Ich warte auf Post

Ja, ich gebe es zu. Ich bin eine derjenigen, die hauptsächlich im Internet einkauft. Und das bedeutet, dass bei mir immer die eine oder andere Sendung aussteht. Ob antiquarische Bücher, ob Kleidung, Schuhe oder sogar irgendwelche Haushaltsgeräte – ohne DHL und die netten Zusteller geht bei mir gar nichts. Und seit Tagen ist der Briefkasten leer und die Klingel schweigt, obwohl mein Computer mir doch erzählt, dass die Ware schon lange versendet ist. Grrrr!

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Foto: © Robert Kneschke / pixelio.de

Schon komisch, dass einem immer erst dann bewusst wird, wie sehr man etwas schätzt, wenn es plötzlich nicht mehr zur Verfügung steht.
Wenn nämlich all die Leute, die sonst für einen Apfel und ein Ei mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht ihre Arbeit verrichten, endlich mal die Schnauze voll davon haben, so unendlich weit hinter jenen von unserem System Begünstigten zurückstehen zu müssen, die ihre Arbeitszeit beispielsweise damit verbringen, Gelder aus dem Nichts zu schöpfen oder diese ja nun wirklich sehr imaginären Werte im Anschluss daran hin und her zu schaufeln und dafür auch noch fürstlich entlohnt werden. Oder hinter jenen, die zum Beispiel für Unsummen monatelange Studien darüber anstellen, warum gewisse Discounter bei ihren Kunden so beliebt sind, nur um dann irgendwann etliche Millionen Euro Beraterhonorar später zu dem Schluss zu kommen, dass es möglicherweise etwas mit den vergleichsweise niedrigen Preisen zu tun haben könnte. Ein Schluss, den jede durchschnittliche Hausfrau offensichtlich ganz problemlos und ohne spezielle finanzielle Vergütung zu ziehen in der Lage ist.
Mein Fazit: Wer für solche Art von „Beratungsarbeit“ extra studieren muss, sollte eigentlich kein BAföG bekommen, sondern man müsste ihm eher einen Eingliederungszuschuss nach SGB III bewilligen.

Aber so bescheuert das auch klingen mag, reale Arbeit wird offenbar immer weniger wertgeschätzt. Und das trifft leider nicht nur auf die Leistungen der netten Menschen zu, die uns unsere Briefe in den Kasten werfen und uns unsere Pakete in die erfreut ausgestreckten Hände legen. Es betrifft auch all jene, die zum Beispiel unsere Kinder unterrichten, unsere Anzeigen aufnehmen und für Sicherheit auf unseren Straßen sorgen, die uns pflegen, wenn wir krank sind oder zu alt und gebrechlich, um den Alltag auf uns allein gestellt bewältigen zu können.

Bittere Realität in Deutschland: Jede zehnte Schulstunde fällt mittlerweile aufgrund von Lehrermangel aus, teilweise völlig uneffektiver und daher unsinniger Vertretungsunterricht nicht eingerechnet. Das bedeutet, unsere Kinder verlieren im Durchschnitt ein komplettes Schuljahr! Unsere Polizisten schieben Unmengen von Überstunden vor sich her, und sie sind dabei nicht die Einzigen. Krankenschwestern und Altenpfleger sind unterbezahlt, überlastet und zum Teil sowohl körperlich als auch seelisch völlig ausgebrannt, da auf den Stationen lieber billigeres Hilfspersonal eingesetzt wird anstelle gut ausgebildeter Kräfte und sich dadurch der Druck auf die wenigen geschulten Angestellten und deren Verantwortung den Patienten gegenüber immens erhöht.

Aber gleichzeitig – und das ist bei dem akuten Geldmangel doch wirklich merkwürdig – können unsere Firmen, Ämter und Behörden es sich leisten, Beratungsfirmen für Millionenhonorare unsinnige Studien erstellen zu lassen. Am liebsten natürlich darüber, wie sich womöglich noch mehr Gelder einsparen lassen könnten.

Mal sehen, wie lange es dauert, bis irgendeiner der überbezahlten Schreibtischtäter Hundezwinger statt Krankenbetten vorschlägt. Selbstverständlich zum Schutz der Patienten; da kann wenigstens niemand rausfallen…
Der Gipfel des Bürokratie-Schwachsinns zum Zweck der Sinnentfremdung jeder Entlohnungsform ist für mich persönlich bisher jedenfalls die oben bereits erwähnte Studie darüber, warum Aldi und Lidl bei einem sehr großen Bevölkerungsanteil beliebter sind als diverse teure Nobelkaufhäuser. Wer wenigstens noch einen Teil seiner Zeit in der Realität verbringt und sich dabei trotzdem nicht an den Kopf packt, hat wahrscheinlich schon irgendwann zwischen all dem systembedingten Unfug, den wir immer noch so duldsam hinnehmen, den Verstand verloren. Das Lustige – oder Traurige, das ist wohl Ansichtssache -, an der Situation ist, dass wir es wahrscheinlich nicht einmal bemerken würden, falls all die so großzügig entlohnten Investment- oder Unternehmensberater, Lobbyisten oder sogar der eine oder andere Politiker mal in den Streik treten würden. Einfach mal darüber nachdenken…

Ja, verdammt, ich warte auf Post. Aber wenn dieser Streik den einen oder anderen zum Nachdenken anregt über die Frage, was wirklich wichtig ist und was in unserem System so alles komplett gegen den Baum – und gegen jede Logik – geht, dann warte ich gern auch noch länger!


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Quellen – weiterführende Links

Foto: © Robert Kneschke / pixelio.de
Video: youtube.de / “TV Doku: Poststreik in Berlin Brandenburg geht weiter – rbb aktuell ” uploader: wasistzeitgeist


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