch einen Schritt weitergehen und Kunden Bücher mit nach Hause geben? Sozusagen Kauf auf Probe. Bei Nichtgefallen kann das Buch innerhalb von 48 Stunden zurückgebracht werden. (Mit Umtausch kann man sich soetwas als Kunde natürlich heute schon erschleichen. Deshalb vergibt sich der Buchhandel nichts, diese Möglichkeit als Dienstleistung offiziell anzubieten.)
Beispiel Serienabo: Es gibt zunehmend Autoren, die Buchreihen schreiben. Da tritt immer wieder derselbe Protagonist auf oder sie drehen sich ums selbe Thema usw. Wer Dona-Leon-Fan ist, der will wahrscheinlich all ihre Bücher lesen, dito wer Fan von Inspektor Wallander ist oder Kay Scarpetta mag. Warum also als Buchhandel nicht ein Abo auf Bücher solcher Reihen anbieten? Ja, ich weiß, dass es eine Buchpreisbindung in Deutschland gibt. Ein günstiger Abopreis wird deshalb wohl schwer bis unmöglich sein. Doch mit Kreativität lässt sich da doch etwas machen, denke ich. Lesern geht es nicht immer um den Preis. Sie wollen Bequemlichkeit, sie wollen Aufmerksamkeit. Ich würde mich freuen, wenn der Buchhändler meiner Wahl mir versichern könnte, mir z.B. jedes Buch von Martin Suter bei Erscheinen als Taschenbuch sofort zurückzulegen, mich zu informieren oder mir sofort zuzuschicken als Probekauf. Wenn dann noch jedem Buch eine kleine Aufmerksamkeit beiläge… Was wollte ich mehr? Das Abo brächte mir doch schon Ruhe und Gewissheit, kein Buch zu verpassen.
Beispiel Rückkauf: Wenn schon pBook, warum dann als Buchladen nur einmal daran verdienen? Wäre es nicht toll, wenn man sein pBook am Ende statt ins Regal daheim wieder ins Regal im Buchladen stellen könnte, um ein anderes mitzunehmen? Warum dafür in die Bücherei gehen, die irgendwie nie das aktuelle Buch hat, das man gerade lesen will? Der Buchladen nimmt heute schon Bücher ungelesen im Umtausch zurück. Da wäre es ein kleiner Schritt, sie in einem gewissen Zeitraum nach Kauf und in einem gewissen Zustand auch gelesen wieder zurückzunehmen – natürlich zu einem geringeren Rückkaufpreis. Das würde den Buchhandel auch an die zunehmende collaborative consumption heranführen. Die stellt nämlich die nächste Gefahr für alle dar, die neue Waren an jeden verkaufen wollen. Amazon macht es im Internet vor; dort schämt man sich nicht, neben neuen auch gebrauchte Bücher anzubieten.
Das sind vier Beispiele für eine Erweiterung der Dienstleistungspalette, ohne gleich zum Multichannel-Höker zu werden. Hier geht es ganz klar um den Inhalt, wenn nicht sogar ums Buch. Andere Ideen für Umsätze durch mehr Fokus lassen sich bestimmt finden. Für diese hier habe ich ja nur 10 Minuten gebraucht als Laie. Auch geht es nicht um den einen Knüller, sondern um eine Bandbreite an Angeboten neben dem pBook/eBook, ohne gleich auf Tassen und Frühstücksbrettchen ausweichen zu müssen. Warum bei Leseecke und Leseabend stehenbleiben?
Idee #3 Selektion
An ein Vollsortiment ist im offline Buchhandel gar nicht zu denken. Auch eine große Mayersche Buchhandlung kann nicht alles auf Lager haben oder auch nur präsentieren. Ich glaube deshalb, dass es zukünftig mehr denn bisher darauf ankommt, als Buchladen zu selektieren.
In jedem Fall gehört zur gezielten Selektion, die wirklich Mut hat, Titel wegzulassen, eine echte Kompetenz. In Bezug auf die Selektion muss der Buchhandel kundig sein: Autoren kennen, Empfehlungen aussprechen können, abgrenzen können. Wie beim Outdoor-Laden käme es dafür nicht auf eine formale Ausbildung an, sondern auf Enthusiasmus und Erfahrung.
Wenn der Buchladen aufgrund seiner Selektion und seines Fokuses mir helfen kann, zu neuen spannenden Titel in jedem Format zu kommen, dann bin ich als Leser begeistert. Das kann im persönlichen Gespräch geschehen oder durch eine besonders hilfreiche “Regallandschaft” oder durch eine eigene “Suchmaschine”… egal.
