Ich wünsche Dir einen Lindenbaum!

Von Wernerbremen

Quelle: Helmut Mühlbacher


Ihr Lieben,
heute möchte ich Euch eine Geschichte von Gudrun Pausewangerzählen:
„Die Linde“

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"Fährst Du in den Wald?“, fragte Andreas seinen Vater, der die Motorsäge aus der Scheune holte. „Darf ich mit?“ „Heute fahre ich nicht in den Wald“, sagte der Vater. „Heute kommt die Linde dran.“
„Die Linde in unserem Hof?“, fragte Andreas erschrocken.
Der Vater sah den Jungen nicht an. „Sie muss weg“, sagte er und räusperte sich.
„Sie macht der Mutter so viel Arbeit, vor allem im Herbst. Aber es sind nicht nur die Blätter. Auch wenn sie blüht, macht sie Dreck“.

 
„Blätter und Blüten sind doch kein Dreck“, entgegnete Andreas.„Nenn´s, wie Du willst“, sagte der Vater. „Weggekehrt werden muss es so und so. Die Mutter hat das Kehren satt. So viel Arbeit, die nichts bringt.“
„Aber die Linde ist doch schön!“, rief Andreas.
 
Der Vater warf einen Blick hinauf in den mächtigen Baum. „Für die Schönheit zahlt mir keiner was“, sagte er. „Außerdem steht sie an einer ungünstigen Stelle. Ich muss mit dem Traktor immer einen Bogen um die fahren, wenn ich in den Schuppen will.“„Ist das denn schlimm?“, fragte Andreas. „Zwei Minuten Umweg?“

Schenklengsfelder Linde
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„Jeden Tag ein paar Mal rein und raus mit dem Traktor“, sagte der Vater, „das macht schon eine halbe Stunden am Tag. Im Jahr summiert sich das. Und jetzt verzieh Dich, Junge, Du hältst mich auf.“
Andreas lief neben dem Vater her, der im Schuppen die Axt holen ging. „Aber Dein Urgroßvater hat sie doch gepflanzt“, rief er. „Das hast Du mir erzählt!“„Na und?“, brummte der Vater.
 
Deinem Großvater hat der Dreck nichts ausgemacht und Dein Vater hat sie auch nicht gefällt“, sagte Andreas. „Die sind ja auch noch aufs Plumpsklo gegangen, damals“, sagte der Vater. „Heute herrschen andere Sauberkeitsmaßstäbe. Also jetzt verschwinde.“
„Aber ich weiß von der Großmutter, dass der Großvater die Linde lieb gehabt hatte“, rief Andreas. „Noch als er im Krieg auf Urlaub kam, hat er sich darunter gesetzt. Deshalb hat die Großmutter auch oft darunter gesessen, nachdem er gefallen war. Und Dein Vater hat sie sicher auch lieb gehabt. Wozu hätte er sie sonst stehen lassen? Da gibt´s doch noch ein altes Foto, wo er unter der Linde sitzt. Damals war sie aber noch längst nicht so dick wie jetzt.“
„Früher hatten die Leute abends noch Zeit, sich abends unter eine Linde zu setzen“, knurrte der Vater. „So was kann man sich heutzutage nicht mehr leisten, wenn der Schornstein rauchen soll.“
„Du sitzt doch auch eine Menge vor dem Fernseher“, antwortete Andreas.
„Das ist etwas ganz anderes“, sagte der Vater ärgerlich. Er winkte dem Nachbarn zu, der gerade mit seinem Sohn, dem langen Bernd, zur Hofeinfahrt hereinkam und auch eine Axt in der Hand hielt.

 
„Na, kann´s losgehen?“, rief der Nachbar herüber. „Auf geht´s!“, rief der Vater zurück und zeigte zwischen Schuppen und Scheune. „Am besten, wir lassen sie dort hinüberfallen.“
„Nein!“, rief Andreas, lief zur Linde und versuchte, den dicken Stamm zu umklammern. „Ich habe sie doch auch lieb! Ich will auch darunter sitzen!“
„Jetzt mach keine Schau“, sagte der Vater zornig. „Der Baum ist ja kein Mensch!“

 
„Du willst doch, dass ich später mal hier Bauer werde“, rief Andreas. „Aber wenn Du die Linde fällst, dann kannst Du Deinen Hof behalten!“ Und er brach in Tränen aus.Der Vater blieb unschlüssig stehen und sah den Jungen an.

