Idee – wo, wann und wie kommt dir die BIG IDEA? // 7 Konzeptioner antworten…

Von Chris Cuhls @Ablaufregisseur

Das Ergebnis einer Idee: "Nächster Halt: Frankfurt 1888 - eine nächtliche Theaterreise" // Quelle: DB

" The ability to connect the seemingly unconnected and meld existing knowledge into

new insight about some element of how the world works. That's practical creativity."

- Maria Popova

Kreativität beschäftigt mich seit jeher. Kürzlich sprach ich mit einer Teilnehmerin von treibhaus 0.8 über den Findungsprozess einer Idee. Das Gespräch gab mir Anlass einige kreative Event-Konzeptioner nach ihren Techniken zu befragen. Für alle gab es die ein und selbe Frage:

Wo, wann und wie kommt dir DIE Idee?

7) Elgin Wiggers // Büro für Text und Konzeption

Gute Ideen lieben das Gefühl, wie unbeabsichtigt und beiläufig daher zu kommen - deshalb meinen ja auch viele Menschen, die besten Ideen haben sie zum Beispiel unter der Dusche, beim Wandern am Bergsee oder beim Fensterputzen. Also in einem Zustand, in dem man weder Stoppuhr noch Kritiker im Kopf hat und so tut, als beschäftige man sich mit etwas ganz anderem als der Ideenfindung.

Die Kunst in unseren so genannten kreativen Dienstleisterberufen ist es, diesen wie zufällig und beiläufig-entspannten Zustand tagtäglich aufs Neue herbeizuführen, auch wenn alle äußeren Parameter dagegen zu sprechen scheinen. Denn wie oft sind weder Dusche noch Bergsee zur Hand, und nebst profanem Laptop befinden sich Stoppuhren, Deadlines oder Ideenbegierige Gegenüber in nächster Umgebung und schauen ungeduldig beim Finden zu: Jetzt! Sofort! Los!

Mit voller Absicht dann noch absichtslos und beiläufig zu wirken - das klingt absurd.

Geht aber. Versprochen.

Wie - das findet am besten jeder selbst für sich heraus. Zum Beispiel bei einer Wanderung an einem hübschen Bergsee. Oder bei einer heißen Dusche...

Das ist eine echt schwierige und kaum zu beantwortende Frage. Zwischen kurz vor dem Einschlafen, beim Duschen, morgens auf dem Balkon, beim Surfen auf Facebook & Co., während einer Zugfahrt beim aus dem Fenster schauen, beim Abendessen am Meer, bei einem Kreativ-Wochenende in der Pfalz ist da alles dabei... Meist ist es auch nicht DIE Idee sondern einzelne Fragmente, die mir nach und nach einfallen und dann plötzlich richtig zusammen gesetzt Sinn ergeben.

Das Wichtigste dabei: Das alles ist harte und ehrliche Arbeit. Ganz im Gegensatz zu den Vorstellungen vieler Auftraggeber, die erwarten, dass man „mal eben" eine tolle Idee liefern soll und auch selten bereit sind, dafür ausreichend Budget zu investieren. Außergewöhnliche Ideen entstehen nicht „mal eben", sie sind manchmal über Jahre gereift und daher eigentlich unbezahlbar.

Meine Ideen sind meistens ein Remix aus all den Dingen, die ich in meinem Leben schon erlebt und aufgesaugt habe. Die landen alle in meinem „ Ideenspeicher ". Erlebnisse in der Kindheit, Streiche in der Schule, die erste Liebe, Unterhaltungen mit meinen Kindern, Witze, Musik, Bücher, Filme, Märchen, Reisen, Geschichten von Freunden, Best-Practices aus den letzten Jahren in der Werbebranche...