Der Buchhandel, der 2 Regale Krimis, 1 Regal Kinderbücher, 1 Regal SF, 4 Regale allgemeine Romane usw. hat, wird wohl leider keine Zukunft haben. Ihm fehlt die klare Selektion, ein deutliches Kompetenzprofil. Nicht, dass er keine Kunden fände, aber ich glaube nicht, dass sie ihm reichen können. Ich wüsste einfach nicht, was ich von ihm erwarten soll als “das Übliche”, d.h. 95% das, was ich auch bei Thalia und Amazon sofort angeboten bekomme. So ein Sortimentsdurcheinander wird zukünftig nur immobile Leser befriedigen, die quasi auf diesen Buchladen angewiesen sind.
Für mich liegt die Zukunft des Buchhandels aber nicht bei denen, die nicht anders können, sondern bei denen, die gezielt einen Buchladen aufsuchen, weil sie anders können, aber nicht anders wollen. Sie wollen in das Geschäft, weil das Geschäft ihnen unwiderstehliche, womöglich einzigartige oder zumindest sehr persönliche Angebote macht. Kunden von Buchläden wollen keine Bücher mehr – also Seiten zwischen Pappdeckeln –, sondern “Leseerlebnisse” rund um Inhalte. Und da es von denen potenziell viele gibt, freuen sie sich, wenn sie auf dem Weg dahin Gleichgesinnte treffen und mit Leuten zu tun haben, die sie wirklich verstehen. Je undefinierbarer die Selektion einer Buchladens aber ist, desto weniger ist zu erwarten, dass ein solcher Kontakt entsteht.
Idee #4 Präsenz
Ich denke daher, dass Buchläden ihr Angebot in Bezug auf Buchpräsenz optimieren müssen. Heute sehe ich hohe Bücherberge mit demselben Titel. Warum? Weil man an Leser denkt, die das Buch physisch sofort mitnehmen wollen. Dabei ist das doch nicht mehr das Problem. Jeder kann das Buch morgen in seinem Postkasten haben oder in 30 Sekunden auf seinem eReader.
Mir wäre lieber, die Buchläden würden in den Regalen eine größere Vielfalt an Büchern präsentieren, statt vom selben Titel viele Exemplare. Auf die Spitze getrieben hieße das: Im Buchladen der Zukunft ist entsprechend seiner Selektion jedes Buch nur 1 Mal vorhanden – als Präsenzexemplar. Das kann ich mir vor Ort ansehen, aber nicht sofort mitnehmen. Stattdessen bestelle ich es an der Kasse und bekomme es morgen geliefert oder kann es mir runterladen. D.h. auf dem Präsenzexemplar ist auch klar ersichtlich, welche anderen Formate es gibt: ePub, PDF, Kindle, MP3, CD.
Auch nicht jedes Buch muss physisch komplett vorhanden sein. Wo es eBooks gibt, reicht im Regal eine Karte, die aussieht wie das Buch, um mir Geschmack zu machen. Oder ein Booklet mit einem Auszug. Davon würden viiiiel mehr ins Regal passen. Wenn ich dann mehr will, nehme ich mir einen der rumliegenden eReader und lese damit weiter im Buch, bis ich weiß, ob ich es haben will oder nicht. Natürlich kann ich es damit auch sofort über den online Bookshop des Ladens kaufen. [4]
Fazit
Soweit mal vier Aspekte mit Ideen für eine Zukunft des offline Buchhandels, d.h. von Buchläden. Wie gesagt, darunter ist keine Silberkugel. Es gibt keine Wunderwaffe zur Rettung des Buchhandels. Aber ich denke, Fatalismus ist fehl am Platze. Es lässt sich eine Menge tun, wenn man etwas kreativ ist und Mut hat.
Die Zukunft des Buchhandels liegt im Nebel. Nur soviel ist gewiss: das Terrain vor ihm ist tückisch und das bisher Bewährte gibt wenig Sicherheit für den weiteren Weg.
Deshalb halte ich es für wichtig, den Nebel nicht aussitzen zu wollen. Stattdessen besser frisch voran. In kleinen experimentellen Schritten. In den Nebel hinein. Oder gar selbst zum Nebel werden, mit ihm verschmelzen. Agieren statt reagieren. Niemand ist Opfer des Wandels durch das Internet – außer man macht sich dazu.
Bei diesem mutigen Voranschreiten dann auf eines vertrauen: dem inneren Kompass in Richtung Inhalt. Denn darum geht es: Inhalte, “Leseerlebnisse” zu vermitteln. Wer daran nicht interessiert ist und im Grunde alles verkaufen könnte, um “am Leben zu bleiben”, der ist schon heute kein Buchhändler mehr. Also fokussieren auf alles, was mit Inhalten zu tun hat.
Da dieser Bereich jedoch eher wächst denn schrumpft, braucht es wieder mal Mut: um sich in der Auswahl zu beschränken und in Bezug auf diese Auswahl echte Kompetenz aufzubauen. Mich zumindest wird in Zukunft der Bauchladenbuchhandel nicht mehr interessieren. Von allem ein bisschen…? Das kriege ich bei Amazon besser. Wenn ich in den Buchladen gehe, dann will ich, dass man mich anspricht, mich versteht. Rundum. In Bezug auf Inhalte und auch die Form. Wer da verlegen lächelt, wenn es um das Thema eBook geht, ist raus.
