Ihr Lieben,
heute Abend möchte ich Euch ein Lied von Reinhard Mey zu lesen geben, das uns ähnlich viel zu sagen hat wie die Geschichten, die ich sonst erzähle:
„Zeugnistag“
„Ich denke, ich muss so zwölf Jahre alt gewesen sein
Und wieder einmal war es Zeugnistag
Nur diesmal, dacht' ich, bricht das Schulhaus samt Dachgestühl ein
Als meines weiß und hässlich vor mir lag.
Dabei war'n meine Hoffnungen keineswegs hoch geschraubt
Ich war ein fauler Hund und obendrein
Höchst eigenwillig, doch trotzdem hätte ich nie geglaubt
So ein totaler Versager zu sein.
So, jetzt ist es passiert, dacht' ich mir, jetzt ist alles aus
Nicht einmal eine 4 in Religion
Oh Mann, mit diesem Zeugnis kommst du besser nicht nach Haus
Sondern allenfalls zur Fremdenlegion.
Fremdenlegion
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Ich war vielleicht 'ne Niete in Deutsch und Biologie
Dafür konnt' ich schon immer ganz gut mal'n!
Der Zauber kam natürlich schon am nächsten Morgen raus
Die Fälschung war wohl doch nicht so geschickt
Der Rektor kam, holte mich schnaubend aus der Klasse raus
So stand ich da, allein, stumm und geknickt.
Dann ließ er meine Eltern kommen, lehnte sich zurück
Voll Selbstgerechtigkeit genoss er schon
Die Maulschellen für den Betrüger, das missrat'ne Stück
Diesen Urkundenfälscher, ihren Sohn.
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Mein Vater nahm das Zeugnis in die Hand und sah mich anUnd sagte ruhig: „Was mich anbetrifft
So gibt es nicht die kleinste Spur eines Zweifels daran
Das ist tatsächlich meine Unterschrift“.
Auch meine Mutter sagte, ja, das sei ihr Namenszug
Gekritzelt zwar, doch müsse man versteh'n
Dass sie vorher zwei große, schwere Einkaufstaschen trug
Dann sagte sie: „Komm, Junge, lass uns geh'n“.
Ich hab' noch manches langes Jahr auf Schulbänken verlor'n
Und lernte widerspruchslos vor mich hin
Namen, Tabellen, Theorien von hinten und von vorn
Dass ich dabei nicht ganz verblödet bin!
Nur eine Lektion hat sich in den Jahr'n herausgesiebt
Die eine nur aus dem Haufen Ballast:
Wie gut es tut, zu wissen, dass dir jemand Zuflucht gibt
Ganz gleich, was du auch ausgefressen hast!
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Ich weiß nicht, ob es rechtens war, dass meine Eltern michDa rausholten, und wo bleibt die Moral?Die Schlauen diskutier'n, die Besserwisser streiten sich
Ich weiß es nicht, es ist mir auch egal.
Ich weiß nur eins, ich wünsche allen Kindern auf der Welt
Und nicht zuletzt natürlich dir, mein Kind
Wenn's brenzlig wird, wenn's schiefgeht, wenn die Welt zusammenfällt
Eltern, die aus diesem Holze sind.“
Quelle: Astrid Müller
Ihr Lieben,mein geliebter Großvater, der Bauer sagte einmal zu mir, als wir über Freundschaften sprachen:
„In der Not gehen tausend Freunde auf ein Lot!“Damit wollte er mir klarmachen, dass man sich auf die allermeisten Freunde in der Not nicht verlassen kann.
Ich war damals, wie Reinhard Mey in dem Lied, 12 Jahre alt und war ein wenig erschrocken über das, was mein Großvater da zu mir sagte. Aber meine Lebenserfahrungen haben mir gezeigt, dass wir uns im Leben wohl nur auf eine Handvoll Menschen wirklich in jeder Lebenslage verlassen können.
Quelle: Helmut Mühlbacher
Unsere Sprache ist oft klüger wie wir selbst.Es ist sicher kein Zufall, dass ein gleiches Wort im Deutschen zwei gegensätzliche Bedeutungen hat!Wenn ich weiß, dass jemand zu mir steht, dass jemand bereit ist, mit zu helfen, dass jemand ein echter Freund ist, dann sage ich: „Ich kann mich auf ihn verlassen!“ Und das ist dann ein hohes Lob.
Wenn ich aber merke, dass ich in einer Notlage allein bin, dass meine sogenannten Freunde dann, wenn es darauf ankommt, nicht zu mir stehen, dann fühle ich mich verlassen. Und in diesem Zusammenhang bedeutet das Wort „verlassen“ etwas sehr Negatives.
In guten Zeiten jemandes Freund zu sein, ist nichts Besonderes.
In guten Zeitenan jemandes Tisch zu sitzen, das kann jeder.
In guten Zeiten zu sagen „Ich bin Dein Freund“, geht leicht von den Lippen.
Freundschaft zeigt sich in der Not, Freundschaft zeigt sichdann, wenn ich die Hilfe des Freundes brauche. Freundschaft zeigt sich dann, wenn alle gegen mich sind und der Freund zu mir steht.Und wie gewinnen wir solche Freunde, auf die wir uns wirklich verlassen können?
Indem wir anderen Menschen genau so ein Freund sind, wie wir ihn uns selbst wünschen.
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Ihr Lieben,ich wünsche jedem Einzelnen von Euch einen Freund, das kann auch ein Familienmitglied oder ein sonstiger Verwandter sein, der Euch durch alle Notlagen begleitet, der zu Euch steht, wenn alle gegen Euch sind, der Euch in den Arm nimmt, wenn Euch zum Weinen zumute ist, der Euch tröstet, wenn Ihr traurig sein, der Euch einlädt, wenn Ihr einsam seid, der mit Euch geht, wenn Ihr einen schweren Weg zu gehen habt, der Euch so respektiert, wie Ihr seid, mit all Euren Schwächen und Fehlern.Ich grüße Euch herzlich aus Bremen
Euer fröhlicher Werner