Ein konkretes Beispiel:Wir hatten ein Briefing der Deutschen Bahn auf dem Tisch. Gesucht wurde eine Idee zur Feier des 125 jährige Geburtstags des Frankfurter Hauptbahnhofs. Wir sind dann zu viert in ein kleines „Hexenhaus" in der Pfalz gefahren und haben uns da zwei Tage eingeschlossen, wie man so schön sagt. Dort habe ich den Anderen dann unter anderem einen Zeitungsartikel vorgelesen, den ich beim recherchieren fand, und in dem die wunderbare Geschichte der letzten Stunde vor Eröffnung des Frankfurter Hauptbahnhofs anno 1888 beschrieben wurde. Wir hatten alle Gänsehaut. Und die Idee war geboren, diese letzte Stunde vor Einfahrt des ersten Zuges in einem Theaterstück am Originalschauplatz noch einmal zum Leben zu erwecken. Das Ergebnis: „Nächster Halt: Frankfurt 1888 - eine nächtliche Theaterreise".

Fazit: Sorry. Kürzer geht's nicht. Wie gesagt, Kreativität ist NICHT das Ergebnis von einem „lichten Moment". Kreativität ist aus meiner Sicht das Ergebnis langjähriger fast krankhafter Neugier für Alles in Kombination mit einer Art Empathie, das Wesentliche und die Schönheit darin zu erkennen und nicht zuletzt das Talent, diese Dinge dann neu (und nicht erneut) und zur jeweiligen Zielsetzung passend zusammen zu setzen.

5) Andreana Clemenz // Regie + Konzept @ PIO Entertainment

Die Idee kommt mir im gehen. Es klingt ungewohnt. Es ist angenehm und anregend. Es verbindet Bewegung, Denken, Gespräch und Erleben. Es öffnet neue Zugänge auf neuen Wegen. Nur wenn man in Bewegung ist, können sich die Gedanken sortieren. Das ist sogar wissenschaftlich wie biologisch bewiesen. Da der Mensch ein Laufwesen ist, muss er auch in Bewegung bleiben, um seinen kreativen Geist und die biologische Zirkulation anzukurbeln. Gehen und Denken - Walk and Talk - Schweigen und Laufen sind Komponenten, die umbedingt zusammen gehören

Warum " walk and talk "? Durch das Bewegen des Körpers werden alle Sinne angesprochen. Die Atmung wird vertieft, was zu einer verstärkten Sauerstoffaufnahme führt. Diese wiederum ermöglicht einen verstärkten Denkprozess. Ganz davon abgesehen, dass alleine der Prozess der Bewegung - vorwärts - eine geistige Vorwärtsbewegung anregt. Schon die alten Dichter und Denker früherer Zeiten ließen sich beim Gang durch die Natur inspirieren und fanden dabei neue Erkenntnisse.

4) Philipp Dorendorf // Konzeptioner @ facts and fiction

Der Reiz zur Idee ist mir wichtig. Um die Idee, die Story, die Lösung selbst mache ich mir eigentlich nie Sorgen, die kommt dann - wenn bei mir der Auslöser gedrückt wird. Ich komme tatsächlich immer zu einem kreativen Ergebnis. Hat aber auch den Nachteil: Ohne Reiz, keine Idee.

Hier ein Beispiel: Wenn ich mich unterhalte, dann scanne ich die Sätze ab nach Impuls-Begriffen, die eine Idee bei mir auslösen. Menschen denken oft, dass ich ihnen nicht zuhöre, aber in Wahrheit höre ich nur „anders" zu. Ob eine Idee dann auch gut ist, ist eine analytisch-bewertende Frage, die woanders stattfindet. Wenn sie nicht gut sein sollte, dann nochmal auf Anfang: Scan-Reiz-Idee.

3) Michael Veidt // Kreativbüro FEDERFREI

WO: Ortsungebunden - entweder ganz allein oder im Ping-Pong mit Projektbeteiligten - ja, sogar mit Kunden

WANN: In den frühen Morgenstunden oder am späten Abend - in den Kernarbeitszeiten ist die Ablenkung meistens leider viel zu groß! Leider erfülle ich das Klischee nicht, Kreative schlafen lang und haben die besten Ideen an der Theke

WIE: Ich komme meistens über das WORT zur Idee - sprich Einwort-Konzepte bringen es für mich auf den Punkt oder besser gesagt "small is the new big". Ein Wort reicht oftmals, hinter denen sich eine ganze Welt auftut. Die Kunst ist es dann "nur noch", aus dem Wort eine ganze Geschichte zu machen inklusive Dramaturgie und überraschenden Inszenierungen.

