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Ihr Lieben,heute Abend möchte ich Euch eine Geschichte von Helmut Jahn erzählen:
„Der Gute-Nacht-Kuss“
„In einem Altersheim führte ich ein Gespräch mit dem Direktor des modern und großzügig ausgestatteten Hauses.
Unser Thema war: Einsamkeit – die Krankheit unseres Jahrhunderts.
Er erzählte mir von einer Dame, die von ihrem Alter her eigentlich noch lange nicht in ein Altersheim hätte übersiedeln müssen. Am Tag ihres Einzugs in die „letzte Station“ ihres Lebens wurde sie von ihren Kindern und Enkelkindern begleitet.
„Hier hast Du es schön, Mama!“ „Hier hast Du Ruhe vor Deinen Enkelkindern, diesen kleinen Quälgeistern, und Du kannst endlich ein gutes Buch lesen, ohne gestört zu werden.“
„Schau doch, ein neues Fernsehgerät!“
So und ähnlich schnatterten sie alle fröhlich durcheinander, um die Peinlichkeit der Situation zu überspielen. Und kurz danach hieß es:
„So, nun müssen wir aber gehen. Du weißt ja, wir bekommen heute Abend noch Besuch.“
„Fredi schreibt morgen eine Lateinarbeit und muss noch dafür üben.“
„Außerdem müssen wir noch packen, weil Fritz morgen zu einer Tagung fährt.“
„Und, und, und…“
Und das Schlusswort lautete:
„Und lass es Dir gut gehen hier. Die Leute hier sind ja alle soooo nett und freundlich und hilfsbereit.“
Die Dame hatte alles schweigend zur Kenntnis genommen und nur genickt.
Eine wirklich angenehme Person.
Auch in den nächsten Tagen und kommenden Wochen gab es keine besonderen Vorkommnisse.
„Ja, bitte“ und „Nein, danke“ – mehr war nicht von ihr zu hören.Ob sie etwas möchte, hatte sie der Direktor einmal gefragt.
„Nein, danke.“
Und der für das Altersheim zuständige Arzt, der sie gründlich untersuchte und feststellte, dass ihr eigentlich gar nichts fehlte, wollte wissen, ob er noch etwas für sie tun könnte.
„Nein, danke.“
Was weiß ein Direktor oder ein Arzt, was eine Frau und Mutter und Großmutter wirklich braucht? Sicher etwas, das es nicht zu kaufen gibt – schon gar nicht auf Kosten der Krankenkasse.
Weil ihr Verhalten so seltsam war, wurde die Dame beobachtet.
Dabei bemerkte man, dass sie allabendlich nach den Schlussnachrichten aufstand und den Fernsehschirm küsste. Dann lächelte sie, verließ den Fernsehraum und ging auf ihr Zimmer.
Eines Tages nahm sich der Direktor ein Herz und fragte sie, was das denn zu bedeuten hätte.„Ganz einfach“, sagte die Dame, „der Nachrichtensprecher ist der einzige Mensch auf der Welt, der freundlich mit mir spricht und mir eine „Gute Nacht“ wünscht.“
Ihr Lieben,
diejenigen, die mein Buch DAS ESELSKIND gelesen haben, wissen, dass ich in meiner Kindheit und Jugend kein gutes Verhältnis zu meiner Mutter hatte und wenig Liebe bekommen habe.
Als sie alt und hinfällig war und in einem Altersheim lebte, habe ich sie sehr häufig besucht und wir haben uns in dieser Zeit sehr angefreundet und viele Dinge aus meiner Kindheit und Jugend ausgeräumt, die zwischen uns standen. Auch haben wir gemeinsam viel unternommen, auch wenn meine Mutter im Rollstuhl saß.
In dem Altersheim wurde mein Mutter damals sehr beneidet, weil sie von meiner Schwester und mir regelmäßig besucht wurde, während die meisten Bewohner des Altersheimes zwar auch Kinder hatten, aber selten oder nie von diesen Besuch wurden.
Als ich die heutige Geschichte las, wurde ich sehr traurig, besonders als ich das las, was die Familienangehörigen äußerten, als sie ihre Mutter ins das Altersheim abschoben.
Dazu fiel mir nur noch der alte lateinische Spruch ein:
„Oh, wenn Du doch geschwiegen hättest!“
Wenn die Kinder ihre Mutter schweigend in das Altersheim gebracht hätten,
dann hätte ihr das sicher weniger weh getan als dieses verlogene Gerede!
Es muss sehr hart sein, von allen seinen Wurzeln abgeschnitten zu werden, aus allen seinen sozialen Bindungen herausgerissen zu werden und in ein Heim abgeschoben zu werden:
Einsamkeit umfängt einen dort, Einsamkeit kriecht durch alle Ritzen
und Einsamkeit ist der stetige Begleiter.
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Nun könntet Ihr einwenden, dass der Direktor und der Arzt sie doch gefragt haben, ob sie etwas für sie tun könnten. Aber kann man Zuwendung, Liebe, Freundlichkeit und menschliche Wärme wirklich einfordern?Man kann leider nicht zum Gegenüber sagen: „Nun sei doch mal ein bisschen freundlich zu mir!“ Freundlichkeit und menschliche Wärme kann man nicht befehlen oder einfordern, die müssen von Herzen kommen.Und so endet diese heutige Geschichte eigentlich todtraurig:
Der einzige Mensch, der freundlich zu der Dame ist und ihr eine Gute Nacht wünscht, ist der Nachrichtensprecher!
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An diesem letzten Satz der Geschichte kann man auch erkennen, dass diese Geschichte schon etwas älter ist, sie stammt aus der Zeit, in der die Fernsehlandschaft noch aus wenigen Sendern bestand und der Nachrichtensprecher gegen 24 Uhr oder 1 Uhr das Programm mit den Nachrichten und einem Gute-Nacht-Gruß beendete.Wir sollten aus der Geschichte zweierlei lernen:
Es kostet so wenig, täglich durch Freundlichkeit und menschliche Wärme diese Welt heller und lebenswerter zu gestalten, Ihr ahnt gar nicht, wie viel Freude Ihr damit verbreiten könnt.
Und sollten wir einmal in die Lage der Dame geraten, bringt es wenig, darauf zu warten, dass jemand kommt und Freundlichkeit und menschliche Wärme versprüht.
Viel besser ist es, selbst das zu tun, von dem man sich wünscht,
dass Andere es auch tun.
Es gibt ja im Deutschen das alte Sprichwort:
„Was Du nicht willst, das man Dir tut, das füge auch keinem Anderen zu!“
Nur wenige Menschen wissen, dass eine ganz große Lebensweisheit darin liegt, diesen Satz umzukehren:
„Was Du möchtest, dass man Dir tut, das füge auch dem Anderen zu!“
Wer möchte, dass er geliebt wird, wer möchte, dass ihm Freundlichkeit entgegengebracht wird und ihm menschliche Wärme entgegen strömt, der sollte anfangen, Liebe, Freundlichkeit und menschliche Wärme weiterzugeben.
Wer das tut, kann gar nicht vermeiden, dass dann der Satz
„Was Du möchtest, dass man Dir tut, das füge auch dem Anderen zu!“, in Erfüllung geht.
Ich wünsche Euch einen fußballfreien ruhigen Abend und morgen einen zuversichtlichen Tag und ich grüße Euch herzlich aus meinem kleinen Garten, den ich jetzt verlassen werde.
Euer fröhlicher Werner
Quelle: Karin Heringshausen