Zyklustag 1 – Mittwoch, 07.10.2015
Moooment mal. Damit hatte ich nicht gerechnet. Meine Tage kommen zu früh. Einen ganzen vollen Tag zu früh! Das heißt, jetzt geht’s los, und ich bin ein bisschen überrumpelt und stürze mich auf Arbeit und schreibe einen Artikel über nervige Kooperationsanfragen. Ansonsten geht der Tag weitaus ereignislos vorbei. Totaler Blur, ich gehe direkt nach dem Abendessen ins Bett und schlafe um 21 Uhr.
Zyklustag 2 – Donnerstag, 08.10.2015
Ich habe einen Zahnarzttermin, weil mir meine rechte Kieferseite Sorgen macht. Es stellt sich heraus, dass ich keine Wurzelentzündung habe, sondern einen leicht freiligenden Zahnarzt und heftige Verspannungen. Das erklärt, warum meine Schmerzen mit Kytta Balsam auf dem Hals aufgetragen besser werden! Bekomme eine Knirscheschiene, die soll in zwei Wochen fertig sein.
Ich spaziere zu Fuß durch die halbe Stadt zurück, was gut tut, schaue mir bei Saturn Kompaktkameras an. Drehe mit, wie ich mir meine erste Spritze Gonal F setze und mich wundere, dass es nicht piekst. Dafür stinkt das Zeug schrecklich nach Plastik.
Zum Abendessen gibt es Kokos-Kürbis-Eintopf mit Würstchen.
Gedanken über den Eindruck der anderen. Ich rede über unseren Prozess, und Menschen glauben, ich wollte Mitleid – will ich aber nicht. Platitüden nach dem Motto „ach das wird schon alles“ will ich aber auch nicht. Dazu diese zwei Tweets:
„Interessiertes Rückfragen und allgemeine Zurkenntnisname willse. Ausdruck empathischer Aufregung und Daumendrücken willse.“
— KnitterFoo (@Knitterfee) 8. Oktober 2015
Ohrensausen beim Einschlafen, so dass einschlafen mit Ohropax unmöglich ist. Geht aber auch mit einigen Entspannungsübungen ohne. Frage mich, ob das eine Nebenwirkung der Hormone ist, oder nur weil ich den Abend bis spät noch mit Kopfhörern auf den Ohren Buchhaltung gemacht habe.
Zyklustag 3 – Freitag, 09.10.2015
Ein ziemlich komischer Tag. Da Christoph Urlaub hat, hat er vieles im Haushalt erledigt. Einen Spiegel im Flur und Regale in der Abstellkammer aufgehängt, zum Beispiel. Ich wasche Wäsche, während ich arbeite, zusammen eingekauft. Abends um 18 Uhr meine zweite Spritze Gonal F. 200 IE. Abgesehen von meinen Verspannungen bemerke ich wenige Nebenwirkungen, und fühle mich körperlich eher aussergewöhnlich fit. Mental eher kuschelig, zumindest privat, nach außen hin fühle ich mich eher wie eine sehr protektive Löwenmama
Beim Einkaufen bemerkte ich, dass das erste Mal kein Kinderneid in mir aufkam, sondern ich die herumlaufenden Kinder einfach genießen konnte.
Abends ist das Ohrensausen auch wieder weg.
Zyklustag 4 – Samstag, 10.10.2015
Wach um 6 Uhr morgens. In Korea ist (Nach)mittag, also chatte ich etwas mit Janine und sie schickt mir Bilder vom Beauty-Shopping in Korea. Ich bin hart neidisch, aber trotzdem froh, dass ich zu Hause bin und nicht in Korea. Bekomme einen Etsy-Newsletter und ärgere mich darüber, dass die Babykleidung immer in Kategorien unterteilt ist und es keine Unisex Abteilung gibt. Denke mir, wenn es ein Mädchen wird, kauf ich Ihr einen Body auf dem steht „Ladys, i have arrived.“ – mit einer süßen Fliege. Überhaupt mache ich mir viele Gedanken darüber, wie das wohl so wird, in dieser bescheuerten Welt voller Schubladen Kinder großzuziehen, die tolerant und offen sind und nicht in „Jungs sind so, Mädchen sind so, und was anderes ausser Jungs und Mädchen gibt’s eh nicht“ denken.
Mittags dreht jemand im Haus laute Musik, und zwar nicht die Nachbarin, mit der ich zu dem Thema schon kommuniziert habe und eigentlich auch eine Abmachung habe, die mir ein weitgehend Utz-Utz-freies Leben ermöglicht und Ihr die Möglichkeit gibt, aufzudrehen, wenn Ihr danach ist. Natürlich hatte ich sie zuerst im „Verdacht“, habe aber mittlerweile herausgefunden, dass es sich um jemand anders handeln muss. Was mich auf eine Art erleichtert, weil sie mir ein bisschen den Glauben in die Lautmusikhörer-Menschheit zurückgibt, nachdem unser Nachbar auf St. Pauli sich einfach gar nicht darum geschert hat, wie sehr mich das stresst.