2) Beke Fahrenbach // freie Konzeptionierin aus Hamburg

Ideen sind überall. Manchmal sind sie leise und fast nicht zu sehen - manchmal sind sie laut und glasklar.

Es kommt immer auf das Zusammenspiel der Parameter an - Inspirationen, Ansätze und Ideen fließen zusammen, ergänzen sich und bilden gemeinsam das große Ganze.

Und dabei muss man vor allem Eines immer sein: OFFEN!

- offen für Neues!

- offen sich einzulassen!

- einfach seine Umgebung mit offenen Armen zu empfangen!

1) Oliver Adams // Konzeptioner + GF @ CREATORS

"Probleme lassen sich niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind." Albert Einstein

Ich bin ein großer Fan davon, sich einer kreativen Aufgabenstellung aus vielen verschiedenen Blickwinkeln zu nähern. Dazu sind nicht einmal Kreativ-Meetings in großer Runde unbedingt notwendig. Es reicht, sich dem Problem voll und ganz anzunehmen und das Thema beziehungsweise die Aufgabenstellung aus unterschiedlichsten Perspektiven zu durchdenken. Das ist anstrengend und braucht Disziplin. Doch meist setzt diese intensive gedankliche Auseinandersetzung den Kreativprozess dann automatisch in Gang.

Genauso wichtig für ‚DIE Idee' ist der kreative Hunger. Den hat man oder nicht. Er ist die Power-Zentrale erfolgreicher Kreativer. Denn Kreativität ist keine Momentaufnahme. Vielmehr handelt es sich um einen dauerhaften Prozess. Es geht darum, Augen und Ohren immer und überall offen zu halten und ständig ein bisschen ‚auf der Suche zu sein'. Ganz besonders Phasen ohne konkrete Aufgabenstellung sollte man nutzen, Neues zu recherchieren und daraus Ansätze für zukünftige Projekte zu entwickeln.

DIE Idee ' kann dann immer und überall kommen. Und wenn man andere an seinen Gedanken teilhaben lässt, kommen die manchmal früher drauf, als man selbst.

Fazit: Ideen sind harte Arbeit und kommen oft absichtslos...

Ideen sind nichts anderes als Lösungen für Probleme. Wie Werbetexter Peter Breuer im W&V kürzlich schrieb, sollten wir dabei Mut haben Ideen selber zu denken und nicht zu googeln... George Lois prägte den Ausspruch: "Have a BIG IDEA!" Genau darum geht es, großartige Ideen zu entwickeln. Ideen, die sofort verständlich wie eingängig sind und im besten Fall zu einer Handlung motivieren.

Für mich ist der Weg zu der Idee ein Mix aus dem hinterfragen von bekannten Wegen, stetiger Neugier, disziplinierter Arbeit sowie der Inspiration von außen in Kombination mit neuartiger Verknüpfung. Bereits vor einiger Zeit schrieb ich über Everything is a remix // Kopieren als Kreativitätsprinzip, einer relevanten Kreativitätsmethodik. Die besten Ideen kommen mir übrigens trotz harter Arbeit auch häufig in den unbeabsichtigten Momenten...

In diesem Sinne wünsche ich Mut, Muse, Anspruch und Gelingen zur BIG IDEA!

Frage: Wo, wann und wie kommt dir DIE Idee? Antworte auf Facebook, Twitter oder LinkedIn.

Abschließend noch Buchtipps, welche mich sehr zu Kreativität und Ideenfindung inspiriert haben:

Kreativitäts-AG: Wie man unsichtbare Kräfte überwindet, die Inspiration im Wege stehen von Ed CatmullHow to catch the Big Idea: Die Strategien der Top-Kreativen von Ralf Langwost Egal, was du denkst, denk das Gegenteil von Paul Arden Verdammt gute Tipps (für Leute mit Talent) von George Lois Why are you creative? von Hermann Vaske Kribbeln im Kopf von Mario Pricken