Für mich liegt daher die Zukunft des offline Buchhandels in der Präsentation einer profilierten Vielfalt. Ich will möglichst viel dort “begreifen” können im Laden. Denn was ich im Laden “ausprobieren” kann, dass kaufe ich eher. “Try before you buy.” Mitnehmen muss ich es nicht unbedingt und schon gar nicht als pBook.
Und nun kommt ihr, liebe Leser. Wer hat noch andere Ideen für den Buchhandel? Wenn der sich selbst schwer tut mit dem Wandel, können wir ihm vielleicht aus Lesersicht auf die Sprünge helfen.
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PS: Noch ein Hinweis dazu, wie die Veränderungen angegangen werden können in den Buchläden: gemeinsam. Der Buchhändler, der glaubt, er könne die Zukunft vorausdenken für seine Mitarbeiter (wenn er noch welche hat), verschenkt Ideenpotenzial. Alle müssen an einen Tisch, weil alle im selben Boot sitzen. Dabei ist dann alles erlaubt. Es gibt nur eine Pflicht: mutig nach vorne denken und Veränderungen ernsthaft ausprobieren. Ja, ich meine ausprobieren, d.h. zunächst nur für begrenzte Zeit implementieren. Nicht alles auf eine Karte setzen. Manche Aktion läuft dann vielleicht 4 Wochen, eine andere 3 Monate, eine dritte ein ganzes Jahr.
PPS: Wer als Buchhändler noch nicht damit angefangen hat, sollte übrigens schleunigst einsteigen ins Sammeln von Kundenadressen. Hier ist der Begriff Kanal tatsächlich wichtig: einen Kommunikationskanal zu den Kunden aufbauen. Briefpost, Twitter, Facebook, Email-Newsletter… egal. Dem Buchladen müssen die Kunden per Adresse bekannt sein. Die Zahl anonymer Buchkäufe muss minimal sein. Auch hier ist also Kreativität gefragt: Wie kann der Buchkäufer überzeugt werden, sich zu erkennen zu geben zumindest mit einer Email-Adresse?
Fußnoten
[1] Es sei denn, es geht um neue Formen, bei denen Leser noch Hilfestellung benötigen. Doch gerade da schwächelt der traditionelle Buchhändler. Ich kenne jedenfalls nur solche, denen das gute alte pBook so lieb ist, dass sie eigentlich keine eigene Erfahrung mit eBooks haben, geschweige denn Fans von eBooks wären.
[2] Oder auch die Kundschaft fragen, warum sie eben nicht online kauft oder kein eBook liest. Auch das zu wissen, ist wichtig. Wenn da die Antwort ist, “Weil ich ihren persönlichen Rat als Buchhändler schätze”, dann ist das toll und ein Hinweis darauf, was in Zukunft ausgebaut werden muss. Falls die Antwort jedoch lautet, “Ach, ich kenn mich mit Computern nicht so aus”, dann ist klar, dass dieser Kunde nur gezwungenermaßen im Laden steht; er kann nicht anders – und wird aussterben. Ihn zu bedienen, ist natürlich selbstverständlich. Irgendwie. Auf ihn die Strategie auszurichten, wäre aber verfehlt. Außer man sieht es als Marktlücke an, für “internet challenge people” einen Laden zu machen so wie in anderen Ländern Schreibstuben für Leseunkundige.
[3] Deshalb ist der Buchladen eigentlich auch gut aufgestellt. Er hat den persönlichen Kontakt zum Erlebnishungrigen. Amazon hat den nicht. Wenn der Buchhandel zum Multichannel wird, nutzt er diese Chance nicht. Eine Tasse zum Buch ist kein Erlebnis. Eine Harry-Potter-Party aber, die HP-Sondervorstellung in einem Kino, der Zauberkurs für HP-Fans im Laden, die HP-Reise nach Schottland, das Twitter Re-enactment eines Quidditch-Spiels jedoch… das sind Erlebnisse. Die kann man online nicht bestellen.
[4] Hier wird deutlich, dass der Buchhandel Hilfe von den Verlagen braucht. “Buchpräsentationskarten” und Booklets stellen sich nicht von allein her. Auch könnten pBooks schon gleich mit Hinweisen auf weitere Formate bedruckt sein. Für Neuerscheinungen gibt es manchmal vorab Booklets; warum aber nicht konsequent für alle Titel? Die können ja ganz einfach gehalten sein. Damit könnten die meisten Verlage mit ihrem kompletten Programm vor Ort in jeder Buchhandlung sein. Zum Anfassen.