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Ihr Lieben,heute möchte ich Euch eine berührende Geschichte von Antje Rösener erzählen, die tatsächlich geschehen ist:"Hauptbahnhof Zürich. Wochenendgetümmel. In der Bahnhofshalle stürmen uns Fußballfans entgegen, als mich meine Freundin Susanne in die Seite boxt:
„Du, schau mal. Siehst Du die alte Frau dort hinten?“ Ich drehe mich um. Ja, eine zierliche alte Frau mit gebeugtem Oberkörper, achtzig könnte sie sein. Oder älter. Sie steht an einer Mauer, gestützt auf einen Rollstuhl, der vor ihr platziert ist. Eine Plastiktasche baumelt herab.
„Eine Stadtstreicherin?“, frage ich sofort.
„Nein, sie ist oft hier, wir Züricher kennen sie. Weißt Du, was sie macht?“
„Keine Ahnung, was soll sie schon machen, nichts, sie steht da. Und wartet. Wartet auf irgendwas, irgendwen, irgendwann ...!“
Quelle: Helmut Mühlbacher
„Nein, ganz falsch“, unterbricht mich Susanne, „sie segnet die Menschen. Es gab darüber einen Bericht in der Zeitung.“
Ich bleibe stehen. „Sie segnet die Menschen? Hier. Mitten im Züricher Hauptbahnhof? Mitten in diesem Gewimmel?“
Ich schaue genauer hin. Man sieht nicht viel. Eigentlich gar nichts. Sie beobachtet sehr genau, sie ist ganz wach. Ab und an verfolgt sie eine Person mit ihrem Blick. Das ist schon alles.
„Aber wer will das schon, gesegnet werden, hier im Getümmel, von dieser Frau?“
„Sag das nicht, manche sprechen sie sogar direkt an“, sagt Susanne. „Morgens vor allem, wenn jemand eine Prüfung vor sich hat oder einen Arztbesuch oder so ...!“
Was für eine verrückte Idee, denke ich, als wir schließlich weitergehen. Die Menschen in einem Bahnhof zu segnen, darauf wäre ich im Leben nicht gekommen. Vor fünfzig Jahren machten das oft die Mütter oder Großmütter: Sie zeichneten ihren Kindern ein Kreuz auf die Stirn, bevor diese morgens das Haus verließen. Gott schütze dich, Gott helfe Dir, egal, was passiert, sollte das heißen.
Viel Zärtlichkeit lag in dieser Geste. Beruhigendes auch: „Du bist nicht nur Du, mein Kind. Schon gar nicht, wenn Du jetzt aus dem Haus gehst. Du lebst in einem größeren Zusammenhang, ob Du es weißt oder nicht, aber Du wirst niemals ganz ohne Hilfe sein.“
Vielleicht hat die alte Frau das als Kind selbst noch erlebt – und genossen.
Vielleicht steht sie deshalb jetzt hier und gibt diesen Segen weiter. Wildfremden Menschen, glücklichen, unglücklichen, hellen und dunklen, großen und kleinen.
Was für eine verrückte, nein, großartige Idee!
Ihr Lieben,
ich würde mir mehr Menschen wie diese alte Frau wünschen, dann würde unsere Welt heller ausschauen und wärmer sein.
Wir haben so viel wunderbare Möglichkeiten, Liebe an unsere Mitmenschen weiter zu verschenken, ihnen Zuwendung zu schenken, ihnen Licht in ihren Alltag zu bringen und ihnen Hoffnung, Mut, Zuversicht und Freude zu schenken.
Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, in meinem Alltag, wenn ich mit dem Rad unterwegs bin, wenn ich einkaufe,- einfach überall, wo ich Menschen treffe – Worte der Ermutigung, der Freude, der Liebe, der Zuversicht zu sagen.
Und Gelegenheiten gibt es unendlich viele:
Da sitzt jemand traurig auf einer Bank und weint vielleicht sogar. Was hindert mich, mich daneben zu setzen und nach dem Grund der Trauer zu fragen? Ich habe bei solchen Gelegenheiten schon sehr berührende Gespräche erlebt.Da behandelt mich eine Verkäuferin sehr freundlich oder ein Kunde mit vollem Einkaufswagen lässt mich an der Kasse vor, weil ich nur zwei Teile einkaufe.
Das ist eine wundervolle Gelegenheit, einen Menschen zu loben, ihm einige liebe Worte zu sagen und ein strahlendes Lächeln in sein Gesicht zu zaubern.
Probiert es doch einmal aus, Ihr werdet staunen, wie sich dadurch auch Euer eigener Alltag erhellt und durch Glücksgefühle bereichert wird.
Ich wünsche Euch einen fröhlichen Abend und grüße Euch herzlich aus dem schönen frühlingshaften Bremen
Euer heiterer Werner
Quelle: Karin Heringshausen