www.badische-zeitung.de

„Ich kann ihn verstehen“, sagte der Nachbar. „Ich würde sie auch nicht umlegen. Wär verdammt kahl hier, ohne sie.“ „Und dann die vielen Vögel in den Zweigen“, sagte der lange Bernd. „Dann gäb´s im Frühling kein Gezwitscher mehr auf dem Hof.“
„Ich kehre auch jeden Tag“, sagte Andreas und wischte die Tränen weg. „Und ich will zu meinem Geburtstag nichts mehr geschenkt bekommen, damit das mit dem Umweg wieder ausgeglichen wird.“
„Also, so knapp geht´s ja bei uns doch nicht zu, dass wir das nicht verkraften können“, sagte der Vater. „Komm her, trag die Axt wieder in den Schuppen. Aber wie bringen wir das der Mutter bei, dass die Linde stehen bleibt?“
„Ich spreche mir ihr“, sagte der lange Bernd. „Ich werde ihr sagen, dass Hof-Linden jetzt ‚in‘ sind.“
„Nein, danke“, sagte der Vater, das müssen wir schon selbst machen, der Junge und ich. Nicht wahr, Andreas?“

Quelle: Astrid Müller


Ihr Lieben,
vor etlichen Jahren machte ich im Sommer übers Wochenende von Bremen aus eine größere Radtour, die mich durch das Emsland nach Heede führte. Heede ist kein Ort, den man kennen muss. Berühmt ist Heede nur deshalb, weil dort die größte europäische Linde steht, ein wirklich beeindruckender Baum! 

Die Linde in Heede
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Es war eine wundervolle Ruhe und Stille, die sich in mir ausbreiteten, als ich mich im Schatten des Baumes ausruhte.

Der Umfang der Linde in Heede beträgt 17 Meter!
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Die Frage, die ich mir immer wieder stelle, ist die Frage, warum die Menschen so Angst vor der Stille und Ruhe haben. Ich kenne viele Menschen, die wie der Vater in unserer Geschichte oft stundenlang täglich vor dem Fernseher sitzen, wogegen erst einmal so nichts zu sagen ist.
 
Merkwürdig ist nur, dass die gleichen Menschen, wenn man sie einlädt, einmal einige Minuten unter einem Baum oder in einem Garten zur Stille und Ruhe zu kommen, plötzlich angeblich ganz viel zu tun haben, das sie gerade jetzt daran hindert, zur Ruhe zu kommen.
Die deutsche Sprache ist sehr klug, sie spricht von „zur Ruhe kommen“.
Das bedeutet, wenn wir an unserer Seele genesen wollen, wenn wir ruhig und gelassen werden wollen, wenn wir Ruhe und Frieden für unsere gehetzte Seele finden wollen, müssen wir „zur Ruhe kommen“. Die Ruhe kommt also nicht zu uns, sondern wir müssen „zur Ruhe kommen“, zu ihr hingehen.Zur Ruhe kommen“ ist also eine ganz gewusste Entscheidung von uns, zu sagen: „Bei allem Stress, den ich habe, bei aller Arbeitsbelastung, die ich ertragen muss, bei allem Termindruck, dem ich ausgesetzt bin, will ich mir Inseln der Ruhe schaffen, damit ich abschalten und ausruhen kann."

Als ich in Göttingen studierte und später dort als Dozent an der Universität gearbeitet habe, habe ich mir nach einer anstrengenden Arbeitswoche am Wochenende manchmal im Frühling, Sommer oder Herbst die Freiheit genommen, mit meinem Auto nach Bad Sooden-Allendorf zu fahren.
 
Dort ist ein Brunnen zu finden, neben dem eine Linde steht.
Dort hat Wilhelm Müllerdas berühmte Lied gedichtet, das dann von Franz Schubert vertont wurde:
Am Brunnen vor dem Tore
Da steht ein Lindenbaum
Ich träumt in seinem Schatten
So manchen süßen Traum
Ich schnitt in seine Rinde
so manches liebes Wort
Es zog in Freud und Leide
Zu ihm mich immer fort

Ich musst auch heute wandern
Vorbei in tiefer Nacht
Da hab ich noch im Dunkel
Die Augen zugemacht
Und seine Zweige rauschten
Als riefen sie mir zu:
"Komm her zu mir, Geselle
Hier findst du deine Ruh

Die kalten Winde bliesen
Mir grad ins Angesicht
Der Hut flog mir vom Kopfe
Ich wendete mich nicht
Nun bin ich manche Stunde
Entfernt von diesem Ort
Und immer hör ich´s rauschen:
"Du fändest Ruhe dort!"

Ich habe dann dort einige Stunden gesessen und diese  Stunden haben mir dann viel Kraft geschenkt.
Ich wünsche Euch für das Jahr 2013, dass auch Ihr eine solche Linde findet, unter der Ihr zur Ruhe kommen könnt. Ihr werdet staunen, wie gut Euch solche Zeiten der Ruhe tun werden und vielleicht habt Ihr dann auch die Gelegenheit, Eure innere Stimme zu vernehmen.
Das Besondere an unserer inneren Stimme ist, dass man sie nur hört, wenn man zur Ruhe kommt, wenn man still wird. 
Ich wünsche Euch jedenfalls ein gutes Gespräch mit Eurer inneren Stimme und ganz viel Ruhe und inneren Frieden.Seid herzlich aus Bremen gegrüßt
Euer fröhlicher Werner

Quelle: Karin Heringshausen