Der erste Tag, an dem ich richtig merke, dass ich in einigen Momenten extrem dünnhäutig bin.
Zyklustag 5 – Sonntag, 11.10.2015
Ouzo-Tag! Aber erstmal ein bisschen Arbeit und einer Bekannten aushelfen, die ein Foto für den Pass ihres Babys braucht. Der Drucker streikt, das Baby war da und danach riecht die ganze Wohnung herrlich nach Baby. Als Dankeschön bekomme ich ein Törtchen und es tut mir sehr leid, dass ich damit genauso wenig anfangen kann wie mit Schnittblumen – beides finde ich toll, aber Törtchen esse ich nicht und Blumen muss ich immer vor den Katzen verstecken, weil ich sonst Sonnenblumen-Katzenkotze vom Boden sammeln muss.
Das Törtchen habe ich an Moni vererbt, die im Rover Sonntagsdienst hat, und da Rugby-Abend ist, kommt Ihr so ein Törtchen gerade recht.
Es passiert auch nicht so richtig viel an diesem Tag, und ich mache ein paar Pläne für die kommende Woche. Ansonsten bin ich aber weitgehend symptomfrei, bis auf Appetitlosigkeit am Tag und großen Hunger am Abend.
Ich werde auf Twitter von einer Fremden „virtuell gedrückt“, und als ich zum Ausdruck bringe, dass ich das nicht möchte, wird mir nahegelegt, dann auf Twitter nicht über meinen Kinderwunsch zu schreiben.
Der Ouzo-Abend ist hervorragend. Ich erinnere mich nicht mehr an viel, ausser dass erst Herr Blank und dann ich uns vehement gegen weitere Ouzos wehrten. Das ist vorher auch noch nie so passiert. Ich stelle gerade fest, dass ich so einige Videos an diesem Abend gedreht habe, die ich in einen eventuell folgenden Vlog einfügen werde. Muahahaha.
Zyklustag 6 – Montag, 11.10.2015
Das erste Mal seit langem wieder Therapie. Kann man machen, kann man aber auch sein lassen. Wird dann in der nächsten Stunde mal ausklamüsert. Danach besuche ich eine Freundin, die gerade umgezogen ist, in ihrer neuen Wohnung und bringe kein Brot und Salz mit, weil ich das für eine unnütze Tradition halte und ich mir lieber die Drei Euro Fuffzich aufhebe und sie mit in den Pott werfe, aus dem ich dann ihr Babygeschenk finanzieren werde.
Die Wohnung ist eine sehr süße St. Paulianer Hinterhofwohnung mit dem Luxus eines permanent geschlossenen Tores und dem Nachteil der Hellhörigkeit dieser Häuser, bei denen man jeden Schritt des Nachbarn über sich hört.
Danach fahre ich einkaufen und koche abends Hähnchen und Pesto mit Salat, weil mir nichts besseres einfällt.
Zyklustag 7 – Dienstag, 11.10.2015
Unser erster Follikel-Scan. Morgens um 8:20 – wenn andere schon auf dem Weg zur Arbeit sind, sitze ich maximal verpennt auf der Bettkante, aber auch nur im Ausnahmefall. Die Ärztin fragt mich wieder, ob ich gefrühstückt habe, und ich überlasse Christoph die Diskussion über Ernährung. Sie fragt: „Wer von Ihnen beiden ist denn überzeugter von dieser Ernährungsform?“ und impliziert damit definitiv, dass Christoph mich ja offensichtlich dazu zwingt. Little does she know. Ich bin genervt und verärgert. Es wird einem ständig erzählt, dass so ein IVF bzw. ICSI-Prozess super anstrengend ist, aber ehrlich gesagt strengen mich die ständigen Diskussionen über meine Getreideverweigerung sowie einige Lärmfaktoren mich am meisten an, ansonsten geht es mir körperlich und psychisch weitaus besser, als ich erwartet hatte.
Eckdaten unseres Follikel-Scans: Eine Seite 3, andere Seite 4 Follikel. Einer davon bereits 13mm groß, was heißt, dass ich umgehend mit Orgalutran anfangen muss.
Wochenabschluss 1:
Ich habe, bis auf Sonntag/Montag/Dienstag, einige Video-Updates aufgenommen und überlege, ob ich diese zusammenfassend zu einem kleinen Vlog zusammenschneide. Es ist nicht besonders viel dabei, was jetzt nicht auch hier steht. Ausserdem habe ich beschlossen, eine kleine, etwas weniger emotionale Übersicht über unsere ICSI zu machen, die ich dann auch noch hier verlinken werde, für diejenigen, die sich für Daten und Fakten mehr interessieren als für Katzen- und Arztgeschichten